Haarige Angelegenheiten


Haarige Angelegenheiten


Über Corona will ich nicht sprechen. Ich möchte auch nicht mehr die einhundertste Sondersendung sehen. Ich möchte es nur überleben. Allerdings denke ich sehr oft an Familien in kleinen Wohnungen im homeoffice und homeschooling. Im Gegensatz zu ihnen muss ich es nur mit mir selbst aushalten in einer geräumigen Wohnung mit Südterasse und kleinem Garten, lebe also im Gefängnis Europa in einer Präsidentensuite.

Pandemie. Alles plötzlich auf Stillstand und doch gab es eine Veränderung. Und das ging so.
Seit Jahren hatte ich, wie viele Frauen, da praktisch und pflegeleicht, eine Kurzhaarfrisur bei der es nur eine Verpflichtung gab, nämlich in relativ kurzen Zeitabständen einen Schnitt zu bekommen, möglichst von einem begnadeten Vertreter seines Handwerks. Das hat auch immer ganz gut geklappt.

Dann kam der Lockdown und schon bald sah alles nicht mehr sehr gut aus. Keine Frisur mehr, nur noch Haare. Zu einer Eigenbehandlung – sprich Selbstverstümmelung – konnte ich mich nicht durchringen. Na gut, ich gehe nicht ins Restaurant, nicht ins Kino oder Theater und auch nicht in oder auf ein Konzert, also was soll´s.

Dann begann die Zeit der Experimente mit Haarreifen- klammern-spangen und was es dergleichen Hilfsmittel mehr gibt. Ich habe sie alle ausprobiert, bis endlich, endlich die Länge reichte und ich die ganze Pracht mit einem Haargummi im Nacken zusammenfinden konnte nach dem Motto: „Mutige Frau trägt Schwänzchen in Grau.“ Die folgenden Wochen verliefen haartechnisch einigermaßen entspannt. Und dann endlich die Erlösung: ein Termin im Salon meines Vertrauens. Meine Friseurin steht eine Weile stumm da, dann murmelt sie etwas wie „Vogelnest“ aber „das Tier hatte Gleichgewichtsstörungen“.

Und dann nach einiger Zeit: „Wollen wir es nicht mal dranlassen. Man kann was draus machen.“ Auf meinen bangen, fragenden Blick erklärt sie: „Einen Bob. Ein Bob ist nie unmodern und immer wandelbar. Mit Pony, ohne Pony, Scheitel rechts oder links, vorn etwas länger -ich sehe da Möglichkeiten.“ „Okay“, denke ich, „abschneiden geht später immer“, während sie sich munter ans Werk macht. Mit dem Ergebnis bin ich ganz zufrieden, zumal die Pflege nicht viel aufwendiger ist und ich wahrlich genug Zeit habe.

Einige Wochen später kam dann auch die Endfassung und der zweite Lockdown. Den habe ich ganz entspannt ausgesessen, denn ein gut geschnittener Bob verträgt auch ein paar Zentimeter Länge mehr. Nun dürfen die Friseure wieder arbeiten, aber ich lasse den Kurzhaarköpfen den Vortritt und stelle mich etwas weiter hintenan. Die Verwandlung war spannend und jetzt kann ich warten, bis man Zeit für mich hat
Es gibt übrigens etwas sehr Verblüffenden aus der Zeitung zu berichten. Da stand doch tatsächlich folgende Überschrift: „Stromkabel umgefallen und abgehauen.“ Dabei hatte ich mich gerade an die komplizierte Ausdrucksweise gewöhnt. Daher hier mein Vorschlag: „Schadensereignis am Stromkasten herbeigeführt und anschließend Fluchtereignis durchgeführt.“ Hört sich doch gleich viel wichtiger an, oder? Und es kommt gar nicht „Corona“ drin vor.

Mehr: https://seniorenkonfekt.wordpress.com/ 😃


Anzeige

Kommentare (2)

nnamttor44

Schon vor Corona wurde ich meinen "Bob" los. Mein plötzlicher Glatzkopf erschreckte die Kinder: Eine Oma mit Glatze??

Heute, ein halbes Jahr später, sprießen die Haare wieder, aber "bunt". Nachdem ich Jahrzehnte die stellenweise Graufärbung mit Blond übertünchen ließ, zeigt mein Schädel nun viel weißes Haar und zwischendurch überall dunkle nachwachsende Haarpartien. Ist schon spannend, was sich da so tut.

Doch meine Friseuse brauche ich vorerst nicht vor die spannende Frage zu stellen, was sie von meiner jetztigen "Frisur" machen könnte.

Viel Vergnügen  noch bei weiterem Frisuren ausprobieren wünscht

Uschi

Syrdal


Ach hätt ich doch solch eine Mähne,
wie dieses schöne braune Pferd,
hab leider nur ‘ne dünne Strähne,
das nur mit Müh‘ ein Schwänzchen wird,
doch trag ich es gern mit großem Stolz,
es wippt auch unterm Hut hervor,
also denk ich mir „Ja nun, was soll‘s,
läufst halt herum wie‘n alter Tor“.


...dazu bekennt sich mit vergnüglichem Lächeln
Syrdal


Anzeige