Man hätte die Rollos herunterziehen sollen



Um fünf in der Früh‘ war ich hellwach – naja, meine nötigen fünf Schlafstunden hatte ich ohne Unterbrechung und ohne das Gefühl des Schlechtschafens durchgelegen. Keine Unruhe, weil es doch nachher losging. Zeit genug bis um ¼Zehn.

Um Neune wurden die Rollos bei allen Fenstern herunter gelassen, die Wasserhähne in Küche und Bad zugedreht. Beim Computer noch einmal nachgesehen, ob’s noch Mails gab. Dann den mobilen Speicher namens Passport noch eingepackt. Schuhe an, Joppe an, Gepäck in den Hausgang. Schlüsselbund ins Schloß der Wohnungstür, alle Sicherungen auf Null stellen – nu isses duster in der Wohnung.

Mit dem Aufzug nach unten, hinaus ins Freie. Heh, ganz schön frisch und windig! Der Rolli tackert über die Rillen der Pflastersteine. Warten an der Ampel, ganz schön Betrieb auf der Münchener Straße. Die Busse rollen zur Haltestelle vor dem Hauptbahnhof, dann kann ich die Treppen hinauf zur Bahnhofshalle empor stapfen – ganz schön schwierig mit dem Rolli, der heute proppevoll ist, muß man doch für beide Jahresszeiten Kleidung mitnehmen, und der LapTop mit dem Gedöns an Strippen und Ladegeräten ist da auch drin verstaut.

Natürlich geht wieder einmal das Koffer-Rollband nicht: man baut den ganzen Bahnhof um. Naja, zum Gleis 4 wird der Koffer doch hochgezockelt. Und nun ist noch genügend Zeit, bis der Zug aus München ankommen wird, man avisiert schön fünf Minuten Verspätung, die Ansage spricht sogar schon von acht Minuten.

Gut, daß ich den Anorak als Außenhaut gewählt habe. Der Himmel zieht sich zu, ein böser Wind schafft es mit seiner Kälte – wir haben Mitte Mai! – zum Hemd und Rücken vorzudringen. Mir wird kalt.
Ich zücke den Fotoapparat und banne den Zugverkehr und die Bauarbeiten in den Chip. Wenn du das so siehst, wieviele AUDI’s dann auf den Gütergleisen rangiert werden, Zug um Zug. Und dann die Tankzüge, die voll die Donau abwärts und leer gen Norden gezogen werden. ICE’s flitzen in beiden Richtungen durch. Ganz schön was los.

Und dann kommt mein ICE, hat er doch schon von Innsbruck kommend, im Münchener Hauptbahnhof Kopf gemacht – was sind da eben acht Minuten Verspätung, sind wir man gnädig. Toll, genau die Tür meines Wagens hält exakt vor mir. Das Zusteigen hält sich heute in Grenzen, aber mein reservierter Platz ist besetzt, also bitte schön…

Ich bekomme wieder meinen „Stammplatz“ im selben Wagen. Zwei junge Herren sitzen mit mir da an dem Tisch. Beide unterhalten sich so angeregt über Technologien im Aktiengeschäft und sonstigem aus BWL – Studenten oder Assistenten an der LMU. Ich spingse so hinüber auf die Blätter, die der eine studiert – das kommt mir so bekannt vor, diese Formeln, in mir wachen wieder Kurven und Leitsätze auf.

Ich blicke hinaus in die vorbeiflitzende Landschaft, heute nicht gerade sehr fröhlich dargeboten. Die begleitenden Flüsse laufen über. Und nun pladdert es auch gegen die Scheiben, Tschechei und Polen melden schon die ersten Fluttoten, und heutemorgen warnte man schon auf für die Oder und Neisse.
Der Himmel, wenn es den noch gibt wird dunkler und dunkler. Sollen wir die Rollos herunterziehen, um dieses doofe Wetter nicht immer sehen zu müssen?

Und prompt klemmt auch die Glastür zum Ausgang des Wagens, es zieht die Beine entlang. Das wird erst anders, als der Zug in Leipzig Kopf macht. Aber da hört es auch schon wieder auf so zu regnen. Jetzt braust der Zug feste mit zweihundert durch die Landschaft, holt eisern die Verspätung auf kommt superpünktlich in Berlin an.

Und nach kurzer Anschlußfahrt lande ich am Zielbahnhof, schleppe mich die Treppe vom Bahnsteig hinunter zum Ausgang – die Haxen müssen sich nach den fünf Stunden Stillsitzen erst wieder regenerieren. Und da wartet mein Hascherl schon mit dem Wagen. Angekommen!

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Kommentare (1)

ortwin Ich habe jetzt einen extra Orner auf meinem Passport eingerichtet, um die kleinen Dönekens dort einzusammeln, einmal als Dok und einmal als PDF. Natürlich kommend da auch die beigefügten Bilder hinein. Irgendwann kriegen wir dann ein Buch zusammen. Sollte ich die Comments auch mit hinüber setzen?
Eigentlich unerhört: ich sitze hier und tippe da meine Sprüche. Und mein Hascherl sitzt nebenan, sieht Fernsehen und telefoniert. Aber so ist das mit unserer Freiheit. Übrigens haben wir die Heizung wieder angeworfen. Das Rollo kommt runter!

ortwin

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