Gänsehaut bis zum Anschlag


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Neulich, spazierend durch den Wald, die herrliche Natur genießend, fiel mir etwas ins Auge. Schon in weiter Ferne bemerkte ich, zwischen all den Bäumen, eine Gestalt. Normalerweise ist solch eine Begegnung nichts Ungewöhnliches, aber der Eindruck, dass sich eine Person in einer dem Boden entfernten Höhe befand, dramatisierte diese Szenerie und mir widerfuhr ein Grauen. Die bis dahin schöne Umgebung erblasste, mir stockte der Atem und unverzüglich wurde es mir abwechselnd kalt und heiß. Meine Gedanken erstarrten und überschlugen sich gleichzeitig, ein Sortieren der Wortfetzen war kaum noch möglich. In Anbetracht meiner unheimlichen Vermutungen erlahmten meine schlendernden Schritte zusehends und alsbald untersagten sie mir ein Vorwärts.

Eine ganze Weile verharrte ich in Wartestellung, aber es veränderte sich nichts. Das Bild blieb, es gab keine Bewegung und es kam natürlich auch niemand des Weges, mit dem ich mich hätte austauschen können. Jogger und Hundehalter, welche man hier sonst immer zuhauf traf, ließen sich nicht sehen. Was also sollte ich tun?

Trotz einer Gänsehaut bis zum Anschlag befreite ich mich dennoch aus meiner Gefrierung. Mir fehlte zwar der Mut, aber mich abwenden, als wenn nichts wäre, das ging nicht. Schleichend, den Blick auf den unheimlichen Fund gerichtet, bewegte ich mich voran.
Der Weg zog sich wie Kaugummi. Die Entfernung zum Objekt verringerte sich nur sehr schleppend, denn eigentlich wollten meine Augen nicht erkennen, was mir mein Hirn in rasender Eile diktierte.
Dreißig Meter, zwanzig Meter, da ich mittlerweile auf alles gefaßt war, entsperrte ich mein Handy und dann, ganz plötzlich, entkrampfte sich die Lage. Der nun stark dezimierte Abstand, zu der entdeckten Gestalt, brachte mir nämlich Erkenntnis.

~Die Gesichter des Waldes können manchmal ganz schön gruselig sein und wenn sich die Realität mit der Phantasie paart, dann tanzt das Hirn Rock’n’ Roll.~

Ein altes Hemd, platziert an einem Baum, ein paar verdrehte Äste, das alles mit Licht und Schatten unterstrichen und schon war eine optische Täuschung geboren.
Auf Grund von Erfahrungswerten wußte mein Denken, was hätte sein können und deswegen malte mir die Vorverarbeitung meines Gehirns ein schreckliches Bild. Der Selbstmörder, der sich am Baum erhängte, den gab es Gott sei Dank nicht.

Ich wandte mich ab, atmete tief durch und die Natur erhielt ihre wundervollen Farben zurück.
Der Gedanke jedoch, warum sich mein imaginärer Toter aus dem Leben hätte stehlen wollen, der ging mir so schnell nicht aus dem Kopf.

Diese Impression, sie durfte bleiben, ich verwandelte sie in geschriebene Worte.

~

Uschi Pohl 02.04.2016

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Kommentare (5)

uschipohl Hallo omasigi,

das dicke Lob in deinen Zeilen ist mir eine große Ehre, dankeschön.

Ein Mensch mit großer Phantasie ist meistens auch ein schreckhafter, denn er malt sich sofort aus, was sein könnte .
Sehr gern werde ich noch Weiteres hier veröffentlichen, denn es freut mich, wenn Leserherzen höherschlagen

herzliche Grüße
uschi
omasigi ist eine schoene Begabung, wie man an Deiner hier geschriebenen Geschichte lesen kann.

Doch es gibt solche Situationen wo ploetzlich ein Geraeusch die Phantasie anregt und man ist hinterher erleichter wenn es nur eine kurze Einbildung war.

Sehr gut beschrieben.

Ich denke doch, da kommt von Dir noch mehr, ich wuerde mich freuen.

gruessle
omasigi
uschipohl Hallo Mitmenschen,

es freut mich, dass euch meine kleine Geschichte gefallen hat. Es gibt immer wieder phantastische Momente in der Natur und manchmal auch echt gruselige Sachen, welche sich jedoch meistens als harmlos erweisen, Gott sei Dank .

Diese Geschichte ist jedoch eine Erfindung meiner Phantasie, sie ist nicht real passiert.

Eine kleine Info über meine Schreibkunst:

Einfühlungsvermögen ist meine Stärke. Ich sehe etwas, werde Teil von ihm, spüre eine Aussage und schreibe meine Interpretation auf.
Das heißt, schreibe ich von Todessehnsucht, dann habe ich diese nicht persönlich, schreibe ich von Mord und Gewalt, dann bin nicht ich diejenige, die gewalttätig ist, schreibe ich von Trauer, dann bin ich nicht unbedingt in der Phase des Schreibens, in dem Augenblick, traurig. Schreibe ich von Freude, Harmonie, Liebe und Glück usw., kenne ich das, besitze es, aber das Schreiben kommt, wie es kommt, wie ich etwas sehe, nicht unbedingt, wie es meine Person gerade betrifft. Mein Lyrisch-Ich badet in einer Quelle der Phantasie und dort kann es alles sein, Mann, Frau, Gegenstand, Tier, einfach alles und jedes Gefühl kann es sich vorstellen, sich hineinversetzen und jenes so gut es eben geht in Worte umwandeln.

habt Dank für euer Interesse
herzliche Grüße
uschi
werderanerin überall..., zumindest hat man das Gefühl, horcht auf und meint, hinter jedem Baum etwas Schreckliches zu sehen...
Das hat wohl jeder schon mal erlebt, der eine Spaziergang durch den Wald unternommen hat.
Wir sind zur Herbstzeit öfter zum Pilzesammeln in Wäldern und gehen da auch richtig tief hinein. Schon oft hatte ich das Gefühl, man wird "beobachtet"..., aber natürlich war da nix, aber der Puls geht schon auch mal kurzzeitig in die Höhe!
Und schön ist es doch immer wieder !!!
comeback Liebe Uschi!
Bei deinem Beitrag ging es mir fast so wie dir,
ich glaubte, das auch ich das erlebte, mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
Aber es war Gott sei gedankt alles okay, obwohl du sicher das Ganze noch nicht verdaut hast.

Liebe Grüße an dich
Annemarie

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