In den Rocky Mountains


Zu einer Begegnung mit Grizzlybären kam es dann doch noch. Unser Gastgeber gab uns den Tipp an einen bestimmten Wasserlauf zu fahren, an dem die Bären auf die Lachse warteten, die während ihrer Laichwanderung bergauf schwammen. Er sah unsere Skepsis und beruhigte uns, indem er sagte, dass die Bären nur an Fisch interessiert seien und von den anwesenden Menschen keine Notiz nähmen. Wir waren zwar noch nicht restlos überzeugt, konnten aber der Versuchung nicht widerstehen, die Grizzlybären so nah zu sehen.

Als wir an dem besagten Flüsschen angekommen waren, sahen wir dort viele Autos. Wir waren also nicht die Einzigen, was uns etwas beruhigte. Die Touristen standen auf einem etwa ein Meter hohen Holzsteg und die Entfernung zu den Bären betrug auch nur ein bis zwei Meter. Wir betraten den Steg und mussten aufpassen, dass wir nicht in Kleckse, die aussahen wie verschüttete Blaubeermarmelade, traten. Ich war etwas vorsichtiger und beobachtete die ganze Angelegenheit so, dass ich notfalls schnell zum Auto gelangen konnte, während meine Frau weiter nach vorne ging, um besonders gute Fotos zu schießen.

Was wir sahen, war ein ungleicher Kampf zwischen Bären und Lachsen. Die Fische mussten in ganz flachem klaren Wasser bergauf schwimmen und die Bären brauchten nur zuzugreifen, dann war ein Lachs gefangen und kurz darauf verspeist.
Alles war so harmlos, wie es unser Vermieter geschildert hatte, bis sich plötzlich ein Bär vom Fischfang abwandte und unvermittelt auf die neugierigen Menschen zukam. Ein Aufschrei ging durch die Zuschauer und sie versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, denn der Bär schickte sich an auf den Steg zu klettern, was ihm auch ohne sichtliche Mühe gelang. Dadurch schnitt er den Rückweg für die Hälfte der Zuschauer ab, zu denen auch meine Frau gehörte.
Auf dem Steg hatte der Bär dann nichts Besseres zu tun, als sich zu erleichtern und noch einen Klecks Blaubeermarmelade hinzuzufügen. Nach erledigtem Geschäft sprang er wieder herunter und fischte weiter. Die Bären schienen den Steg als Toilette zu benutzen.

Meine Frau kam ziemlich verstört zu mir und sagte, dass sie gedacht hätte, dass der Steg für die Bären unerreichbar sei und dass sie sich deswegen so weit vorgewagt hätte.

Von da an machten wir keine gefährlichen Experimente mehr.

Aus dem Buch "Reisehusten" von Wilfried Hildebrandt


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