Ist das ein gottverfluchter Wein!


Hier ein kleiner Nachschlag zum Montag, dem 3. November, denn eine zweite Geschichte von mir hat im ST die magischen Hundert erreicht:

„Ist das ein gottverfluchter Wein!“
Radeberger Streit um Gott und die Welt
Ein szenisches Spiel des Dresdener Kabaretts „Die Albatrosse“ war im Jahre 1911 Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung sowohl im Kirchenvorstand als auch im Stadtrat und sogar vor dem Schöffengericht.
Den Ausgang nahm das Ganze mit folgender Geschichte:
In einem Bühnenstück, aufgeführt im „Roß“, saß Gottvater und beklagte sich, dass die Leute auf Erden, wenn sie sauren Wein trinken, immer ausrufen würden: „Ist das ein gottverfluchter Wein!“ Immer dieses Nennen meines Namens wenn es um schlechte Dinge geht, sei ihm ärgerlich.
„Dagegen wisse er schon Rat“, beschied ihm Petrus. „Lasse doch guten Wein wachsen!“ „Da hast Du recht, das werde ich tun“, beschied nun seinerseits Gottvater. „Lasse es uns beginnen, dass die Leute doch mal eine Gelegenheit haben, meinen Namen mit durchweg einer guten Sache in Verbindung zu bringen.“ Hierauf ließ er ein sehr gutes Weinjahr los. Im Spätherbst schickte er Petrus auf die Erde hinab, um nun zu erfahren, wie die Menschen denken und wie sie sein Werk lobten.
Petrus blieb lange unten und als er wiederkam war er sehr missmutig.
„Nun Petrus, was sagen die Leute zum neuen Wein?“, wollte er voll Wissbegier wissen. „Herr!“, antwortete Petrus, „Du hast kein Glück. Du kannst machen was Du willst, sie werden Dir doch nicht die Ehre geben.“
„Was treiben sie denn?“
„Ja“, sprach Petrus, „da zechen sie, schnalzen mit den Zungen und trinken Schluck um Schluck und dann sagen sie voller Euphorie –Teufel, ist der Wein gut!“
Die Probe hatte schon zu Änderungen geführt. Statt „Ist das ein gottverfluchter Wein!“ sollte abmildernd gesagt werden „Herrgott, der Wein ist schlecht!“ Seitens der Regie wies man auf das Autorenrecht hin. Doch es gab seitens der „Preßpolizei“, dies war die Einrichtung der Zensur, den Hinweis, dass man das Stück auch nicht zur Aufführung freigeben müsse. Man lenkte seitens der Kabarettmitwirkenden ein. Und brachte gleich noch eine Persiflage auf Radeberg neu in das Programm. Das zog, denn es hatte sich herumgesprochen „Es geschieht Unerhörtes!“
Die Anwesenden waren in ihrer eindeutigen Mehrheit für das Programm. Es gab viele Lachsalven und viel Beifall auf offener Szene.
Im Stadtrat stellte die nationalbürgerliche Fraktion den Antrag „Programme mit Gotteslästerung“ nicht zuzulassen. Bürgermeister Bauer, wahrscheinlich nicht erbaut über beide Seiten, wollte Zeit gewinnen und entschied, man werde sich erst im Kultusministerium erkundigen, wie in einem solchen Fall zu entscheiden sei. Da war der Radeberger Kirchenvorstand schneller. Superintendent Kaiser wurde beauftragt, gegen das Stück Klage einzureichen. Radebergs Schöffengericht entschied in dieser für die durchweg christlich gesinnten Richter schwierigen Lage auf „nicht zuständig!“ Gerichte in Dresden nahmen die Klage ebenfalls nicht an. Ein Grund lag wohl darin, dass es seitens der Lehrerschaft in Sachsen zu massiven Angriffen auf den Religionsunterricht kam. Man forderte deutlich weniger Stunden und bessere Inhalte. So blieb das Kabarettstück ob seiner vermeintlichen Gotteslästerung im Wirrwarr der Zeit stecken.

haweger

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Kommentare (1)

Karl Ich habe das mit Spass gelesen. So ändern sich die Zeiten, was würde die damalige "Preßpolizei" wohl zum heutigen Kabarett sagen

Karl

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