Großvaters Werkstatt

Mein heutiges Recherche-Ziel ist das Weitental am Stadtrand meiner Heimatstadt. Da, wo früher meine Schiwiese war, steht jetzt ein Jugendgästehaus. Unwillkürlich erfasst mich Wehmut, aber meine innere Stimme besänftigt mich, lässt meinen Protest verstummen. Ich wandle auf Kindheitsspuren. Jeder Schritt lässt ahnen, was mich zu dem Menschen machte, der ich heute bin – ein neugieriges, wissbegieriges und bis in die Tiefen der Seele forschendes Kind der Natur.

Das Weitental führt in den städtischen Forst zur "Kalten Quelle“ und weiter hinauf zum Hochanger. Aber soweit will ich heute nicht, dafür sind die Tage im Advent zu kurz. Mein Augenmerk gilt den steil aufragenden Hängen, dem Nadelwald und den alten, fast verloren wirkenden Holzhäusern am Hang. Ich ziehe meine Kapuze tiefer in die Stirn und wandere ins Tal hinein. Vor mir taucht das städtische Forsthaus auf, hier hat seinerzeit mein Freund Karl gewohnt. Im Nebengebäude befand sich die Drechslerei seines Großvaters. Ich muss schmunzeln, denn mir fällt der Meister Eder mit dem Pumuckl ein – genau so sah die Werkstatt des alten Herrn damals auch aus. Ach, was haben wir Buben seine handwerkliche Geschicklichkeit bewundert. Für uns war er ein Künstler, der unsere Seele verzauberte.

Und da ist es wieder! Ich höre das Summen und Surren der Drehbank, sehe die Werkstatt vor mir, in der es so wunderbar nach Holz und Leim roch. Ich spüre die Wärme, die der Sägespäne-Ofen verbreitete. Mir steigt der beißende Geruch von erhitzten Leimperlen in die Nase. Auf einem verstaubten Regal stapeln sich große und kleine Holzteller, auf der Hobelbank liegen gedrechselte Tischfüße. Das Glanzstück ist aber die verglaste Vitrine, in ihr sind meine Lieblinge aufgereiht: Kasperl- und Puppenköpfe nebst Schachfiguren von höchster Präzision. Ich sehe den alten Herrn an der Drehbank, mit beiden Händen führt er die Schruppröhre, um damit dem fest eingespannten, sich um die eigene Achse drehenden Holzstück, die gewünschte Form zu geben. Typisch für den Großvater ist seine rote Pudelmütze, immer vollgespickt mit geringelten Holzspänen.
Der Meister war streng mit uns, besonders dann, wenn er in seine Arbeit vertieft war. Verhielten wir uns ruhig, bis er sein Werkstück fertig hatte, bekamen wir als Belohnung einen Schluck Tee aus der Thermoskanne. Ich habe den Werkstattgeruch nie vergessen. Am intensivsten roch der Slibowitz in Großvaters Tee. Dieses Aroma lag wie eine Wolke über der Werkbank.

Ich trete näher an das Haus heran, das heute kein Försterhaus mehr ist, sondern ein Museum für das Holzhandwerk. Eine gute Sache, aber es fehlt das Leben, das Gesurre der Maschinen und natürlich das Aroma vom Großvater-Tee. Ich glaube trotzdem, dass mir diese Exkursion in vergangene Zeiten geholfen hat. Roman ist es keiner geworden, aber für eine kleine Adventgeschichte müsste es reichen, denke ich.
Auf leisen Sohlen verlasse ich das längst Verwehte und begebe mich Schritt für Schritt, zurück ins Heute.


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Kommentare (9)

werderanerin

Eine schöne Erzählung und mit dem Bild...,  könnte ich anfangen zu träumen...ich hatte leider keinen Großvater mit Werkstatt...aber all das erinnert mich an meinen Papa..., wir hatten auf einem Grundstück ein altes, kleines Gebäude, was er letztlich zu einer funktionierenden Werkstatt umwandelte. So etwas benötigt ja ein gestandener Man immer...😉

Dort war so ziemlich alles zu sehen, was wohl ein Bastlerherz begehrte. Wir Mädels waren gerne dort..., war es dort so schön unaufgeräumt, herrlich zum stöbern und wir fanden immer irgendetwas. Wir bastelten, bohrten, hämmerten...

Nur eines "durften" wir dann doch nicht..., seine Werkstatt als "Schuppen" bezeichnen. Nun ja, manches vergisst man eben nie !

Kristine

Michiko

Hallo Eisenwein,

hätte ich heute nicht in die blogs geschaut, dann hätte ich Deinen Blick in die Vergangenheit versäumt, und das wäre sehr schade gewesen. So richtig eine herzerwärmende Geschichte zum Advent, und eine wunderbare Erinnerung für Dich.

Ich habe auch Erinnerungen an meinen Grossvater, das hängt mit seinem Garten, seinen Kaninchen und im Herbst mit dem Geruch verbrannten Laubes zusammen.

Es grüßt Dich unbekannterweise

Michiko

Eisenwein

@Michiko  

Wie schön, dass du doch einen Blick riskiert hast.😉 Du hast recht, Gerüche und auch Stimmen behält man ewig im Kopf. Und in dieser stillen Zeit erinnert man sich gerne. 

Sei gegrüßt
Ferdinand

ehemaliges Mitglied

Eine wunderschöne Geschichte, ich habe mit Dir die Zeitreise mitgemacht und sah und roch die Vergangenheit. Kommt vermutlich daher, da ich auch so veranlagt bin, oft rieche ich an bestimmten Orten meiner Kindheit noch den Wald, Kräuter und Blumen, spüre die Sonne auf der Haut, höre das summen und brummen von Insekten und fühle wieder die damalige Stimmung in mir.

Vielen Dank
Es grüßt  Dich Rosenbusch

Eisenwein

@Rosenbusch1946  

Danke, liebe(r) Rosenbusch, für deine Antwort auf meine Geschichte. Wir sind halt alle Kinder der Natur, gelt?

Dir noch eine schöne Adventzeit
Ferdinand

Syrdal


Hallo Eisenwein, das ist eine sehr schön und liebevoll erzählte Geschichte, die den Großvater und seine urige Werkstatt wunderschön beschreibt. – Ich kenne eine solche Werkstatt von meinem Urgroßvater mit dem typischen Geruch von Holz und Leim und auch die geringelten Späne, die Brotteller, Schalen und Dosen aus Kirsche und Zeder gedrechselt und dann fein geschliffen und geölt, dass die natürliche Maserung und die Farbe der Hölzer zur Geltung kommen konnte. Ach, welch eine schöne Erinnerung an frühe Kindheitstage...

Habe es sehr gerne gelesen und fand mich sogleich in der Drechslerwerkstatt voller Späne und Düfte..

Es grüßt
Syrdal

Eisenwein

@Syrdal  

Danke für dein feines Feedback, lieber Sydal!
Und ja, die Einkehr ins innere Wohnzimmer der Kindheit hat etwas Beruhigendes in Zeiten wie diesen.

ehemaliges Mitglied

Hallo Eisenwein,
ist das Foto aktuell, gibts schon Schnee?
fragt Jutta

Eisenwein

@Juttchen  
Hallo, ja gibt es, aber nicht in der Stadt, man muss schon etwas höher hinauf. Salzburg liegt auf ca.500 Meter, da ist nix. Leider.
Liebe Grüße Ferdinand (Eisenwein)


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