Liebenswertes unterwegs

Autor: ehemaliges Mitglied

Liebenswertes unterwegs
Freundliches Nachbarland Polen
 
2007 war ich mit einer lieben Freundin aus Neuseeland unterwegs. In der ersten Woche zeigte ich ihr meine norddeutsche Heimat. In der zweiten Woche ging es an die polnische Ostseeküste bis hin zu den Masuren. Nach einem letzten gemütlichen Frühstück in unserer freundlichen Ferienwohnung in Ahrenshoop starteten wir Richtung Polen. Ab jetzt war auch für mich alles neu. Die Fahrt verlief gut, ich war sehr froh, den kleinen Navigator im Auto zu haben. Wunderbar warm empfing uns unser freundliches Nachbarland. Wir kamen gut und schnell nach Kolobrzeg, brauchten dann aber 2 Stunden, um unser Hotel zu finden, da Bauarbeiten die Einfahrt versperrten. Letztendlich half mir ein junger Mann, der in einem in der Nähe liegenden Hotel an der Rezeption arbeitete und Englisch sprach. Das Hotel liegt wunderschön am Durchgang zur Ostsee, die im Abendrot fantastisch zu erleben ist.
Ich genoss das Einfache und Friedvolle um mich herum und war ein bisschen auf den gedanklichen Wegen von Günther Grass und Siegfried Lenz. Die laute deutsche Reisegruppe, für die ich mich schämte, ignorierte ich. Am nächsten Tag ging es weiter nach Leba, nahe dem Slovinski Park Narodowy. Seinen Namen hat der Nationalpark von der slawisch – kaschubischen Volksgruppe der Slovinzen, die Jahrhunderte lang in diesen Regionen siedelten. Ich fuhr durch herbstlich gefärbte Wälder und lange Alleen, die in der Sonne sehr schön aussahen. Die wunderschöne Landschaft bewegte mich sehr. Weiter ging es Richtung Puck, um ein Quartier für die Nacht zu suchen. Das wurde richtig schwer, aber umso schöner war die Fahrt durch Jahrtausend alte Wälder. Fündig wurden wir schließlich in Reda und beschlossen, hier zwei Nächte zu bleiben. Für den nächsten Tag stand Gdansk auf den Plan, welches wir uns tapfer erliefen. Wir ließen uns treiben, und es trieb uns zum Krantor aus dem 15. Jahrhundert – Symbol florierender Weltmacht. Im Reiseführer kann man lesen, dass es eines der Wahrzeichen von Gdansk ist und als eines der weltweit größten Industriedenkmäler des Mittelalters gilt. Während wir an der Uferpromenade der Wisla entlang schlenderten, entdecken wir ein altes Schiff, das zur Westerplatte fuhr. 90 Minuten waren wir auf dem Schiff, gewannen ein beeindruckendes Bild von der Gdansker Werft und passierten dann den Ort, an dem am 1. September 1939 – 4.45 Uhr ein in den Hafen von Gdansk eingelaufener deutscher Panzerkreuzer auf die von nur 210 polnischen Soldaten besetzte Anlage feuerte. Das war der Beginn des zweiten Weltkrieges. Die Sonne meinte es wieder gut mit uns. Ich genoss sie und lauschte einem polnischen Unterhaltungskünstler, der sehr schön sang.
Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Tag starteten wir zu unserem letzten Ziel dieser Urlaubswoche, den Masuren.
14.40 Uhr, auf der Suche nach einem Hotel bog ich links ab und hörte nur noch den Zusammenstoß mit einem anderen Auto und Betty, die die Arme um mich legte und immer wieder sagte: I’m so sorry.“ Ich vernahm das alles und spürte neben einem stechenden Schmerz, der mir den Atem nahm, nur den Gedanken, was ist mit Betty? Ich lag eingeklemmt, war aber bei Bewusstsein, schaltete den noch immer links blinkenden Blinker aus und spürte dann Betty, nunmehr an meiner rechten Seite. Jemand sagte im gebrochenen Deutsch „Bitte bleiben Sie ruhig, ich habe alles gesehen und die Rettung angerufen“, ich spürte, dass Hilfe unterwegs war. Nie aber werde ich wissen, wer der unbekannte Helfer war, der mir so warmherzig Trost gespendet hat.
Mit einmal waren unendlich viele Menschen da. Unter großen Schmerzen bekamen sie mich aus dem Auto auf die Trage. Unbekannte polnische Menschen kümmerten sich liebevoll um mich, bis wir im Krankenhaus waren. Ich wusste nicht, was mit Betty war und wo wir sind, aber alle beruhigten mich. Dann wurde ich durch einen langen Krankenhausflur sofort zum Röntgen gebracht.
Ich habe meine Erlebnisse von damals ausführlich für mich aufgeschrieben, das aber wäre für einen Blog zu lang. Heute im Rückblick kann ich nur sagen, dass Betty nicht verletzt war, ich mir das Schulterblatt und etliche Rippen gebrochen hatte, der Unfallverursacher noch abends mit seinen Eltern bei uns im Krankenhaus war, wir durch den ACE zwei Tage später zurück nach Deutschland gebracht wurden und ich bis heute voller Dankbarkeit für alle uns zu Teil gewordene Hilfe bin.  „Dziekuje“.
 
Hemara Hemara mein unbekannter maorischer Freund
 
Als ich 2006 zum zweiten Mal bei Betty in Neuseeland war, schenkte sie mir zum Abschied zwei wunderschön gearbeitete Symbole maorischer Kunst aus Keramik. Besonders gefällt mir immer wieder das Symbol des Korus. Es steht für Wachstum, Frieden, Kraft und Leben. Angekommen zu Haus habe ich sie auf mein Fensterbrett gestellt und fotografiert. Betty habe ich ein Bild geschickt, nicht erahnend, dass sie es Hemara Hemara, dem maorischen Künstler, zeigen und große Freude damit auslösen wird. Beide kannten sich vom Markt in Rotorua. Als mich Betty im September 2007 besuchen kam, brachte sie mir ein Geschenk von Hemara mit. Er hatte für mich eine Maske gefertigt, offenbar aus Bettys Erzählungen wissend, wie sehr ich den maorischen Menschen und deren Kunst verbunden bin. Ich war mehr als berührt, ob dieser freundschaftlichen Geste eines mir unbekannten Menschen.
Nach unserem Unfall in Polen blieb ich notgedrungen einige Zeit zu Hause. Froh, dass Betty gesund die Heimreise nach Neuseeland antreten konnte, war mein Alltag nun ausgefüllt mit Arztbesuchen, CT’s und Physiotherapie.
Es war eine Zeit der Selbstbesinnung, aber auch eine Zeit, in der ich sehr viel Zuneigung und Zuwendung erfahren habe und das oft in einer so selbstlosen Art und Weise, dass meine Emotionen Achterbahn fuhren.
Unter den vielen Briefen, die ich erhielt war auch ein Brief aus Neuseeland mit einer mir unbekannten Handschrift, alles große Buchstaben und mit schwerer Hand geschrieben. Er war von Hemara, zwei Seiten lang. Er erzählte mir, dass er 1942 geboren ist, und vom Norden Hokianga Harbour kommt, wo es wunderschön ist, wo man in klaren Nächten Billionen Sterne sehen kann, wo Delphine und Wale sich tummeln und, dass er als vierzehnjähriger Junge mit ihnen geschwommen ist. In dieser Zeit hat er auch da Keramikhandwerk erlernt. Weiter schreibt er über seine Familie, seine Frau Frances, seine Geschwister, Kinder und Enkelkinder und das Betty ihm erzählt hat, was passiert ist und, dass wir sehr glücklich sein können, am Leben zu sein. Der Brief endete wie folgt:
„THIS IS THE SECOND LETTER I HAVE EVER WRITTEN:“  Hemara
Mit Tränen in den Augen antworte ich spontan, bekomme noch einmal Post und lerne Hemara 2008 im Dezember auf dem Mark persönlich kennen, werde in die Arme genommen und habe das Gefühl, ihn schon sehr lange zu kennen.

„Do you like to have a drink with me?” oder Marianne aus Schweden

Ich war noch nie in Schweden, aber ich habe 1999 in Dublin anlässlich eines internationalen Fachkräfteaustausches Marianne kennengelernt.
 
Ich, geboren und aufgewachsen in der DDR, wirklich nur mein Schulenglisch beherrschend, war sehr froh über diese freundliche Aufforderung, trug doch der Wein dazu bei, dass ich an diesem ersten Abend des Kennenlernens ein wenig die Hemmungen, englisch sprechen zu müssen, verlor. Die Teilnehmer unserer Gruppe kamen aus Spanien, Norwegen, Finnland, Niederlanden, Frankreich, Belgien und Großbritanien. Die Gruppensprache war Englisch.
Die folgenden vier Tage unseres Studienbesuches werde ich nie vergessen. Sie waren ausgefüllt mit einer Vielzahl von Informationen über das irische Aus- und Fortbildungssystem, interessanten Einblicken in irische Bildungseinrichtungen, Gesprächen mit Teilnehmern sowie abendlichen Diskussionsrunden in der Gruppe in Temple Bar.
Für mich waren es außerdem vier Tage intensiven Sprachtrainings, während dessen ich die kameradschaftliche Hilfe von Marianne, John und Turid und den anderen gerne in Anspruch nahm. Mit Turid aus Norwegen nutzte ich noch die verbleibende Freizeit, um mir das Trinity College in Dublin anzusehen.
In Erinnerung ist mir auch noch wie Marianne mir zum Abschied ein Lesezeichen aus schwedischen Birkenholz schenkte, wissend, dass ich eine Leseratte bin und zur Erinnerung an unser Kennenlernen.
 
Nunmehr im Ruhestand, 19 Jahre später werde ich Schweden bereisen. Ich bin gespannt auf das Land und seine Menschen und werde berichten.
 

 
 
 

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Kommentare (6)

Christine62laechel

Liebe Friederike,

ich habe Deinen Eitrag mit großem Vergnügen gelesen. Wie gut hat es mir getan! So viel schöne Worte über Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, einfach so viel Positives über alle Grenzen hinaus. Manchmal denke ich mir: Sei ich etwa eine naive Idealistin, wenn ich an so etwas glaube? Du, liebe Friederike, hast mich aufs neue überzeugt, dass sich die Menschen aus verschiedenen Ländern, aus verschiedenen Kulturkreisen, einfach mögen und unterstützen können.

Mit lieben Grüßen
Christine (Krystyna)

ehemaliges Mitglied

Liebe Krystyna,

noch neu in diesem Forum habe ich in keinster Weise mit so einer schönen Reaktion auf meine Gedanken gerechnet, freue mich aber sehr darüber. Ich denke nicht, daß es naiver Idealismus ist, wenn man  die menschlichen Werte hoch hält. Mir jedenfalls ist das sehr wichtig, und ich freue mich, hier auf Gleichgesinnte zu treffen und auf den weiteren Gedankenaustausch mit Dir. Gerade zurückgekehrt von einem erfrischendem Bad in der Ostsee grüße ich herzlich und wünsche einen schönen Abend. Friederike (Astrid)

Syrdal



„Erlebte Reisebilder“, dargelegt in plastischer Wortformung zum raschen Einfühlen in Erlebnisse, wie sie sich an teils bekannten, teils gut vorstellbaren Orten abgespielt haben. Gerne lässt man sich beim Lesen in das Geschehen mitnehmen, empfindet die Freuden, leidet mit und erfährt zugleich auch Interesse an Künftigem. – Ein interessanter und gut zu lesender Text, den ich gerne weiterempfehle...
 
Mit abendlichen Grüßen
Syrdal

ehemaliges Mitglied

Guten Abend lieber Syrdal,

herzlichen Dank für Dein freundliches Feedback. Ich denke, ich habe für mich die richtige Plattform gefunden und sehe weiteren Kommentaren, gerne auch kritischen, mit Freude entgegen.

In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Abend
 

Willy

Du schreibst gut.
Vielleicht ein Buch mit deinen Reiseberichten und Bildern eventuell. Heute kein Problem z. B. bei Bookrix direkt als Buch oder PDF Buch und kostenfrei.
B.G.
Willy

ehemaliges Mitglied

Herzlichen Dank für das freundliche Feedback. Ich bin noch am Suchen und habe viele Dinge im Kopf. Danke auch für die Anregungen.


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