Liebe Meerjungfrau,

diese Einstellung teile ich seit mindestens 40 Jahren. Natürlich gab es zuvor eine Zeit der Gemeinsamkeit, in der mein Mann und ich einander kennenlernten. Aber sein und mein Hobby drifteten auseinander. Anfangs gingen wir gemeinsam tanzen.

Als das wegen der Kinder nicht mehr möglich war, verlegte ich mich aufs Malen und Schreiben, Ihm, dem Optiker und Feinmechaniker war die Herstellung von Babybrillen in so kleinen Größen, die genau auf die Köpfchen, die Gesichter von Babys und Kleinstkinder angepasst waren, eine Zeit lang sehr wichtig. Dabei konnte ich ihm nicht helfen und er hatte nicht so viel Verständnis für meine Hobbys. Aber unser Keller bot sowohl ihm seine "Werkstatt" als auch mir meine Mal- und Bastelbude, groß genug, um auch mit Gleichgesinnten Stoffdrucke herzustellen. Da waren wir zumindest etagenmäßig auf gleicher Ebene. Lang, lang ist's her.

Irgendwann war es ihm nicht mehr recht, das, was ich als Hobby gern machte, einfach so wie immer zu akzeptieren.  Ich zog mich ins Esszimmer zurück, verlegte mich aufs Schreiben an meinen Schreibtisch und sicherte das Programm, damit ich beim nächsten Arbeiten am PC damit fortfahren konnte, er aber auch meine Gedanken nicht überprüfen oder löschen konnte, denn er verlegte sich zunehmend darauf, bis nachts drei Uhr in seinem Keller zu bleiben und dabei seine steigende Menge Pils zu konsumieren, um danach seiner Kontrollsucht nachzukommen. Irgendwann begann ich, Tagebuch auf meinem PC zu schreiben. Seine Art am PC zu arbeiten betraf lediglich die Adresseingabe von Kunden sowie die notwendigen Daten im vorgegebenen Programm einzutragen.

Ich strich meine angebotenen Bastelkurse, begann selbst so lange aufzubleiben, bis er zu Bett gegangen war, seinen Rausch ausschlafen - erst dann suchte auch ich mein Bett auf. So konnte ich sicher sein, dass er meine Niederschriften (meine aufgezeichneten Gedanken) nicht las, denn mit dem PC konnte er nicht wirklich umgehen. Es hat so manchen Ehestreit verhindert. Aber es war mir auch wichtig, für gewisse Pflichten nicht noch weitere zwei oder drei Stunden zur Verfügung zu stehen, denn die ließ sein Alkoholkonsum kaum noch zu ...

Sportschau war nix für meinen unsportlichen Mann, außer Boxen. Ihm gefiel es, wenn einer der Boxer ausgeknockt wurde. In der Zeit nahm ich mir die Freiheit, im Kinderzimmer meiner flügge gewordenen Tochter das Programm zu gucken, das mir besser als Boxen gefiel. Aber es kam auch vor, dass er auf dem Sofa dabei einschlief und seine Ohren gaukelten ihm Regenschauer vor, die akustisch durch mein Tippen am PC für ihn entstanden, aber gar nicht existierten.

Dieses Verhalten war die Eingangsphase für mein Alleinsein. Es fiel mir nicht schwer, ihm war es sogar lästig, wenn ich gelegentlich mit einem Telefonhörer zu ihm in seinen Hobbykeller kam, weil ein Anrufer mit ihm sprechen wollte. Es dauerte nicht lange, bis er sich auch einen Apparat in seinen Keller verlegen ließ, so dass ich nur den Anruf herunterstellen musste.

Ich war es schon als Kind gewohnt, mich allein zu beschäftigen, was dazu führte, dass ich viel las oder bei gutem Wetter draußen längere Radtouren machte. Unserer sterbenskranken Mutter durften wir zuhause keinen Kinderlärm zumuten, keine Freunde mit nach Hause bringen. Wenn es sich dann herausstellte, dass meine Schulfreundin auch keine Zeit hatte, da sie und ihre große Schwester die Hausarbeit ihrer Mutter erledigen mussten, weil auch diese ziemlich krank war, "durfte" ich zusehen, wo ich blieb ...

Das führte dazu, dass ich bereits mit 12 Jahren lange Fahrradtouren in Begleitung des zwei Jahre älteren Sohnes unseres Hauswirts machte. Natürlich in aller Unschuld. Aber mein Vater erfuhr davon von einer seiner Kundinnen und es setzte was für mich! In den Ferien wurde ich deshalb mehrere Jahre ins Sauerland geschickt, damit ich nicht zuhause auf dumme Gedanken käme.

Doch das war, als wolle man den Teufel mit Belzebub austreiben. Natürlich hatte der Bruder meines Vaters mit seiner Familie eine befreundete Famile - mit zwei Söhnen - der Jüngere passend für mich, fünf Jahre älter als ich. Und wir Zwei verliebten uns ...   Fünf Jahre schrieben wir uns sehr regelmäßig. Sein Brief lag immer versteckt im Brief meiner Kusine, so dass es nicht bei uns zuhause auffiel. Bis eines Tages, ich war 17, mein Onkel mit seiner Frau uns besuchte, um bei meinem Vater für den Sohn seines Freundes den Hochzeitsbitter zu machen! Natürlich lehnte mein Vater das ab, ab der Zeit durfte ich nicht mehr ins Sauerland! Ich musste entdecken, dass die Absicht bestand, dass ich den Sohn meiner Stefmutter ehelichen sollte, damit der Salon in familiärer Hand blieb! Ich hab den Eltern was gehustet, weigerte mich, Friseuse zu werden und machte eine Bürolehre, während mein angeheirateter Bruder im Taunus seine Friseurlehre absolvierte.

Mir hat dieses Erleben beschert, dass es Eltern nicht wirklich zusteht, die oder den Partner:in fürs Leben seiner Kinder zu bestimmen. Es mag ja sein, dass das vor über 100 Jahren möglich und üblich war. Aber dazu war ich zu "bockig"! Mein Adoptivbruder hat seine Liebe gefunden. Auch wenn meine Wahl nicht ganz so glücklich war - ich bin mit meinem Leben (seit über 11 Jahren von meinem Ehemann getrennt und seit einem Jahr Witwe) ganz zufrieden!


Anzeige

Kommentare (2)

Meerjungfrau43

Liebe Nnamtor (?),
da hast Du ja wirklich viele Schweres erlebt !
Und so wie ich, die Freiheit nach meiner ersten Ehe, (20 Jahre), genossen !
Dafür habe ich dann bei meiner 2.Ehe selbst gesagt, dass ich sie beenden wollte, denn es waren zu viele Egoismen bei meinem Partner aufgetreten !
Und so bin ich seit 10 Jahren auch wieder allein...
Natürlich habe ich nicht alles vorher so schlimm gefunden (insofern war mein Text etwas Satire), aber man sollte sich doch, ehe man jammert, über die Konsequenzen des Lebens in einer Partnerschaft im Klaren sein !!
Herzlichen Gruß Marianne
 

nnamttor44

@Meerjungfrau43  
Hallo Marianne!
Es ist wohl eine Sache, die Eigenheiten eines/r Partners/rin zu akzeptieren und eine andere, sie zu ertragen, wenn sie denn dazu dient, den/die Andere/n klein zu machen!

Mir hat es irgendwann  vor elf Jahren gereicht, bin ins Alleinsein zu meiner Tochter geflohen und seitdem geht es mir gut!! Ich hatte mich nicht bei ihr beklagt, aber sie durchaus wissen lassen, dass der Eindruck, den sie von uns Eltern hatte, nicht sooo falsch war. Ich bekam zu hören, dass sie es als "endlich sehr gut" fand, dass ich mich getrennt hatte!

Mag sein, dass sich viele Menschen mit dem Alleinsein nicht anfreunden können, ihnen fehlt einfach "das Gegenüber", an dem sie sich "reiben" können. Ich bin froh, nicht mehr für die oft schlechten Launen (m)eines Partners zur Verfügung stehen zu müssen - sie enthielten oft "nur" Bosheiten, die er anderswo nicht loszulassen wagte.

Einen neuen Partner habe ich mir nie gesucht, denn ich fürchtete ähnliches (in meinen Augen männliches) Verhalten, wollte nie wieder unangespitzt in den Boden getreten werden.

Es gab anfangs ein paar Versuche seinerseits, mich am Telefon zu beschimpfen, mir Vorwürfe bezüglich des Geldumgangs zu machen. Aber da er mich nur per Telefon über meine Tochter hätte erreichen können, ließ sie ihren Vater recht bald wissen, wer in unserer Ehe mit Geld gut hatte umgehen können. Er rief nie wieder an ...

Vor einigen Wochen erfuhr ich von seinem Tod. Unseren Sohn, der bis zuletzt für seinen Vater da war, hat mein Mann nicht in solcher Weise klein gemacht. Der Sohn war ihm diesbezüglich verbal und körperliich überlegen. Charakterlich eher meine Art.

Ich habe schon vor zwei Jahren das mit meinem Erbe gebaute Haus verkauft, das Geld auf unsere Kinder und mich verteilt, ihm aber ermöglicht, bis zu seinem Ende im gemeinsam erbauten Haus leben konnte. Alles gut geregelt, so dass auch unsere Kinder mit mir zufrieden sind.


Anzeige