Hausmusik
Ich habe es als Kind so sehr genossen, wenn – immer dienstags – der Organist unserer Pfarrkirche, Herr Brockhoff, zu uns kam und gemeinsam mit unserem Vater „Hausmusik“ machte, der Organist spielte Klavier und unser Vater begleitete ihn meisterlich auf seiner Violine. Es war für mich so ein anheimelndes Gefühl, das ich später nie wieder erleben durfte.

Das Gegenteil von dieser klassischen Variante der Hausmusik erlebten wir immer wieder donnerstags. Durch seinen stehenden Beruf hatte unser Vater es sich zur Gewohnheit gemacht, dass jeden Donnerstag um 19 Uhr sein Masseur zu uns nach Hause kam. Dieser Mann war ebenfalls sehr musikalisch, allerdings bevorzugte er Tanzmusik, spielte auf Festivitäten auch als Alleinunterhalter auf.

Oft kam Herr Weißkirchen bereits um 18:30 Uhr, setzte sich an unser Klavier und spielte auf. Wir Kinder fanden das faszinierend, saßen schweigend am nahen Esszimmertisch und genossen sein perfektes Spiel, denn er brauchte keine Noten, wusste genau, wie er zu den Melodien die Akkorde setzen musste, während unser Vater nach Geschäftsschluss noch unter die Dusche ging, bevor ihm sein Masseur dann die Musik auf Rücken und Beine „klatschte“.

Leider geriet ich als junge Frau zwar an einen exzellenten Tänzer, der aber in seiner Familie „Hausmusik“ in einer Form erlebt hatte, die ihm dieses Tun verdarb. Seine (damals wusste das wohl noch keiner) kranke Mutter glaubte, sie könne wundervoll singen, Ukulele spielen und die „Freunde“, die zu vielen spontanen Partys zusammen kamen, sangen kräftig mit.

Erlebt habe ich das zum Glück nie. Doch es reichte meinem Mann, dass er nicht nur später, als wir verheiratet waren, jede Hausmusik privat verwehrte. Er verwehrte mir auch, klassische Musik, die ich schon als Kind lieben gelernt hatte, zu hören. Sofort maulte er, verlangte, dass ich einen anderen Sender im Radio einstellte.

Ja – auch auf dem Klavier zu spielen wollte er nicht von mir hören. In seiner Gegenwart durfte ich nur in der Adventszeit Weihnachtslieder und Variationen davon spielen. Sobald ich mich auch immer mal wieder an klassischen Stückchen wagte, verließ er die Wohnung – nicht, weil ich sie etwa fehlerhaft spielte.


Unserer Tochter konnte ich zwar die Musik ein wenig nahe bringen, doch zu Hause Klavier spielen zu lernen ließ der Papa nicht zu. Dafür hatte sie offensichtlich ein fast unfehlbares Gehör. Im Internat während ihrer Berufsausbildung traf sie auf Lehrer, die sehr gut Gitarre spielten und noch ein Keyboard wünschten. Sie erhielt dann ein eigenes Keyboard, bekam es zum Geburtstag. Aber spielen lernte sie es im Internat, genauso das Gitarrenspiel. Irgendwann war sie die Keyboarderin in der Band der Gitarrenspieler und sang auch dazu. Die kleine Band trat mehrere Jahre sogar auf.

Und jetzt freue ich mich darauf, im kommenden Jahr wieder in eine größere Wohnung zu ziehen, wo ich mein Klavier wieder stellen kann – und werde dort endlich versuchen, die früher gespielten Klavierstücke wieder flüssig spielen zu können. Es ist schon so lange her … Ein guter Vorsatz, den ich hoffentlich verwirklichen kann.
 

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Kommentare (2)

Syrdal



Ein wunderbar klingendes Jahr mit Mozart, Chopin, Schubert, Beethoven, Liszt und, und, und…

wünscht dir
Syrdal
 

nnamttor44

@Syrdal  
Fast schäme ich mich, diesen meinen Beitrag hier gestern eingestellt zu haben, lieber Syrdal. Las gerade Deinen Beitrag von der Oma, der alten Nazisau ...

Dieser WDR-Beitrag war mir noch nicht vor die Ohren und Augen gekommen. Ausgerechnet der WDR, ein ÖR-Sender!!

Ein großes, dickes Danke für Deinen Aufschrei (und ein kleines für Deinen Zuspruch hier für mein kommendes Jahr.

der 14-jährige Karl bei seinem Violinstudium 037-sw.jpg
Wenn ich daran denke, dass mein Vater als 14-Jähriger sich vor fast 100 Jahren das Spielen der Geige wie auch auf dem Klavier autodidaktisch beibrachte, um gefühlsmäßig ein wenig aus der schweren Nachkriegszeit des 1. Weltkrieges zu kommen, nur um ein paar Jahre später zwangsweise die Nazizeit zu erdulden, es bis zur Konzertreife brachte,

und Zuschauer beim Soldaten-Konzert 1941.jpg
diese seine so geliebte Musik mit in den Krieg zu nehmen, um sich und anderen Ablenkung vorn den schlimmsten Geschehnissen zu ermöglichen, nach dem Krieg versuchte, auch uns, seinen Kindern Musik nahezubringen - und heute wird unsere Generation derart verunglimpft, beschimpft - es ist nicht zu fassen!!

Es ist nicht immer schön, mit dem Begriff Hausmusik dann auch solche Gedanken wiederzufinden ...

Ich wünsche Dir einen schönen letzten Sonntag 2019 und ein Gelingen "Deines neuen Jahres" 2020.
Uschi

 


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