Inder, Iren und mein Chor



Bei unserem letzten Konzert hatten wir einen hervorragenden Organisten dabei, der mich sehr beeindruckte: Einmal, weil er einen portugiesischen Namen hatte und trotzdem akzentfrei deutsch sprach, dazu aber außerdem noch Inder war. So ein richtiger kleiner alerter Typ, der Bach und Prätorius auf der Orgel mit einer Leichtigkeit spielte, um die man ihn beim Singen nur beneiden konnte.

Nach der Generalprobe wieder zu Hause, habe ich mich zur Ablenkung im Internet durch die Presse geklickert und stolperte prompt in mehreren Zeitungen über einen Artikel, der beschrieb, dass einer Studie des indischen Rates für medizinische Forschung zufolge die dort erhältlichen Präservative für die indischen Männer viel zu groß seien, was nachfolgend mehr oder weniger detailliert durch Messungen belegt wurde. Ich musste gleich an unseren Inder denken und überlegte, ob ich nicht meine Chorschwestern über diesen Tatbestand und die damit verbundenen Gefahren und möglichen Folgen informieren sollte. Eines Tages muss ich mir evtl. Vorwürfe machen, falls da jemand mit so einem kleinen alerten Knaben dasteht, der, wenn er dann später Organistik studiert, kaum über den Rand der Tasten gucken kann. Na, macht nichts, dieser Glenn Gould spielte ja auch auf Augenhöhe, und das gar nicht mal so übel, obwohl er dabei noch einen dicken Mantel und Handschuhe trug.

Also, dieser Artikel des Indischen Amtes für Familienplanung mit den zu großen Dingern ließ mich nicht schlafen. Wie viele Menschen muss ich mir erst ein Beispiel machen, um etwas zu verstehen oder richtig würdigen zu können. Man muss sich das nämlich so vorstellen: Meine Mutter zum Beispiel strickte immer sehr viel. Allerdings bevorzugt weiträumige Pullover, die im Laufe der Zeit immer größer wurden. Mein Lieblingspullover, olivegrün im Raglan-Schnitt, war schließlich so groß, dass man beim Radfahren aufpassen musste, dass die Ärmel nicht in die Speichen kamen. Jeder zog daran herum, und so manche Mitschülerin wollte ihn mal als Kleid anprobie-ren. Wenn man sie dann noch überreden konnte, dass gut und gerne zwei Leute hineinpassten, dann schlüpfte man vorsichtig von unten mit hinein. Danach aber saß der Pullover ziemlich stramm, doch man konnte noch die Hände vor dem Bauch relativ frei bewegen, während ihre Arme hingegen in den langen Ärmeln feststeckten, was allseits große Heiterkeit hervorrief, bei meiner Mitbewohnerin des Pullovers etwas weniger.

Das mit dem großen Pullover erinnert mich auch jedes Mal an die Iren, die bevorzugen immer diese riesigen Stiefel der Firma McIntosh, die sie beim Landhandel Greenfinger, einem Ableger von Raiffeisen, erwerben konnten. Die Iren waren ja überwiegend Schafzüchter, und die Schafe mussten von hinten gemolken werden. Praktischerweise steckte man die Hinterbeine der Schafe mit in die Stiefel, so konnte sie nicht flüchten. Beim Melken musste man den Kopf oberhalb des Euters gegen das Schaf pressen, damit es nicht so herumhampelte, und damit nichts von oben in die Milch fiel. Böse Zungen behaupten, davon hätten die Iren die roten Haare und auch die Sommersprossen. Ob das stimmt, mag dahingestellt sein. Wenigstens ist doch überraschend, wie viel Gemeinsamkeiten die Inder und die Iren haben. Wahrscheinlich auch, weil beide indogermanischer Abstammung sind.
- Aber ich schweife ab! -

Als nun am nächsten Tag vor voll besetztem Haus das Konzert stattfand und ich unseren Inder an der Orgel sah, musste ich immer an den Zeitungsartikel denken. Aber Gott sei Dank - alles ging gut! Unser Inder war auch der einzige, der beim Konzert keine Fehler machte und auch nicht, wie wir, pro Stück trotz der Orgel einen halben Ton absackte.

Castellanos

Anzeige

Kommentare (2)

Traute bei Dir kann man Komik studieren, einfach umwerfend, aneinander gereiht wie die Perlen, fallen die Pointen.
War mir ein ausdauerndes Vergnügen das zu lesen. Hoffe auf kleine Nachkömmlinge?
Mit freundlichen Grüßen,
Traute
floravonbistram wenn sich erst einmal so ein Gedanke festgesetzt hat, taucht er aber auch ständig wieder auf. Nur gut, dass Du Deine Chorschwestern noch nicht vorab informiert hast...dann wäre kein Tonabsacker die Folge gewesen, sondern Ihr hättet vor stets neuem Prusten nicht singen können...denke ich mal so, immer noch mit Grinsen und den tollsten Vorstellungen im Kopf
LG Flo

Anzeige