Geschichte zum Sonntag: Vom (Gomlitzer) Nassauern


Sonntagsgeschichte
Vom (Gomlitzer) Nassauern

Vom Gomlitzer Naussauern
Das „Nassauern“, in Sachsen auch „Durchnassauern“, wurde 1817 aus der Taufe gehoben. In Ermangelung einer eigenen Landesuniversität des Fürstentums Nassau-Hessen hatte dessen Landesvater einen Vertrag mit dem Königreich Hannover geschlossen. Demnach durften Studenten aus Hessen-Nassau in Göttingen bei ihrem Gastwirt kostenlos Mittag essen. Da das Fürstentum rund 300 km entfernt lag, sollte es für den Studenten einen Anreiz bilden. Doch oftmals traten nassauische Stipendiaten ihr Privileg an andere Studenten ab. So konnten diese kostenlos zu Tisch gehen. Dieses Privileg soll bis 1866 bestanden haben. Nunmehr machte der Begriff seine Runde. Überall wo jemand etwas kostenlos ohne Gegenleistung empfing, wurde er oder sie zum „Nassauer“ oder zur „Nassauerin“.
Eine der kuriosen Geschichten spielte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im heutigen Weixdorfer Ortsteil Gomlitz ab. Der damals amtierende Gemeindevorstand Creutz wurde zum „Gomlitzer Nassauer“ und soll in seiner Zeit in aller Munde gewesen sein. Schon bei seiner Wahl zum Gemeindevorstand gab es bis zur Amtshauptmannschaft „viel Gerede“. Nicht nur, dass er seine Wahl im Vorfeld schon in der Gastwirtschaft „zum Grünen Baum“ kräftig mit Bier und Schnaps anschob, sondern auch sein Verhalten nach der Wahl zum Gemeindevorstand war „sehr umstritten“. So hatte er in einem Streitgespräch seinem Gegenüber das Bierglas in einer hitzigen Diskussion „über den Schädel gezogen“, wie der Polizeibericht festhielt.
Die Amtshauptmannschaft focht die Wahl an und veranlasste die gewählten Volksvertreter zur Neuwahl ihres Gemeindevorstands. Es gewann eindeutig erneut Creutz. Nunmehr musste der Gemeindevorstand zum Rapport. Dort wurde ihm unmissverständlich gesagt, er müsse sich in seinem Amt mäßigen. Auf seine Frage, ob er denn die ihm zustehenden Polizeivollmachten dennoch behalte, wurde ihm die Frage bejaht. Dies brachte ihm im Ort und in der Nachbarschaft den Beinamen „Gemeindebüttel“ ein.
Als Creutz wieder einmal die Gastwirtschaft in Gomlitz betrat, rief einer der Gäste sofort forsch „Der Gemeindebüttlich kommt!“. Auf den Rufenden zugehend wollte Creutz von diesem Genugtuung oder „man werde ihn vorladen und bestrafen wegen Beleidigung eines Gemeindeoberhauptes“. Die Diskussion war kurz. Creutz ließ als Alternative ein Glas Kognak zu seinen Gunsten zu. Damit war die Sache der Beleidigung vergessen. Noch mancher versuchte es in nächster Zeit, immer wieder wurde ein Glas Kognak fällig.
Nach etlichen Wochen entwickelte sich die eigenartige Bestrafung zur Groteske. Da sich nun niemand mehr fand, das Gemeindeoberhaupt „Gemeindebüttel“ zu nennen, betrat Creutz das Lokal mit der lauten Frage „Will mich denn niemand mehr Gemeindebüttel nennen?“ Auf die Gegenfrage „Warum denn?“, antwortete der Gefragte: „Nun, dann kann ich mir mal wieder einen Kognak leisten!“
Es rief wohl niemand mehr in den Raum, dafür eher „Achtung, der GB kommt!“ Creutz dazu „Nun haben wir ja mal wieder einen Übeltäter!“ Der Angesprochene darauf: „GB heißt Gemeindebeamter und ist kein Schimpfwort“. Creutz ging nicht mehr so oft in Gomlitz ins Wirtshaus. Lausa mit seinem Gasthof lag nicht weit entfernt. Hier rief man manchmal „Der Gemeindebüttel“ oder „der Gomlitzer Nassauer!“. Direkt bestrafen konnte er hier jedoch nicht, denn seine Polizeivollmacht galt nur für Gomlitz und einen Gerichtsstreit wollte er vermutlich ob des ungewissen Ausgangs nicht.
Da Creutz nun öfters in andere Gastwirtschaften der Umgebung ging verlor sich nach und nach der Ruf des „Gemeindebüttels“.

haweger

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Kommentare (1)

finchen wieder eine alte Geschichte aus der Märchentruhe, so wie sie mir gefällt.
Einen schönen Sonntag noch und grabe noch mehr dieser alten Dokumente aus...................
Es grüßt dich hocherfreut
das Moni-Finchen

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