Guuute Butter


Guuute“ Butter 
 
Wenn man älter wird und sich nicht mehr so viel ereignet, lebt man mehr und mehr von seinen Erinnerungen. Als ich heute ein halbes Pfund Butter aus dem Kühlschrank nahm, fiel mir meine Oma wieder ein. Sie sagte niemals nur „ Butter „ stets sprach sie von „ guuuter Butter“.
Wenn meine Oma „guuute“ Butter sagte, wusste jeder, dass es etwas ganz Besonderes war. In der Kriegs– und Nachkriegszeit konnte man Butter nicht ganz nach Belieben stückweise im Laden kaufen. Alle Fette waren rationiert und man brauchte Lebensmittelmarken, um beim Kaufmann kleine Mengen davon zu erwerben.
Omas „guuute“ Butter beruhte auf ihrer Freundschaft zu einer Bäuerin und ihren fleißigen Händen. Zunächst wurde ich mit der Milchkanne zum Bauernhof geschickt, um Rohmilch zu holen. Manchmal war die Milch noch ganz warm und roch nach Kuhstall, wenn die Bäuerin sie mit einer Kelle in meine Blechkanne füllte. Zu Hause wurde die Milch in eine große Schüssel geschüttet und sodann der Rahm abgeschöpft. Geduldig fuhr Oma immer wieder mit dem Löffel über die Milchoberfläche, um die oberste Schicht zu entnehmen. Damit beim Schlagen keine Sahne entstand, musste das Milchfett gut temperiert sein. Deshalb ließen wir die Schüssel mit dem Rahm für ein oder zwei Stunden offen auf dem Küchentisch stehen. Dann nahm Oma einen Handmixer und begann den Rahm zu quirlen. Dazu musste sie unermüdlich das Rad am Handmixer drehen. Nach einiger Zeit entstanden die ersten Fettflocken, die in der Buttermilch schwammen. Langsam verdichteten sich die Flocken zu einem Butterkloss, die „guuute“ Butter war fertig.
Zu Geburtstagen oder sonstigen Festtagen bescherte Oma uns eine Buttercremetorte.
Zunächst wurde ein hoher Biskuitboden im Feuerofen gebacken und gleichzeitig aus entrahmter Milch ein Schokopudding gekocht. Damals gab es auch schon Puddingpulver von Dr. Oetker. Es war immer ein spannender Augenblick, wenn Oma den Klemmhebel am Kuchenring öffnete. Hielt der Kuchenboden seine Form oder zerbröselte er an den Rändern? Meistens war der Biskuitboden gelungen. Nach dem Abkühlen zerteilte Oma ihn mit einem Zwirnfaden in drei Teile. Sie legte den Faden um das halbe Kuchenrund und zog dann solange an den beiden Enden, bis sich eine Schicht ablöste. Der frische Kuchen roch immer ganz wundervoll, denn er war mit einem Fläschchen Rum-Aroma angerührt worden.
 
Dann musste die Buttercreme hergestellt werden. Oma rührte die Butter schaumig und ich durfte nach und nach immer ein kleines kleines Löffelchen Schockopudding hinzufügen. Dabei erklärte mir Oma, dass Butter und Pudding immer dieselbe Temperatur haben müssen und auch nicht zu viel Pudding auf einmal hineingegeben werden darf, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Creme gerinnt. Zuvor hatte Oma schon einen starken Mocca gekocht und tröpfelte nun davon hin und wieder etwas in die Masse. Das duftete köstlich nach Kaffee. Durch die Butter färbte sich die Creme langsam hellbraun. Ich durfte immer mal wieder einen Finger in die Creme stecken und kosten. Das schmeckte viel besser als ein Stück trockene Kriegsschokolade. Es lag ganz weich und geschmeidig im Mund mit einem Hauch von Kaffeegeschmack.

Die fertige Creme wurde auf den drei Kuchenteilen glatt verstrichen, auf den untersten Boden kam zuerst eine ganz dünne Schicht Erdbeermarmelade – so süß wie im Orient. Oma verzichtete darauf, die Torte mit einem Spritzbeutel wie ein Konditor zu verzieren. Es wäre zu viel Creme im Spritzbeutel hängen geblieben. Stattdessen formte sie mit der Gabel ein Karomuster auf der Oberfläche.

Heute sind Biskuitböden, Butter und Kaffee nichts Besonderes im Einkaufswagen. Damals waren es Kostbarkeiten. Deshalb wurde die Torte ganz feierlich angeschnitten und jeder, der ein Stück davon auf seinem Teller hatte, fühlte sich reich beschenkt mit „guuuter Butter. “
 


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Kommentare (4)

indeed

Hallo Donna,

das sind Erinnerungen, die auch ich teile und selber erlebt habe. Heute ist das alles so sehr selbstverständlich und unsere Nachkommen wissen vielleicht darum, aber ich denke, eine reale Vorstellung haben sie halt nicht. 

Uns jedoch ist - rückwärts gesehen - der Wert der Nahrung und seiner Güte vermittelt worden und haben gelernt, es zu schätzen.

Gern habe ich gelesen. Wieso war ich noch nicht früher hier? :-))

Liebe Grüße von
indeed

Syrdal


Eine hübsche Erinnerungsgeschichte, die aber doch schon von einem „gewissen Wohlstand“ zeugt, denn in der wirklich „schlechten Zeit“ nach dem Krieg war Butter ein einziger Wunschtraum, ebenso der so fein duftende Bohnenkaffee. Wir hatten immer den „Kathreiner Blümchenkaffee“. Und richtige „gute Butter“ gab es nur ganz selten bei den Großeltern auf dem Land, wenn mal selbst „gebuttert“ wurde mit Zentrifuge und Butterfass und mit der dabei entstehenden herrlich-gehaltvollen Buttermilch.
Später dann kam auch mal die „Butterfrau“ zu uns an die Haustür und verkaufte ganz frische Butter portionsweise aus kleinen Holzformen mit eingeschnitztem Edelweißmuster. - Einfach wunderbar!

Fasziniert war ich dann auch vom „Bindfadentrick“, um den Tortenboden in Scheiben zu teilen. Das klappte immer bestens.

Deine schöne Schilderung hat mir manche Erinnerung aus eigenem Kindheitserleben zurück gebracht. Ein freundliches Danke sagt mit Grüßen zum ersten Abend des neuen Jahres
Syrdal





 

Rosi65

Liebe Donna,

diese huldvolle Bezeichnung der „Guuuten Butter“ kenne ich auch noch von meiner Mutter, denn wenn etwas ganz besonders gut werden musste, ignorierte sie die Margarine total, und nahm stattdessen ganz viel Butter. Zu den damalige Kindergeburtstagen gab es immer die sehr beliebte Buttercremetorte, deren Herstellung allerdings mit viel Aufwand verbunden war. Nur das fertige Butterstück wurde im Lebensmittelgeschäft gekauft.

Herzliche Grüße
    Rosi65

nnamttor44

Liebe Donna!

Meine mütterliche Oma buk auch gern zu besonderen Gelegenheiten Buttercremetorte. Doch für mich war diese einfach zu fett, schon die erste Kuchengabel voll ließ in mir Übelkeit aufsteigen.

Aber Biskuitboden kaufe ich seit meiner Schulzeit nicht, stelle ihn für eine Biskuitrolle lieber selber her, so dass diese Kuchenart irgendwann - mit unterschiedlichen Füllungen je nach Jahreszeit - zur Uschi-Rolle mutierte. Heute machen das meine ertaubten Hände nicht mehr mit. Dafür hat meine Tochter dieses Rezept übernommen.

An die ersten Nachkriegsjahre mit den Lebensmittel-Gutscheinen erinnere ich mich nicht. Aber ich weiß, dass meine väterliche Oma immer mal wieder zu ihrem Bruder auf seinen Bauernhof am Stadtrand Münsters fuhr, wo sie für die Menschen der Nachbarschaft Näharbeiten machte und dafür mit Obst, Gemüse, Fleisch oder auch Fettgaben nach Hause kam.

Auch purer Muckefuck oder Tee bekamen mir nicht. Stattdessen durfte ich jeden Abend mit Oma eine Tasse Kaffee-Mix mit echtem "Guatemala"-Kaffee und Muckefuck zum Abendbrot trinken.

Danke für Deine schöne Erinnerung sagt

Uschi


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