Marlene und die Schnecken



Es ist Sommer. Die Blumen duften, das Wasser im Springbrunnen plätschert und Nachbars Katze lugt unter der Hecke hervor. Marlene spielt im Garten. Sie hat einige Schnecken eingefangen, braune, nackte, ziemlich große. Sie kleben fürchterlich. Marlene wischt sich die Schmiere am Kleid ab. Die Tierchen sollen marschieren, sie hat sie in Reih und Glied „aufgestellt“, doch es will nicht klappen. Eine wandert nach links, eine nach rechts, keine kriecht wie sie soll. Schon ein paar Mal hat sie die Aufstellung neu begonnen, einmal müsste es doch klappen! Sie hat Geduld.
Die Schnecken gehen i h r e n Weg. Marlene verzweifelt nicht, dann verfolgt sie eben ihre schleimige Kriechspur und korrigiert ihren Lauf mit einem Stöckchen. Sie summt ein Liedchen dabei. Jetzt ruft die Mutter, sie soll ins Haus kommen!
Nun gut, dann kommen eben alle wieder in die Büchse, später will sie es noch mal mit ihnen probieren....

Mutti schimpft natürlich über Marlenes klebrige Hände, man muss sie richtig bürsten, der Schneckenschleim haftet stark! Und erst noch das Kleid! „Aber, Marlene! Diese Viecher sind so eine schreckliche Plage in diesem Jahr, sie fressen unseren frischen Salat ab, die Blumenpflanzen, und überhaupt jedes frische Grün. Wir müssen sie einfangen und vernichten! Heute Abend, wenn es dunkel wird, kommen sie wieder in Scharen in unseren Garten und fressen und fressen... Schade um die viele Mühe, die ich hatte beim Pflanzen.“
Marlene findet das Wort VERNICHTEN ganz schlimm. Wie denn? Mutti erklärt es ihr: Entweder graben wir eine Blechdose ein und füllen sie mit Bier. Das riechen die Schnecken gern, es macht ihnen Appetit und sie kommen aus allen Ecken zum Biertrinken – und fallen hinein in die Dose, die eine Falle ist. Mutti erklärt noch eine andere Möglichkeit: ich werde sie in Pril-Wasser werfen und bis morgen warten bis sie tot sind. Das schäumende Wasser macht die Dosenwände glitschig, sie können nicht mehr hoch krabbeln und ertrinken dann.
„Mama! Die armen Schnecken!“ Aber Mutti hat kein Erbarmen mit den fresswütigen Gesellen. „Sie sind eine Landplage und aus Spanien eingeschleppt mit all dem Gemüse, das wir von dort bekommen!“ Eine einzige Schnecke vermehrt sich sechzigtausendmal in 14 Monaten so lange sie lebt! Damit frisst sich das gesamte Heer durch Deutschlands Gärten und kommt einer Heuschreckenplage gleich.
Was kümmern Marlene Heuschrecken, und egal wie viele Schnecken es noch werden... sie sind doch so schön braun und beißen nicht, nur, dass sie so an den Fingern kleben! Schnell geht die Kleine unbemerkt hinaus in den Garten, greift ihre Dose mit den Schnecken, leert sie alle aus und lässt sie frei laufen. Die soll Mutti nicht für ihre schmierige Lauge bekommen. „Seid frei, lauft weg, schnell, schnell du alter Schneck, lauf!“ Und sie hilft mit dem Hölzchen ein wenig nach, ehe Mutti kommt! Da gerade biegt sie um die Ecke. Oh, was nun? Mutti wird böse sein, und wohin mit den Tierchen so schnell?

Auf einmal flattern riesige, dicke Schmetterlinge um Marlene und tanzen um sie herum, so nahe, dass sie sie fangen könnte. Aber wo sind jetzt die Schnecken?
Ein gelber Falter setzt sich auf Marlenes Locke hinters Ohr und sie kann verstehen, was er sagt: „Danke, du liebes Kind, du hast uns das Leben gerettet! Wir sind von einer bösen Hexe verzaubert worden und mussten Schnecken sein, die niemand liebt. Die Hexe wollte keine Tiere um sich, nur ihre schwarze Katze. Sie fand, dass wir sie störten, wenn wir abends um ihre Lampe flogen, und so schickte sie uns weit fort. Wir konnten nicht mehr fliegen und waren sehr traurig. Aber die Hexe sagte auch: „Nur wenn ein Mensch euch kriechendes Ungeziefer schön findet, und euch so mag wie damals die Prinzessin den Froschkönig, könnt ihr erlöst werden und wieder Schmetterlinge sein!“
Dank der Liebe des kleinen Mädchens zu den braunen Schnecken wird es nächsten Sommer in allen deutschen Gärten grünen und blühen so schön wie nie, denn braune Schnecken gibt es dann nicht mehr!

KarinIlona

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Kommentare (3)

ehemaliges Mitglied Liebe Marlene!

Ich begegnete deiner braunen Schnecke. Er wurde von mir fotografiert, und du kannst sie jeden Tag sehen.
Ich freue mich, wenn du über dein Leben noch erzählst.
Liebe Grüße von Susi

ein schönes Bild(Zsuzsannaliliom)
velo79 Du hast eine wunderbare Idee hier geschrieben,
vielleicht werden aus den Schnecken tatsächlich
mal tolle Schmetterlinge. Ich werde Marlene suchen
und mir ihr "Rezept" noch einmal genau erklären lassen.
Tschüssi bis zur nächsten Geschichte.
Liebe Grüße
velo79/Hanni
iverson die Kleinen,die Großen,die Dicken und Dünnen,aber alle schön braun etwas sympatischer finden,nachdem ich Deine schöne Geschichte gelesen habe.Irgendwann,ich mache die Augen zu,sind sie Schmetterlinge.Mein Garten wird wunderschön blühen und ich denke an Marlene,die sie alle entzaubert hat.
An die Erzählerin KarinIlona einen Gruß und danke für die Geschichte
von Iverson

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