… Ein Mensch, und sei er noch so stark,
ist keineswegs in sich autark.
Er muss, will er nicht Hungers sterben,
von anderen sich das erwerben,
was in verschiedener Gestalt
ihm dient als Lebensunterhalt.
Und da er das Schlaraffenland
trotz langen Suchens noch nicht fand,
wo delikat gebrat´ne Tauben
sich in den Mund zu schwirrn erlauben,
muss er Geflügel, Reis und Kuchen
in anderen Bereichen suchen.
… Deswegen gibt es jetzt für jeden
Spezialgeschäfte oder – läden,
worin er alles finden kann,
was Menschenphantasie ersann,
und wenn er über Geld verfügt,
bestimmt auch das Gesuchte kriegt.
… Ein Warenhaus trifft die Geschmäcker
besonders ausgeprägt und lecker.
Es bietet Waren tausendfach,
dazu noch unter einem Dach,
vom Joghurt bis zur Streichholzschachtel,
vom Thermometer bis zum Spachtel,
angeblich billig. Außerdem,
was ihn noch stärker lockt, bequem.
Er braucht nicht weit umherzuschweifen,
es reicht, die Dinge zu ergreifen,
die griffbereit an beiden Seiten
des Käuferstroms vorüber gleiten.
… Der Mensch fährt also los und parkt
am Riesensuperbilligmarkt,
packt sich ein Wägelchen aus Draht
und schreitet unverzagt zur Tat,
entschlossen, dass er nur verstaucht,
was er bestimmt und dringend braucht:
für Oma neue Filzpantoffeln,
Salat, Tomatenketschup und Kartoffeln,
Waschpulver, Klopapier 1) und Butter,
Brot, Sauerkraut und Vogelfutter.
… Damit er dies beim Einkauf wüsste,
schrieb er´s zuvor auf eine Liste,
so dass, wenn er sein Ziel erreicht,
er, was er hat, vom Zettel streicht,
entschlossen, wie schon angedeutet,
dass er nur, was er braucht, erbeutet.
… Sofort erblickt er ein Paket,
auf dem steht „Superqualität“,
dazu, damit es jeder weiß,
„herabgesetzter Einführpreis“.
Er legt´s in seinen Wagen nieder,
so billig kriegt er´s niemals wieder.
Dann fällt sein Blick auf eine Ware,
die suchte er schon viele Jahre,
und nahe liegt darum der Schritt:
Er nimmt das lang Ersehnte mit.
Dann etwas, was die Werbung pries
als Sensation. – Er packt auch dies,
nicht um es ständig einzuführen,
nein, lediglich, um zu probieren,
damit bei späterem Verzicht
er ganz genau weiß, warum nicht.
Am Ende noch ein Sonderposten
von Kleinigkeiten, die nichts kosten, -
beinahe! Prüfte er´s genauer,
dann wär er, wenn er´s täte, schlauer.
… Der Mensch, von Überfluss gefüttert,
hat seinen Zettel längst zerknittert.
Entdeckfreude treibt ihn weiter,
der Rausch dient ihm als Wegbereiter.
Kein Anflug von Gewissensqualen,
er kann und wird mit Scheck bezahlen,
denn dadurch werden die Verluste
hinabgeschraubt ins Unbewusste.
… Im Karren stapelt sich der Kram,
den er heut fast umsonst bekam..
Er muss das Zeug zusammenbiegen,
um immer mehr hineinzukriegen,
denn weiter steigert sich die Quote
der Billigsonderangebote.
… Ein kurzer Schreck durchzuckt ihn schon
am Ende seiner Exkursion.
Er hat nicht wenig ausgegeben.
Nun ja, umsonst ist nichts im Leben.
Dagegen hat er bei der Fahrt
bestimmt drei Kronen zehn gespart,
gemessen an Detailbeträgen,
die anderswo viel höher lägen.
… Erschöpft, doch jeder Zoll ein Sieger,
erfahrener, wenn auch nicht klüger
verlässt er stolz und ohne Klage
den Schauplatz seiner Niederlage.
Gern zahlt er jeden Obolus,
der homo oeconomicus.

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Kommentare (6)

floravonbistram das ist ja eine Ballade zum Kaufen, wie ich sie noch nie fand.
Treffend und zum Nachdenken anregend.
LG Flo
sarahkatja
Da, nach Quittungsendbelegen,
er dem Kaufrausch war erlegen,
ging ihm nun die Erkenntnis auf,
es war nichts, mit dem Billigkauf.

Der Supermarkt dankte es gewogen.
Sein Konto wäre leider überzogen,
das teilte mit, kühl, frei und frank,
sein Dispo – Auszug von der Bank.

Das soll nie wieder mir geschehen,
in Zukunft werde ich unbesehen,
Verführerisches links liegenlassen,
und nach dem Nötigsten nur fassen.

Beim nächsten Einkauf er überschäumt,
man hatte die Regale umgeräumt,
es lockten neue, frische Produkte,
was zur Mitnahme wieder juckte.

Da hilft nur noch eiserne Disziplin,
schau zu diesen Sachen nicht mehr hin,
die Andere reicher und dich ärmer machen,
sonst wäre es zum Weinen oder Lachen.

Sarahkatja
HeCaro Dein Gedicht gefällt mir. Beim lesen dachte ich dauernd:
"Sooo isses" und der Reim "sitzt". Gut gemacht.
Viele Grüße, Carola
Argapantus ...Hast Du beobachtet oder sprichst Du aus eigenem Erleben.Ich fühle mich auf der ganzen Linie ertappt.Da denkt man,man wäre ein Unikat,- und schon sieht man,alle denken auch so.....Du hast den Leuten auf den Wagen geguckt,- vielleicht sogar in den Kopf.

Argapantus
Traute So sind wir Opfer der Ökonomie, weil unsere Mitmenschen vom Verkauf und Vertrieb unsere Schwächen kennen und uns zur eigenen Bereicherung schamlos ausnehmen. Selbst das was keinen sinn und Nutzen hat dreht man uns an. Nicht etwa zur Überfütterung, sondern lediglich um an unser Geld zu gelangen.
Das ist der Ganze Hintersinn im Werbespruch.
Würden wir uns völlig sperren, gingen sie zu Grunde und wir in die Steinzeit zu rück, wo jeder alles selber macht.
So ist es auf der Welt, der eine macht die Arbeit der andre kriegt das Geld.
Es war ein ganz besonderes Vergnügen die Reime und der Inhalt.
Mit freundlichen Grüßen,
Traute
ehemaliges Mitglied
Konsum um des Konsumierens willen. Manches Geschäft hat „Dauergeburtstag“, die anderen preisen Sonderangebote an, die es in 2 Monaten wieder und eventuell noch günstiger geben wird usw. und so fort. Großmärkte, Kauf mit EC-Karte – da wird so manche Wirklichkeit verdrängt. Einmal sich klar gemacht, dass es immer wieder auch das vermeintlich verpasste „Schnäppchen“ irgendwo geben wird, spart nicht nur Geld, sondern auch verschwendete Emotion.

Hervorragend den Spiegel dem Konsumenten vorgehalten, amüsant und zutiefst realistisch. Danke!

Herzlichst, Regina

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