Japanreise 2009 Teil IV
(unser erster Tag in Kyoto)


Zu Teil I | Teil II | Teil III | Teil IV | Teil V | Teil VI | Teil VII | Teil VIII | Teil IX



27. Mai 2009

Gut ausgeschlafen machten wir uns auf den Weg in eines der Frühstücksrestaurants. Hier gab es aneinander gereiht alles, was zu einem japanischen wie zu einem westlichen Frühstück gehört. Wieder einmal bedauerte ich, dass mein Magen einfach seine Grenzen hat, aber probiert habe ich, immer in kleinen Portionen von den japanischen Gerichten vielerlei: Miso-Suppe, Fisch, verschiedene Gemüsesorten und Salatsorten, ein paar Nudeln, eingelegte saure Pflaumen und eingelegtes Gemüse.  Am Obstbüffet freute ich mich über die ersten Kirschen. Misosuppe gibt es überall und sie schmeckt sehr lecker, ist aber zum Frühstück für unseren Geschmack ungewöhnlich. Sie besteht aus Fischsud mit Sojabohnenpaste sowie kleinen Tofu-Stücken, grünen Meeresalgen, Zwiebeln und manchmal auch Pilzen. Am Nachbartisch sah ich, dass Japaner diese mit Stäbchen aßen und den Rest der Suppe austranken.

Karl bevorzugte das ebenso reichhaltige europäisch-amerikanische Frühstück.

Mit unserem Japan-Reiseführer im Rucksack machten wir uns anschließend bei bedecktem Himmel auf den Weg, um das alte Kyoto zu erkunden. Das nebenstehende Bild gibt ein nettes Detail aus einem Privatgarten wieder.

Überall auf dem Gehweg fanden wir parallel zur Straße einen gelben Streifen in der Pflasterung, der sich durch seine geriffelte Oberfläche von der Umgebung abhob. An den Ampeln oder an Bushaltestellen gab es statt der Rillen Punkte.  Wenn jedes Mal bei der Erneuerung eines Straßen- oder Gehwegbelags diese Leitlinien gleich mit eingebaut werden, ist dies wahrscheinlich nicht besonders teuer, ermöglicht aber sehbehinderten Menschen sicheres Vorwärtskommen. Selbstverständlich gaben auch alle Fußgängerampeln bei grün individuelle Lautzeichen, die wie das Zwitschern unterschiedlicher Singvögel klangen und den Blinden die Position signalisieren.

Kyoto, das von 794 bis 1603 die Hauptstadt Japans war, wurde im Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zu fast allen anderen Großstädten in Japan aus Respekt vor seinen Tempeln, Schreinen, Palästen und Gärten nicht zerstört.  So gibt es in der 1,5 Millionen Stadt heute allein noch rund 1600 buddhistische Tempel, 400 Shinto-Schreine und wunderschöne Gärten mit uralten Bäumen zu besichtigen, ganz zu schweigen von den anderen Kunstwerken. Eine Auswahl der wichtigsten Sehenswürdigkeiten würde eine ganze DIN A4 Seite füllen (http://de.wikipedia.org/wiki/Kyoto).


Auch der eifrigste Tourist hätte dieses Kulturpensum in der Zeit, die uns für Kyoto zur Verfügung stand, nicht annähernd bewältigen können. Und wir interessierten uns nicht nur für das alte Kyoto, sondern für uns war ja auch das gegenwärtige moderne japanische Leben neu und spannend.

Auf dem Weg zum wegen seiner Geishas berühmten Gion Stadtbezirk trafen wir auf den kleinen Taimatsuden Inari Schrein im Garten eines Hauses (s. Abb.2 und 3). Die Geschichte dieses Schreines beginnt im Jahr 948, er wurde wie alle Holzgebäude in der Zwischenzeit immer wieder restauriert. Der Unterschied zwischen Tempel und Schrein war mir zuerst nicht klar, lässt sich aber mit dem Foto dieses Schreins gut erklären. Ein Schrein (jin-ja) dient der Verehrung einer einheimischen Gottheit. In ihm wird ein heiliger Gegenstand, (shintai) oft ein Schwert oder Spiegel, manchmal auch eine Statue, aufbewahrt, der als Wohnsitz des Gottes verstanden werden kann.

Kennzeichen eines Schreins ist das torii, das Shinto-Tor, das sich vor jedem Schrein befindet und immer aus zwei Pfosten, die mit zwei Querbalken verbunden sind, besteht. Ein weiteres Zeichen dafür, dass man sich an einem geweihten Platz befindet, sind Laternen oder Wächterhunde. Ein geflochtenes Shimenawa-Seil, oft mit gefalteten Papierstreifen geschmückt, symbolisiert die Anwesenheit des Gottes oder signalisiert den heiligen Bereich. Im Inneren Bereich des Schreins befindet sich eine Art Altar, der mit Blumen geschmückt ist und rechts und links der Stufen von zwei Füchsen bewacht wird, von denen der eine das Maul geöffnet hat. Dieser steht für den Anfang, der andere mit dem geschlossenen Maul symbolisiert das Ende, vergleichbar mit unserem Alpha und Omega Symbol. Wenn ein Bittsteller den Schrein aufsucht, reinigt er sich zuerst am Brunnen mit einer Schöpfkelle die Hände und den Mund, bevor er vor den Schrein tritt. Als nächstes richtet er seine Kleider und läutet mit einem dicken Seil die Glocke, um den Gott auf sich aufmerksam zu machen. Zwei kurze Verbeugungen und zweimaliges Händeklatschen bereiten die tiefe Verneigung, bei der man sich auf seine Bitte an die Gottheit konzentriert, vor. Ein weiteres Klatschen und eine erneute Verbeugung beenden die Zeremonie. Ganz gegen diese Regeln verhielt sich eine rote Katze, die zwar mit einem Miau auf sich aufmerksam machte, dann aber flugs auf den Altar sprang und sich hinter einem Blumenstrauß gemütlich schlafen legte. Nicht nur hier waren den Tempelfüchsen rote Schürzen umgebunden.

Beim Verlassen des Tempelbezirks entdeckten wir neben dem Brunnen einen kleinen Schrein, in dessen Sockel ein linksdrehendes Hakenkreuz eingelassen war. Es handelt sich dabei um das uralte Swasticka-Symbol, das in Japan in buddhistischen Tempeln zu sehen ist. Es wird als Weitergabe der Buddha-Natur gedeutet. Dieses Symbol begegnete uns dementsprechend in Schreinen und Tempeln sehr häufig.

Hinter einem Gitter standen mehrere kleine Steine, die mit Lätzchen geschmückt waren, die uns noch öfters begegnen sollten und deren Bedeutung uns zu diesem Zeitpunkt Rätsel aufgab.

Als nächstes überquerten wir den Fluss Kama gawa, dessen breites Bachbett darauf schließen ließ, dass er zeitweise wesentlich mehr Wasser führt. Wir wanderten weiter, gelangten zu noch sehr viel prächtigeren Schreinen, die in Parkanlagen eingebettet waren und in denen man verschiedene Opfergaben und Orakel kaufen konnte. Nachdem wir ein weiteres rotes Tempeltor durchschritten hatten, standen wir plötzlich vor einem Schild mit der deutschen Aufschrift „Kindergarten“.

Gegen Mittag versorgten wir uns bei einem Gemüsehändler mit Äpfeln, an einem der zahlreichen Getränkeautomaten, die überall zu finden waren, mit Limo und Tee und marschierten bergauf, um dem Trubel der Stadt zu entkommen und im Wald Mittagspause zu machen. Vorbei an hübschen Häusern folgten wir der Straße in der Hoffnung einen schönen Waldweg zu finden. Nach längerer Zeit erst entdeckten wir einen Pfad, der uns durch Bambus-Mischwald weiter führte. Sobald wir irgendwo Halt machten, lockten wir jedoch Stechmücken an, die wie ihre deutschen Artgenossen Karl nicht, mich dafür aber umso öfter stachen. Also kehrten wir in die Stadt zurück und gönnten uns Kaffee und Kuchen. Wieder auf der Straße bewunderten wir die Auslagen in den zahlreichen Geschäften und ich rätselte dabei über das Geräusch einer Ampel, die sehr hektisch und fordernd piepste. Aber da gab es doch überhaupt keine Ampel!? Ich suchte den Ursprung des nervigen Geräusches und entdeckte über mir unter dem Dach eines Hauses ein Schwalbennest, in dem die Jungen gerade gefüttert wurden.

Ein Geschäft mit japanischen Fächern lockte uns mit seinen Auslagen. Je weiter wir ins Ladeninnere vordrangen, desto mehr verzauberten mich deren Muster und umso wertvoller und teurer wurden die Exponate. Leider konnte ich keine Fotos machen, da das Blitzlicht den Kunstwerken geschadet hätte, aber die Webseite des Ladens gibt einen Eindruck von der Vielfalt und der künstlerischen Anmut der Fächer.

Wunderschön waren die Kalligraphien, die in einem anderen Laden angeboten wurden, und nur ein wenig weiter waren auch in der Auslage eines Konditors wahre Kunstwerke zu sehen. Von den Läden mit Geschirr und Teetassen konnte ich mich kaum trennen (s. Foto mit Keramik).

Das Wetter war sommerlich und die Luftfeuchtigkeit sehr hoch, so dass wir eine Pause im Hotel einlegten, bevor wir uns frisch geduscht und gekleidet wieder auf Entdeckungstour begaben. Dieses Mal hatten wir uns das Bahnhofsgebäude, in dem wir wohnten, vorgenommen. Schon bei der Ankunft waren wir von der Architektur beeindruckt, aber mehr noch vom Leuchtturm gegenüber und der Einfahrt und dem Aufgang zum Hotel. Die Gesamtanlage hatten wir nur am Rand wahrgenommen.

Ein größerer Kontrast zum alten Kyoto lässt sich kaum denken – dort alte niedrige Häuser in traditioneller Holzbauweise, hier ein futuristisches, knapp einen halben Kilometer langes Gebäude, das nicht nur den Bahnhof, sondern auch das große Granvia-Hotel, ein Theater, eine offene Bühne, viele Restaurants, Läden, ein großes Kaufhaus und natürlich auch die Schalter und Einrichtungen beherbergt, die einen Bahnhof einer Millionenstadt ausmachen. Der Bahnhof wurde von Hiroshi Hara entworfen und 1997 eingeweiht. In Wikipedia wird das Gebäude wie hier verlinkt beschrieben „Die große Halle liegt zwischen zwei großen keilförmigen Bauwerken. Sie stellen Berge dar, die Halle selbst ist wie ein Teich. Der Bereich, der unter Wasser liegt, wurde in schwarz-bläulichem Granit verkleidet, nach oben hin (nach einer scharfen Trennlinie) schließen sich immer hellere Steine an. Die gläserne geodätische Hallendachkonstruktion ahmt das Dach eines Bambuswaldes nach, die schweren Säulen sehen aus wie die Dachkonstruktion von Tempelhallen, welche ihrerseits Pinien-Proportionen nachahmen. Eine kleine Lounge und ein Kiosk erinnern in ihrer Form an Lotos-Früchte, die aus dem Wasser ragen. Die keilförmigen Gebäude sind mit einer großen Freitreppe abgedeckt, die Rolltreppen aus blankem Edelstahl reflektieren das Licht und bilden in der Mittagssonne den Aspekt eines Wasserfalls, der sich von den Hügeln in den Teich ergießt.“

Diese Bedeutung der einzelnen Bauteile erschloss sich uns nicht bei der Besichtigung, wohl aber fielen uns die vielen verschiedenen Marmorarten und –farben auf. Von jedem Blickpunkt aus bot das Bauwerk verschiedene Ein- und Ausblicke, überspannt von einem filigranen Dach, in dem Licht und Schatten spielten. Immer wieder fanden sich neue Elemente, die die Riesenhalle oder die Fassaden auflockerten. Gegenüber dem Zugang zur Halle von unserem Hotel aus führte eine breite Treppe nach hoch oben, die rechts und links von zwei Rolltreppen flankiert war. Unser Foto der Halle ist von einer dieser Rolltreppen aus geschossen und zeigt die große Ausdehnung der Halle im Blick zurück. Bei weiterer Fahrt, auf einem Absatz auf halber Höhe öffnete sich ein Querschiff und bot einen großartigen Ausblick über den Bahnhof und den Südteil der Stadt bis zu den Bergen, welche die Stadt umgaben. Wir strebten noch weiter nach oben und zu unserer Überraschung kamen wir zu einer großen offenen Dachplattform, auf welcher ein Bambusgarten und Bänke Platz zur Erholung boten. Ich habe viele Fotos gemacht, aber leider trafen eine nicht optimale Kamera und eine nicht optimale Fotografin zusammen, so dass meine Bilder die grandiose Konstruktion nur unzureichend wiedergeben.

Nach einer Verschnaufpause stiegen wir vom Dach in das oberste Stockwerk und fanden im Inneren viele verschiedene Restaurants, die alle ihre Menüs im Schaufenster anhand bemalter Plastikmodelle vorstellen, die exakt wie die servierten Speisen aussehen. Inzwischen begannen unsere Mägen zu knurren, weil wir uns nach Abschreiten der Fensterfront so lange nicht für ein Lokal bzw. eine bestimmte Mahlzeit entscheiden konnten. Viele der Gerichte sahen sehr interessant und appetitlich aus, da wir aber Neulinge waren, sagte uns das nichts über den Geschmack aus. Schließlich betraten wir eines der Restaurants und bestellten unser Abendessen.



Hier könnt Ihr sehen, was wir uns ausgesucht hatten. Wir hatten gut gewählt, denn unser Dinner sah nicht nur gut aus, sondern schmeckte auch so. Alle Speisen werden in Japan auf einmal serviert und sind hübsch in verschiedenen Schüsseln dekoriert, damit das Auge mitessen kann.

Auch hier wurden wir freundlich und zuvorkommend bedient und mit arigato gozaimasu (vielen Dank) und Verbeugungen verabschiedet. Durch die Shopping-Mall kehrten wir in unser Hotel zurück und suchten müde unser Zimmer auf.

Zu Teil I | Teil II | Teil III | Teil IV | Teil V | Teil VI | Teil VII | Teil VIII | Teil IX


Anzeige

Kommentare (6)

Ela48 So was aber auch...
Jetzt erst habe ich Deinen wunderbaren Reisebericht über Japan entdeckt.
Er ist großartig und vermittelt einen guten Eindruck von Traditionen und Leben in Japan.
Danke, Ela
paloma für diese lebendigen Reisebeschreibungen, nach dessen Lektüre man
schon mit Spannung die Fortsetzung erwartet.

Liebe Grüße paloma
tilli Liebe Margit ! Freilich habe ich alle deine Reiseberichte gelesen. Ich habe immer gewartet bis der nächste kommt.Heute aber will ich dir schon sagen,wie wunderbar du es alles beschrieben hast. Das tut so gut so etwas zu lesen. Man versetzt sich in nach Japan und weilt für paar Minuten im Land der Menschen,die man so wenig kennt. Du hast ,mich etwas näher gebracht. So wenig weiß man von den Menschen, Sie sind so zurückgezogen und doch so freundlich.Also vielen Dank.Ich freue mich schon auf den 5 Teil.
Solche Reiseberichte ,die könnten öfters sein.
Viele Grüsse Tilli
ehemaliges Mitglied So was, Fehler wurde korrigiert.
omaria ... bin nur irritiert über das Datum im Titel:
27. Juni 2009: Kyoto
Wann ward ihr denn in Japan?
Nichts für ungut und DANKE für die Mühe des Schreibens!
Das bleibt eine schöne Erinnerung!
LG Maria
hl nicht nur für den Reisebericht sondern auch für die Fotos, die ein gutes Auge für Details erkennen lassen.

Herzlichen Gruß
hl

Anzeige