Kinder lassen, wenn sie auf die Welt gekommen sind, das Glück ihrer Eltern über sie hinauswachsen. Ging mir ja nicht anders! Erst hatte es ein paar Jährchen zuvor geheißen, ich bekäme keine Kinder. Dann „entdeckte“ ein anderer Gyn, dass ich vier Jahre später im dritten Monat sei, doch keiner glaubte mir das …

Acht Monate später musste man meinen Kleinen mit Gewalt auf diese Welt zwingen, er hatte es vorgezogen, sein kleines „Eigenheim“ viel zu lange zu bewohnen. Aber wie das so ist – damit war er auch etwas „reifer“ als ein pünktlich geborenes Neunmonats-Baby. Dass er auch noch andere Begabungen mitbekommen hatte, wusste ich als unbedarfte junge Mama nicht.

Ich hielt es für völlig normal, dass mein Bübchen sich mit fünf Monaten in seinem Laufställchen am Gitternetz hochzog und darin dann herumlief. Um ihn nicht so einzuschränken, bekam er daher einen „Gehfrei“, nein, noch nicht diese moderneren, mit denen die Kleinen so schnell umkippen können, sondern einen aus Holz, der auch noch eine kleine Tischfläche vor ihm hatte, auf der er Spielzeug nutzen konnte. Aber der kleine Mann tapperte nur ständig in der Wohnung herum, oft hinter mir her …

Ende August des Jahres – er war neun Monate alt – machten wir eine Woche Urlaub in der „Hütte“ der Familie meines Mannes in Brilon-Wald. Wir mussten natürlich das Kinderbettchen für unseren Sohnemann mitnehmen und stellten es als erstes zwischen die Einzelbetten der Erwachsenen, so dass wir ihn nachts, sollte er „fremdeln“, umgehend beruhigen konnten.

In dieser Woche zog der Kleine sich an allen Möbelstücken in den Stand und machte seine ersten freien Schrittchen! Er begann sehr früh zu laufen.

Anfang Dezember wollten wir ein wenig Schnee in Brilon-Wald genießen. An der Hütte angekommen, schloss mein Mann die Tür auf, unser Einjähriger lief gleich durch zu der Stelle, wo wir ein Vierteljahr zuvor genächtigt hatten und erklärte seinem Vater: „Papa, hier Björns Bett hinstellen!“ Er hatte zuvor zwar schon viele Worte für sich entdeckt, aber das war sein erster Satz, verbunden mit einem offenbar sehr guten Erinnerungsvermögen!

Ich ahnte nicht, dass dieses Kind sowohl ein fotografisches Gedächtnis hat, das ihm bis heute sein legasthenes Leben sehr erleichterte, als auch ein akustisches Erinnerungsvermögen, das ihm stets alles präsentiert, was er je gehört hat – wortwörtlich! Doch Legasthenie war 1967 nicht wirklich in Old Germany bekannt, bzw., wurde bestenfalls als Tabu-Thema – wie heute noch – unter den Tisch gehalten! Ich hätte es natürlich nicht gewusst, welche Besonderheiten ein legasthenes Kind aufweisen kann, das noch gar nicht Schulkind ist.

Heute weiß ich, dass das fehlende Krabbeln ein Hinweis sein kann, ebenso das sehr ausgeprägte freundlich-emotionale Wesen; ist schon im Babyalter feststellbar!

Es wäre müßig, hier alle Besonderheiten, die sowohl mein legasthener Sohn, seine Schwester als auch mein Schwiegersohn bzw., mein Enkel und andere legasthene Kids aufweisen, aufzuführen. Legasthene Menschen sind so unterschiedlich wie alle anderen auch. Aber krank sind sie nicht – oder würde man heutzutage einen „Linkshänder“ noch als krank oder dumm, lernunfähig (weil er nicht mit der rechten Hand schreiben kann?!) hinstellen? Legasthene Menschen müssen sich das immer noch antun lassen, wenn sie – etwas anders – in der Schule lernen … Dabei genügen oft Kleinigkeiten, um aus einem gerade blockierten legasthenen Kind kein ADHS-Kind oder keinen Sonderschüler werden zu lassen …!!

Und wenn ich heutzutage in Fachberichten lese, dass es inzwischen bekannt ist, dass jedes Jahr zwischen 4 und 18 % (Dunkelziffer unbeaknnt!) legasthene Kinder Schulanfänger werden, die immer noch wie vür 120 Jahren als dumm usw hingestellt werden, wird miir schlecht ...!!!!

 


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