Wenn das Wochenende beginnt, heißt es für mich traditionell Krimi gucken. So gerne ich Kriminalfilme anschaue, so sehr ärgere ich mich ständig über die vielen Fehler, die darin passieren. Trotz allem lege ich mich auch diesen Freitag gemütlich aufs Sofa, stelle mir genügend Bier und eine Schüssel mit Erdnussflips bereit, dann kann es losgehen.
Der heutige Krimi beginnt wie üblich mit einer Leiche in Großaufnahme. Eine mit einem entzückenden Nachthemd bekleidete junge Frau ist aus dem 10. Stock eines Hochhauses gefallen und liegt auf dem Pflaster. Sie blutet ein wenig aus der Nase, aber sonst scheint ihr nichts passiert zu sein, außer dass sie tot ist.
Ich staune, wie gut jemand aussieht, der aus dieser Höhe auf das Straßenpflaster geknallt ist. Wenn ich vergleiche, wie ich zugerichtet war, als ich neulich beim Radfahren über den Lenker abgestiegen bin …
Während die Kriminaltechniker in Schutzanzügen herumlaufen, zertrampelt der Kommis­sar alle Spuren und betrachtet ausgiebig die Tote. Aus der gaffenden Menge löst sich plötzlich eine überaus attraktive blonde Frau und geht auf den Kommissar zu. Sie sieht et­was derangiert aus und hält ihren Mantel vorne mit der Hand zusammen, was den Ein­druck erweckt, dass sie nichts darunter trägt. Sie nennt den Kommissar beim Vornamen und beide stimmen nach kurzem Gespräch darin überein, dass sie eine ehemalige Kolle­gin von ihm ist, mit der er ein Verhältnis hatte, bis sie den Polizeidienst verlassen musste. Sie verabreden sich für den Abend in ihrem alten Stammlokal, dann verschwindet sie wie­der.
Ich ahne Schreckliches, denn wenn ein Kriminalist eine Geliebte hat, ist sie entweder die Mörderin oder sie wird später selbst ermordet.
Die nächste Szene spielt im Leichenschauhaus, wo die tote junge Frau nackt auf dem Se­ziertisch liegt. Sie hat jetzt eine Y-förmige Naht auf der Brust, die aber ihrer Schönheit kei­nen Abbruch tut. Der Gerichtsmediziner ist gerade beim Frühstück, als der Kommissar und dessen Assistentin hereinkommen. Der Doktor legt sein Blutwurstbrötchen beiseite und geht zur Leiche, um haarklein zu erläutern, woran die Frau gestorben ist und dass sie im dritten Monat schwanger war. Der Kommissar will nur wissen, ob es Selbstmord war. Da ist jedoch der Mediziner überfragt. Als die Kriminalisten wieder gehen wollen, lädt sie der Arzt zu einem Mettbrötchen und einem Glas Sangria ein. Als Nachtisch soll es rote Grütze geben. Der Kommissar lehnt dankend ab, während seine junge Assistentin hastig die Toi­lette aufsucht. Der Mediziner isst nun allein mit sichtlichem Genuss weiter.
Ich würde mir ja die Hände waschen, nachdem ich eine Leiche angefasst habe, aber wahrscheinlich hätte ich in dieser Atmosphäre gar keinen Appetit gehabt. Auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer lasse ich mir meine Erdnussflips jedoch trotzdem schmecken.
In der nächsten Szene sieht man den Kommissar in der Wohnung der Toten, wo er sich mitten ins Zimmer stellt und die Augen schließt, um das furchtbare Geschehen zu fühlen. Dann geht er zum Fenster, aus dem das Opfer gefallen ist, wo er auf Anhieb ein langes blondes Haare findet, das nicht von der Toten stammen kann, denn diese hat kurze schwarze Haare.
Ich ärgere mich über die mangelnde Sorgfalt der Spurensicherung. Die hätte dieses Haar doch sehen müssen! Wofür werden diese Leute eigentlich bezahlt? Darauf muss ich erst mal einen großen Schluck Bier trinken.
Danach sucht er in der Wohnung nach weiteren Spuren oder Hinweisen. Das Bett im Schlafzimmer ist zerwühlt und auf dem Fußboden liegen diverse Kleidungsstücke herum – darunter ein BH. Der Kommissar beachtet die Kleidungsstücke jedoch gar nicht.
Ich als Frauenkenner sehe jedoch sofort, dass dieses Kleidungsstück nicht der Toten ge­hört haben kann, da sie ziemlich kleine Brüste hatte, wie man in der Gerichtsmedizin deut­lich sehen konnte. Dieser BH passt dagegen nur Damen mit großer Oberweite. Vor Ärger über die Ignoranz des Kommissars trinke ich meine Flasche Bier in einem Zug aus.
Der Kriminalist wendet sich jetzt dem Nachtschränkchen zu. Als er es öffnet, fällt ihm so­fort ein Blatt Papier ins Auge, das er herausnimmt. Es handelt sich um einen Brief, der mit dem Satz endet „Ich bringe dich um!“.
Während ich darüber nachdenke, wie lange ich manchmal in meinem eigenen Schreib­tisch suchen muss, um meine Stromrechnung oder andere wichtige Dokumente zu finden, öffne ich die zweite Flasche Bier, um die letzten verbliebenen Erdnussflips herunterzu­spülen.
Als der Kommissar weitere Schubladen durchsucht, taucht plötzlich hinter ihm eine Gestalt auf und schlägt ihm eine Bodenvase auf den Kopf, sodass er umfällt wie ein Baum. Als er wieder zu sich kommt, ist der Brief weg und es sieht aus, als hätte jemand die gesamte Wohnung durchwühlt.
Ohne auf die Kopfschmerzen und die riesige Beule am Hinterkopf zu achten, geht der Kommissar in das Restaurant, in dem er mit seiner früheren Geliebten verabredet ist. Sie trifft nach ihm ein und sieht umwerfend aus, was nicht zuletzt an ihrem blonden Haar und ihrem üppigen Dekolleté liegt.
Beim Essen unterhalten sie sich über alte Zeiten. Unter anderem erzählt sie ihm, dass sie jetzt ein eigenes Wachschutzunternehmen leite. Nach dem Essen fragt sie ihn, ob er noch die schönen alten Schallplatten hat, zu denen sie damals immer getanzt haben. Er nickt und sie gehen zu ihm nach Hause.
Dort angekommen, lassen sie die Schallplatten, wo sie sind, denn gleich im Flur der riesi­gen Luxusvilla des Kommissars beginnen sie sich die Sachen vom Leib zu reißen. Der Weg ins Schlafzimmer wird mit Kleidungsstücken markiert.
Wie ich feststelle, entspricht der herumliegende BH in seiner Größe genau dem in der Op­ferwohnung.
Der Anblick bringt mich auf die Idee, mir am nächsten Freitag zwei große Schüsseln mit Erdnussflips zu füllen, damit ich bis zum Krimi-Ende etwas zum Knabbern habe.
Während der Kommissar sanft und selig schläft, steht seine Freundin auf und liest in der Ermittlungsakte, die auf seinem Nachtisch liegt.
Ich bin entsetzt, wie lax der Datenschutz bei der Polizei genommen wird. Ich arbeite im Amt für Straßenbau und dürfte keine Akte über auch nur einen Meter Feldweg mit nach Hause nehmen. Vor Ärger trinke ich die nächste Flasche Bier leer.
Als der Kommissar am nächsten Morgen aufwacht, ist seine Freundin längst weg. Er fährt ins Präsidium, wo im Moment seines Eintreffens einer seiner Mitarbeiter vergeblich ver­sucht, einen Kaffee aus dem Automaten zu bekommen. Der Kommissar tritt einmal gegen den Apparat und schon läuft die schwarze Brühe in den Pappbecher. Alle bewundern ihn, denn er ist einfach genial.
Bei der anschließenden Besprechung erwähnt der Chef nichts von dem Angriff auf ihn.
Das regt mich schon wieder furchtbar auf, denn es handelt sich doch eindeutig um einen Arbeitsunfall. Sollte der Kommissar später einmal geisteskrank werden, kann er nicht be­weisen, dass ein Betriebsunfall daran schuld ist.
In der nächsten Szene betritt der Kommissar sein Dienstzimmer, wo schon zwei Beamte vom Verfassungsschutz auf ihn warten, welche das Verfahren an sich ziehen wollen, was er mit aller Kraft verhindern will.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich wäre froh, wenn mir mal jemand Arbeit abnehmen wür­de, anstatt mir immer mehr aufzubürden. Und ich dachte, Polizisten seien überlas­tet. Ich öffne die nächste Flasche Bier, nehme einen kräftigen Schluck und schaue, wie es weitergeht.
Nachdem der Polizeipräsident entschieden hat, dass der Fall an den Verfassungsschutz abgegeben wird, nimmt der Kommissar seinen Resturlaub und ermittelt auf eigene Faust weiter. Bald findet er heraus, dass das Mordopfer die uneheliche Tochter eines Staatsanwalts und einer Prostituierten war. Außerdem erfährt er dass die Ermordete in ei­ner lesbischen Beziehung zu seiner alten und neuen Geliebten stand. Da die Tote schwan­ger war, liegt der Verdacht nahe, dass sie zusätzlich eine Beziehung zu einem Mann hatte. Dessen Namen findet der Kommissar auch schnell im Notizbuch der Toten. Wie sich her­ausstellt, ist der potenzielle Kindsvater ein homosexueller Mann mit Beziehungen zur rechtsradikalen Szene, der vor 20 Jahren einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht verursacht hat, bei dem die Frau des Kommissars umgekommen ist.
Bei seinen Ermittlungen wird der Kommissar jedoch vom Verfassungsschutz ständig ver­folgt und so sehr behindert, dass er annimmt, die Tote sei eine verdeckte Ermittlerin gewe­sen, die in die rechte Szene eingeschleust wurde.
Zu seinem Leidwesen muss der Kommissar im Zuge seiner Ermittlungen auch mit einem Nachtclubbetreiber sprechen. Während er das tut, turnen im Hintergrund halbnackte Frauen an einem senkrechten Reck.
Von da an wird es ziemlich langweilig, denn der Kommissar fährt ständig zwischen dem Tatort, seiner alten Freundin und dem schwulen Rechtsradikalen hin und her und guckt da­bei immer nur schlau in der Gegend herum. Ich verstehe nicht, warum er nicht endlich sei­ne Geliebte verhaftet.

Plötzlich wird es so laut, dass ich hochschrecke. Eine hochschwangere Polizistin liefert sich im Alleingang eine Schießerei mit der Maffia. Obwohl die Beamtin nur mit einer Pisto­le bewaffnet ist, die Gegner aber mit Maschinengewehren auf sie schießen, gelingt es ihr, alle Mafiosi kampfunfähig zu machen. Allerdings steht plötzlich einer von ihnen wieder auf und beginnt erneut zu schießen, aber die schwangere Polizistin streckt ihn mit einem wei­teren Schuss nieder und nimmt ihm die Maschinenpistole weg. Trotzdem steht der Kerl noch mal auf und greift sie mit einer Eisenstange an. Er scheint in seinem früheren Leben eine Katze gewesen zu sein, denn er hat anscheinend noch einige seiner sieben Leben übrig. Die Polizistin greift nun zu einer herumliegenden Maschinenpistole und durchsiebt ihn. Diesmal bleibt er wirklich liegen. Als alle Verbrecher tot sind, erscheint auch schon das SEK.

Ich grüble, wie das alles zusammenpasst. In dem Krimi kamen bisher weder diese Polizis­tin noch die Maffia vor. Als ich verwirrt auf die Uhr schaue, sehe ich, dass ich eingeschla­fen war und erst am Ende des nachfolgenden Krimis wieder aufgewacht bin.


Anzeige

Kommentare (11)

ahle-koelsche-jung

So spielt das Leben, aber ich kann dich beruhigen, sowas passiert mir auch schonmal, ob mit oder ohne Flips 😄.
Jedenfalls hat mir deine Geschichte sehr gut gefallen. Vorallem sowas aus dem Leben gegriffenen kommt immer gut an.
Freu mich auf weitere Episoden, wobei ich wohl eh hier noch was nachzulesen habe.

VG Wolfgang 

floravonbistram

Herrlich, locker, leicht und mit mit viel Humor gewürzt ist dieser Krimi. Hat mir so viel Freude gemacht, dass ich ihn gleich einer Freundin am Telefon vorgelesen habe. Danke für den Spaß am Krimi, den ich sonst höchstens mal bei Wilsberg habe

Wilfried

@floravonbistram  Vielen Dank für das Lob. Ich freue mich über jede Bewertung - über gute natürlich am meisten. Als Buchautor habe ich leider das Problem, dass die Leute nicht daran denken, nach dem Lesen eines Buches eine kurze Bewertung zu hinterlassen.
Ich werde euch weiterhin hier an dieser Stelle mit lustigen Kurzgeschichten versorgen, solange der Vorrat reicht.

Virginia

Hallo Wilfried!

Glänzend und treffend be- und geschrieben! Ich wundere mich z.B. auch immer wieder über Szenen, in denen der "Held" mit jedem Schuss aus einer Pistole einen Treffer landet, während
seine Gegner / die "Unholde" (10 Mann mit Maschinengewehren) wie wild schießen, das gesamte Inventar zerlegen, aber keinen einzigen Treffer landen - höchstens (aber selten) einen milden Streifschuss.

Würde mich sehr freuen, weitere Krimikritiken zu lesen 😄.

LG
Virginia

Wilfried

@Virginia  Hallo Virginia, es freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Weitere Krimikritiken sind vorerst von mir leider nicht zu erwarten. Ich hoffe jedoch, dass dir meine Texte zu anderen Themen ebenso gut gefallen werden. Ich veröffentliche jeden Samstag eine Kurzgeschichte an dieser Stelle. Wenn du mehr von mir lesen möchtest, verweise ich auch meine Bücher, aus denen ich ebenfalls in diesem Blog einige Schnipsel publiziert habe.
Liebe Grüße
Wilfried

ehemaliges Mitglied

Hallo Wilfried,

Deine Betrachtung des  oder der Freitagskrimis entspricht auch meiner Meinung, aber den von dir geschilderten Krimi bzw. diese Serie sehe ich mir nicht mehr an, auch keinen Tatort mehr, es hat einiges mit dem zu tun, was du beschreibst. Ich füge deiner Schilderung noch hinzu, dass in jedem Krimi der Rechtsmediziner isst und Kaffee trinkt, ich kenne fast keinen Krimi in dem das nicht der Fall ist.

Mein Fernsehkonsum hat sich verändert, die Krimis, besonders die deutschen Serien sind oft gleichgestrickt, inzwischen liebe ich die etwas humorvolleren oder augenzwinkernd geschriebenen Krimis, besonders Inspektor Barnaby mit dem grandiosen John Nettels mit dem englischen Humor, aber auch ein paar andere mit deutschen Schauspieler.

Ließ ich früher keinen Krimi aus, sehe ich inzwischen nur noch wenig TV, mit dem Alter verändert sich der Geschmack und das eigene Verhalten.

Herzlichst Rosenbusch

Wilfried

@Rosenbusch 
Hallo Rosenbusch,
in meiner Geschichte isst un trinkt der Rechtsmediziner auch. Das ist eine so oft wiederkehrende Szene, die konnte ich auf keinen Fall auslassen.
Viele Grüße
Wilfried

Rosi65

Hallo Wilfried,

Deine humorvolle Krimi-Analyse hat mir super gefallen.😅 Manchmal wundere ich mich auch über handliche Bodenvasen, die genau im passenden Moment dekorativ am Tatort herumstehen, damit der Täter nicht solange suchen muss. Manchmal ziehen sich Krimis auch, mit überzähligen Akteuren und Nebenhandlungen, wie Kaugummi endlos in die Länge, und man erinnert sich kaum noch an den Anfang der Handlung. Dann kann ein beherzter Tritt des Hauptdarstellers vor einem streikenden Kaffeeautomaten beinahe die Erlösung sein...ja, fast wie im richtigen Actionfilm! 
Guckst Du nächsten Freitag auch wieder fern?😉

Herzliche Grüße
   Rosi65

Wilfried

@Rosi65  Freut mich, dass dir meine Krimi-Geschichte gut gefallen hat, liebe Rosi65. Ja, ich werde trotz allem am Freitag wieder Krimis gucken, aber neuerdings lieber Hubert und Staller. Da gibt es wenigstens etwas zu lachen.
Grüße zurück
Wilfried

Distel1fink7

Gut beschrieben, lach

Stoff für eine Krimi-Komödie, die ja jetzt "in" sind und oft nicht die
schlechtesten.

Gruß bis nächsten Samstag 
zum ärgern, weil in allen Programmen  ein samstagloch ist.
Distel1fink7

JuergenS

da hilft nur eins:
nur Donnerstags-Krimis anschauen, denn die sind besser.
Ist natürlich Schmarrn, denn was hat ein bestimmter Tag mit einem "Krimi-Typ" zu tun, was Pfeffer mit Marmelade.
Schlimm finde ich auch die Entwicklung Doppel-oder Dreifachkrimi-Paket.
Wenn ich Kaffee trinke der gut ist, will ich doch deswegen nicht gleich zwei oder drei Tassen.
Es wäre so vieles zu dem ganzen Filmgeschehen zu sagen, zum Beispiel, warum hat man keine Chance mehr, zu raten, wer der Täter sein könnte, weil Verdächtige oft erst am Ende das erste mal vorkommen.
Schlaft schön.😏


Anzeige