Mein Traum frei zu sein Episode 3


Das Licht der Welt!
Mit der Geburt fängt bekanntlich alles an. So war es auch bei mir!
In meiner Geburtsurkunde steht, dass ich am 30.10. geboren bin.
Ich weiß nicht mehr, bei welcher Gelegenheit mir meine Mutter diese kleine Geschichte erzählte:
>Geboren bin ich tatsächlich am 31.10. zwölf Minuten nach Mitternacht. Doch die wohl weit vorausblickende Hebamme ließ die Papiere auf den 30.10. zwölf Minuten vor Mitternacht ausstellen. Ihre Begründung war ganz einfach: In meinem späteren Leben würde ich bestimmt mit Freunden meinen Geburtstag feiern wollen. Da der 31. ein Gedenktag ohne Musikveranstaltungen sei. (So war es damals) somit auch jegliches Feiern verboten wäre, ich aber am 30. schön feiern und am nächsten Tag lange ausschlafen könnte, gab es deswegen den kleinen Schwindel- natürlich nur zu meinem Vorteil.<
Meine Mutter hatte wohl nichts dagegen und mich hatte man nicht gefragt. Aber ich bin mir sicher, ich hätte zugestimmt.
Ob das ein gutes Omen für mich war, wird sich noch herausstellen.
Meine Ankunft auf dieser Welt war für meine Mutter, ich hoffe es, ein freudiges Ereignis. Es war gewiss eine harte Zeit für sie, denn mein Vater war Soldat im Krieg und kämpfte immer noch im Glauben an den großen Sieg gegen Russland und den Rest der Welt.
Mit mir und meinem fünf Jahre älteren Bruder waren drei hungrige Mäuler zu stopfen.
Ein Krieg, wo auf der Welt er auch stattfindet, bringt für niemanden ein angenehmes Leben.
Für eine Alleinstehende mit zwei Kindern ist es ein Kampf um das tägliche Überleben.
In der heutigen, schnelllebigen Welt vergisst man das sehr schnell. Von den Alten hat kaum einer unser „ Kriegs-leben“ vergessen.
Heute wundert man sich nur darüber, wie viele Kriege es immer noch auf unserem Globus gibt.
Der Zweite Weltkrieg endete und somit auch die Berechtigung für meine Familie in unserer Heimat, dem Riesengebirge zu bleiben.
Die Tschechen gaben Mutter sechs Stunden Zeit zu packen, auch durfte sie großzügig 30 kg an Hab und Gut mitnehmen, soweit sie mit einem Vierjährigen und einem neunjährigen Kind, noch Gepäck mitnehmen konnte. Es war ein verlorener Krieg und ich musste dem Rübezahl und der Schneekoppe Ade sagen, bevor ich den Rübezahl oder die Schneekoppe gesehen hatte.
Ein Zug mit Viehwaggons stand schon bereit, dieses Mal jedoch nicht fürs Vieh, sondern für uns. Ich schätze, mehr waren wir zu dieser Zeit für die Tschechen auch nicht wert.
Als Vierjähriger hatte ich noch nicht begreifen können, was da passierte, aber in meinem Gedächtnis ist mir noch Einiges in Erinnerung. So habe ich zum Beispiel Erinnerungen an die Zugfahrt und auch an das Haus, in dem wir wohnten.
Vom Haus aus musste ich über eine Brücke, die über das Rinnsal, die „Aupa“, führte und kam zu einem Bäcker. Da Deutsche nur mit Marken einkaufen konnten, schickte man mich los, weil ich vom tschechischen Bäcker meine Buchteln auch ohne Marken bekam.
Wer kann einem kleinen, blonden Jungen schon etwas verbieten oder ihn gar aus dem Laden schmeißen, zumal man weiß, dass er hungrig ist.
Auch ein Tscheche kann das nicht.
Der Zug brachte uns nach Hessen, in ein "Flüchtlingslager", in dem eine Registrierung stattfand. Danach wurden wir in ein kleines Dorf gebracht, einquartiert als Untermieter bei ganz netten Bauern, ob die das wollten oder nicht.
Hier wuchs ich durch Mutters Fürsorge, die schützende Hand meines Bruders und der Mithilfe des Bauern und der Bäuerin zu einem kräftigen Jungen heran. Die Bäuerin, in ihrer typisch hessischen Tracht, mit bunt besticktem Kopftuch, das sie immer trug, dem schwarzen Rock, der Bluse und den Wollstrümpfen, machte mir richtig Angst.
Sie sah dann aus, wie ich mir eine Hexe vorstellte.
Der Bauer dagegen war mit seinem, von der Arbeit gekrümmten Rücken, noch ganz flink und erinnerte mich an einen "buckeligen" Riesen, wenn er so vor mir stand, und auf mich herabsah.
Doch es waren ganz liebe Menschen und ich bekam fast alles, was ich wollte, wenn sie es hatten.
Wenn im Herbst die Sau geschlachtet wurde oder es waren schon mal zwei, war es für mich immer ein Fest.
Dann gab es eine kleine Blutwurst und Leberwurst- extra für mich.
Diese durfte ich auch alleine essen.
Natürlich gab ich meinem Bruder auch etwas davon ab.
Der Bauer sagte mir, dass dies dafür sei, weil ich immer die kleinen Kartoffeln aufsammeln würde, nachdem die Erntehelfer fertig waren.
Ich durfte die selbst gesammelten Kartöffelchen immer behalten und gab sie dann an Mutter weiter.
Egal, es waren meine Würste!
Die Teile vom Schwein wurden im großen Kessel, in dem sonst an Samstagen unser Badewasser vorbereitet wurde, gebrüht und gekocht. Das Gleiche wurde auch mit den Würsten gemacht.
Das alles ergab eine Wunderbare "Metzel-Suppe", die Mutter bekam, und für uns Buben dann die ganze Woche reichte.
Je mehr Würste platzten, desto besser wurde die Suppe.
Nach der traurigen Vertreibung aus unserer Heimat fühlte ich mich hier bei den Bauern sehr wohl und vergaß die Reise im Viehtransporter sehr schnell.
Hier war einfach der Himmel auf Erden, besonders an dem Tag, an dem die Bäuerin Brot backte, da war immer so ein "extra-kleines", frisches Brot für mich dabei.
Abends roch es bei den Bauern immer so gut nach Bratkartoffeln, Speck und gebratenen Eiern.
Welcher, immer hungrige Junge, kann da widerstehen?
Rein "zufällig" ging ich dann gerade an der immer offenen Küchentür vorbei, selbstverständlich nur so schnell, dass ich auch sicher sein konnte, dass mich die Bäuerin auch sehen konnte.
Sie fragte mich dann immer, ob ich denn hungrig sei, natürlich war ich es!
Und so bekam ich abends meine Bratkartoffeln mit Speck und Ei.
Wenn Sie gerne weiter lesen möchten,in ein Paar Tagen geht es hier weiter..
Liebe Grüße von Ihrem
Hippguru

Anzeige

Kommentare (6)

floravonbistram als "Nachkriegskind kenne ich es aus den Erzählungen meiner Tante...Vertreibung 1920
nixe44 interessiert mich natürlich Deine Lebensgeschichte ...

ich war noch ein Säugling, als es hieß, packen und ab zum Sammeltransport ... Viehwaggons standen schon bereit ...
das alles und noch viel mehr beruht auf Erzählungen der Erwachsenen ...
ich finde in Deinen Worten unsere Vergangenheit wieder ...

schreib bitte weiter, ich bin gespannt ...
mit einem freundlichen Lächeln
grüßt Monika
catrin es ist wunderbar wie du schreibst, man mag gespannt sein wie es weiter geht.Ich bin dabei um noch mehr ueber deine Kindheit zu erfahren,
Traute Habe Deine Erinnerung gerne gelesen und ein kleines Tränchen wollte unter die Wimpern hervor.
Ja so war es und unendlich viel schlimmer als Du es mit Deinen Kinderaugen gesehen hast.
Ich bin 3 Jahre älter gewesen als Du, als wir 1947 aus Ostpreußen vertrieben wurden.
Die Russen haben uns kein Gepäck gelassen, kein Foto kein Papier kein Ausweis durfte mit über die Grenze.
Auch wir in Viehwaggons tausend kinder in einem Zug. Die Viehwaggons waren in halber Höhe mit einem Boden versehen und darauf hatten auch noch Kinder Platz. So waren wir 50 in einem Waggon und der Zug war unendlich lang. Wir wurden von außen verriegelt so das wir fast verdursteten. Wir hatten kein Trinken im Waggon und konnten nicht raus. Erst als wir durch Polen durch waren glaube ich schob man die Türen auf....
Ich freue mich auf den nächsten Teil.
Mit freundlichen Grüßen,
Traute
Ela48 danke für Deine Geschichte.
Sie erinnert mich an eine Geschichte, die meine Mutter mir erzählt hat. Sie war auch Flüchtling und wurde mit ihren Eltern auf einen Bauernhof in Hessen, Marburg, einquartiert.
Auch ich und meine Familie haben immer noch, zwar unregelmäßig - Kontakt zu der Familie.
Ela
ella Hallo Hippguru,
trotz der Flucht und dem Verlust der Heimat habt ihr es ja dann recht gut getroffen bei dem Bauern in Hessen.
Ich bin auch mit dem Viehwaggon hier angekommen (war 4 Jahre alt), aber wir landeten in einem Kaff im Kraichgau, in dem die Einheimischen gar keine Lust hatten auf Einquartierung. Sie hatten auch keine Lust, zu teilen.
Aber ein netter Bäcker, dessen Tochter mit mir in der Klasse war, gab uns doch ab und zu etwas mehr Brot als auf der Lebensmittelkarte stand. Auch ein Kännchen "Worschtsupp" bekamen wir bei Leuten, die gerade geschlachtet hatten. Aber die Wurst aßen sie lieber selber.
Dein Bericht ist sehr anschaulich geschrieben und ich habe ihn gerne gelesen.
Es grüßt Dich
Ella

Anzeige