Häckerle für elf


Wie oft wurde diese kleine Geschichte bereits erzählt in den letzten 50 Jahren, nun bekommt Ihr sie auch zu lesen.

Weihnachten 1945
Der Krieg und die damit verbundenen Schrecken hatte die Hausgemeinschaft enger zusammenrücken lassen, am Heiligen Abend wollte keiner so recht alleine in seiner Wohnung sein, so wurde beschlossen, in unserem großen Wohnzimmer zusammenzusitzen um den Christbaum, zu essen, Lieder zu singen und Geschichten zu erzählen. Der große Kachelofen bullerte vor sich hin, Holz war keine Mangelware, auf dem Küchentisch stapelte sich, was jeder für eine Mahlzeit mitgebracht hatte und daraus sollte nun ein gemeinsames Essen bereitet werden. Kartoffeln, Steckrüben, 3 Eier, eingelegte Gurken, 2 rote Beete, 2 Gläser Pflaumenkompott,
3 Äpfel, 4 Zwiebeln und 1 Salzhering - wo den die Frau H. aufgetrieben hat, habe ich nie erfahren.
Was bot sich an? Na klar Häckerle mit Pellkartoffeln und Pflaumenkompott.

Die Tischgemeinschaft bestand aus den beiden ältlichen Fräulein A., Schneiderinnen, Vater Schmitz, gebürtiger Kohlenpottkumpel mit Tochter und 14jährigem Enkel, die wohnten über uns, dann Herrn K. und Frau H. seine treue Haushälterin, die mit dem Salzhering, neben uns auf dem gleichen Flur, dann meiner Mutter, meiner Schwester und mir, und aus dem Erdgeschoß Hildegard, die Freundin meiner Mutter.
Pellkartoffeln, Rüben, Eier hart gekocht, mit Zwiebeln durch den Fleischwolf gedreht, Äpfel und den Hering kleingeschnitten, gewürzt mit Salz und Pfeffer, diese Masse dann draußen für eine Zeit in einer Terrine in den Schnee gestellt und mit den übrigen Pellkartoffeln hübsch angerichtet später auf den Tisch. Dort stand aber noch etwas, nämlich eine Schüssel mit Schmalz von meiner Mutter gezaubert aus Gries, Salz, einem Apfel, einer Speckschwarte und gerösteten Zwiebeln.

Ich erinnere mich an eine fröhliche Gesellschaft an diesem 24.12.1945, Vater Schmitz hatte irgendwoher eine Pulle mit Blaubeerschnaps, wir Kinder bekamen Lindenblütentee und einen Fingerhut davon hineingeschüttet (meine Mutter sah mal gerade weg ) - wir aßen buchstäblich bis die Schwarte krachte, es reichte für alle, Kerzenstummelchen an dem Christbaum und wir sangen die schönen alten Weihnachtslieder. Herr K. las die Weihnachtsgeschichte vor, und wir hörten still zu, er war unser direkter Nachbar, ein alter Mann von ca. 70 Jahren. Später spielte er auf seiner Mundharmonika und der Vater Schmitz hatte seine alte Quetschkommode mitgebracht. Uns Kindern fielen die Augen zu, wir wurden zu Bett gebracht und die Erwachsenen saßen noch lange in der Wärme des Kachelofens zusammen.


Im Mai des darauffolgenden Jahres bekamen wir dann den Bescheid, sich am Bahnhof zu versammeln, um in Viehwaggons in den Westen abgeschoben, also vertrieben zu werden.

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Kommentare (7)

olivenzweig Liebe Medea,

Deine Geschichte hat auch bei mir Erinnerungen wach gerufen. Allerdings erlebten wir es aus anderer Sicht.
Da unser Haus am See sehr gross war, nahmen meine Eltern Frauen und Kinder auf, die aus dem Osten gefluechtet waren. Wir Kinder bekamen Matratzenlager unter dem Dach, was uns sehr gefiel.
Der Garten wurde umgegraben, Kartoffel und Gemuese gepflanzt und im See wurde eifrig geangelt.
Die grosse Kueche war der Treffpunkt. Es wurden viele Geschichten ausgetauscht und der Mittagstisch war reichlich. Oft gab es Gerichte, die wir nicht kannten.
Erinnere mich an die Abende, als wir Kinder schon unterm Dach waren und lautes Geschrei und Gelaechter zu uns herauf schallte.

Die Erwachsenen spielten "Maeusle". Ein Wuerfelspiel mit einem Becher.Jeder bekam einen Korken, der mit einer Schnur versehen war...

Wie Nasti schrieb, war es eine gute Zeit, trotz der traurigen Umstaende. Man rueckte zusammen, teilte was zu teilen war, lebte friedlich in einer Gemeinschaft.

Bodensee(olivenzweig)


olivenzweig
selena Liebe Medea, diesen Zusammenhalt,
wie in Notzeiten, werden wir wohl nicht mehr finden,
dafür ist jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Mein 3. Großvater kam aus Schlesien, daher weiß ich, wie gut es schmeckt,
das köstliche Häckerla.
Großvater hats nur mit Bückling, Gurke, Zwiebel, Salz, Pfeffer, Essig und öl gemacht,
es wurde auf Brot gegessen, ich habs auch schon oft gemacht,
aber so gut wie beim Großvater ists nie geworden.
Danke, daß Du uns einen kleinen Einblick in Deine Kindheit gegeben hast.
selena
Rutger schreckliche Zeiten, Medea, aber ich glaube doch, es muss tatsächlich gut geschmeckt haben. Da lernt ein Mensch dem Wenigen geniessen was er hat.

Roger
samti welch lang vergessenes Gericht. Ja, ich kenne es auch, aber doch anders. Habe hier ein schlesisches Kochbuch . Hering,Apfel, durchwachsener Speck, Zwiebel, Butter, Senf. Aber zu der damaligen Zeit wurde verwendet was es eben gab. Gut hat mir der Zusammenhalt gefallen. Wenn ich so zurück denke, fehlte einfach der Neid, da nichts zu beneiden war. So bleiben diese guten Erinnerungen , obwohl wir uns alle diese Zeiten nicht mehr wünschen. Häckerle behalte ich mal im Sinn. Danke für diese Erinnerung. LG Helga
nasti Ich frage ganz ernsthaft : Welche Zeiten waren oder sind die bessere Zeiten? Die heutige übersättigte mit Zivilisations Entfremdung und Krankheiten , oder die in Not, wo die Menschen so nahe und eng gerückt gelebt haben.......

Nasti
pelagia die Menschen erlebt haben vor, während und in dne ersten Nachkriegsjahren.Ich bekomme Gänsehaut beim Lesen und auch Wehmut verbindet sich mit den Gedanken an vergangene Zeiten, die so hoffentlich nicht wiederkommen und doch noch überall auf der Erde zum Alltag gehören, leider.
Danke für Dein Erzählen.
henryk ....wie schreckliche Zeit das war.......wer das kennt.....wir bestimmt... Das war unser Schlesien......Aber jetzt unser Schlesien in EU ist......lieber Gott, danke dafuer....Henryk

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