Meine Fahrradkarriere ...



Meine Begeisterung fürs Fahrradfahren flammte erneut in den 1990ern und dem ersten Jahrzehnt des neue Jahrtausends so weit auf, dass ich aufgrund eines Betriebsausfllugs per Fahrrad mich 1996 wieder auf mein Rad setzte und zu trainieren begann. Schließlich war ich als geborene Münsteranerin ja nur das Flachland gewohnt, außer, wenn mich meine Sehnsucht nach hügeliger Landschaft zu den Baumbergen trieb.

Als 12-Jährige durfte ich zwar vom Vorsehungskloster (gymnasiales Mädcheninternat) bei Handorf in die Stadt Münster nach Hause fahren, weil unser Vater eine Künstlerin als Kundin hatte, die ihm von seinen Töchtern Portraits anfertigte. Dafür durfte ich dann schon ein paar Mal allein nach Hause radeln. Heute würde ich die Strecke wegen der Einsamkeit durch den Boniburger Wald und am Kanalufer entlang meinem Kind allein nicht zumuten. Aber damals …

In den Folgejahren ging ich wieder in Münster zur Schule. Natürlich radelte ich während meiner weiteren Schulzeit täglich zum Unterricht. Erst als ich dann in die Lehre kam, ging ich zu Fuß zu meinem Lehrbetrieb oder auch abends zum Tanzen. Inzwischen fand ich das Risiko zu hoch, mein neues Fahrrad, endlich mit Gangschaltung – wenn auch abgeschlossen – an einer Hauswand in der Stadt einfach stehen zu lassen.

Nach der Hochzeit zogen mein Mann und ich mit unserem zweijährigen Sohn aus beruflichen Gründen nach Osnabrück, in diese für uns schreckliche Stadt, die in einem Talkessel liegt und wo unser Sohn den ganzen Winter 1970/71 von September bis in den April  alle vierzehn Tage unstillbares Erbrechen hatten. In den anderen Wochen jeweils dazwischen war unsere Tochter ab dem Alter von gut drei Monate ebenfalls betroffen. Ich hatte immer nur zuzusehen, dass unsere Kinder am leben blieben. Fürs Fahrradfahren gab es ganz einfach keine Zeit. Wir zogen um und die hübsche Ortschaft am Fuße des Dörenberges gab mir noch weniger Gelegenheit, mich wieder aufs Fahrrad zu setzen, ganz abgesehen davon, dass nun die Kinder heranwuchsen, selber dies und das und auch das Fahrradfahren ausprobierten.

Erst als ich wieder berufstätig war, kam eben diese Einladung zum Betriebsausflug, die mich lehrte, wieder Freude am Fahrradfahren zu genießen! Die Kinder waren erwachsen, zogen aus und ich hatte das Bedürfnis, mit Fahrradfahren meinem Bewegungsdrang ein wenig nachzukommen.

Am Fuße des Teutoburger Waldes aber gab es nur wenige ebene Strecken für mich zum Fahrradfahren und ich mit meinem ungeübten Herzchen kam recht schnell aus der Puste. Aber in den vier Trainingswochen, die ich mir bis zum Betriebsausflug gegönnt hatte, machte ich durch tägliches Üben schnell Fortschritte. So konnte ich dann auf dem Ausflug von Bissendorf über Himbergen nach Melle-Gesmold zur Bifurkation (hier gabelt sich die Hase in zwei Arme, die Hase und die Else, die nicht wieder zusammenfinden, da die Hase nach Westen in die Ems fließt und die Else östlich in die Weser mündet) mit den Kollegen /Innen mithalten. Bis heute bin ich stolz darauf, dass ich diese Tour schaffte.

Irgendwie gelang es mir dann, auch meinen Mann für diesen Sport zu begeistern. Wir fuhren so manches Wochenende meist im Warendorfer Umland oder um Glandorf herum, manchmal aber auch zu Hause eine Strecke an Osnabrück vorbei nach Bissendorf, die nicht ganz so anstrengend hügelig war.

Dann verließ ich die Stadt am Teutoburger Wald, nahm aber mein Fahrrad mit an die Aller. Dort hab ich so peu á peu die Stadt und den Weg zu meiner Tochter Zuhause auf dem Land mit meinem Rad erfahren, bis ich mich soweit auskannte, dass ich mir einen Pkw kaufen mochte. Aber das Fahrradfahren hatte ich nicht aufgegeben. Immer wieder mal machte ich die eine oder andere Tour am Deich entlang, mal an der Aller, mal an der Weser, bis ich Ende April 2017 an einem wunderschönen Frühlingstag bei allerdings starkem böigen Wind meine bis heute letzte Fahrradtour machte, entlang dem Weserdeich und über schmale Pfade und rumpelige Dorfstraßen durch die weitläufigen Felder.

Doch es war sehr anstrengend, denn der Wind blies heftig, fast wie auf einem Deich an der Nordseeküste: der Wind kommt immer von vorne!! Fast wieder zu Hause gab es dann diese Situation: zu beiden Seiten der Bundesstraße, an dem mein Radweg entlang führte, weite Felder, über die der Wind so richtig ausholen konnte.

Ich war total fertig und dachte, ich könnte die letzten 400 Meter mein Fahrrad besser nach Hause schieben. Das wäre sicherlich nicht ganz so anstrengend wie das gegen den Wind anfahren. Ich wollte absteigen, aber mein rechtes Bein wollte nicht stehen. Ich tippte mit dem linken Bein beim Bremsen auf den Boden, wollte mit dem rechten Bein nun ebenfalls stehen, aber es gab in der Hüfte nach, trug mich nicht und so rutschte ich stumpf und langsam in die Fahrradgabel. Nun das Rad zu halten, mich gar wieder hochzustemmen – ging nicht. Ich kippte um, zum Glück nicht zur Fahrbahnseite, und rutschte sanft in den glücklicherweise trockenen Straßengraben.

Tausend Gedanken jagten durch meinen Kopf. Ich hatte mein Smartphone zuhause gelassen, mit so einer Geschichte überhaupt nicht gerechnet und nun lag ich da im Grünen, von der Straße her kaum noch zu sehen. Das war mir einerseits zwar Recht, weil ich es sehr blamabel fand, so in den Graben zu rutschen. Andererseits aber gelang es mir nicht, mich von meinem vermaledeiten Fahrrad zu befreien, so dass ich – vielleicht unbelastet – wieder aufstehen könnte. Schmerzen hatte ich keine, es fühlte sich auch alles heil an. Doch von den nun naheliegenden zwei Wohnhäusern konnte mich keiner dort entdecken!

Plötzlich stellte ich fest, dass ein VW-Golf auf den breiten Fahrrad-/Fußweg fuhr und in der Ackerzufahrt hielt. Eine junge Frau stieg aus, kam zu mir gerannt und begann, mir aus meiner misslichen Lage herauszuhelfen. Fast hätte sie schon einen RTW gerufen, doch davon konnte ich sie abhalten. Mir fehlte ja nichts außer meiner Unfähigkeit, allein vom Rad abzusteigen. Es genügten einige Sätze, ihr das verständlich zu machen, so dass sie von diesem Vorhaben absah. Aber ich bedankte mich sehr, dass sie mir zu Hilfe gekommen war. Und dann schlich ich mich total erschöpft mit dem Fahrrad an der Seite nach Hause.

Ich brachte das unbeschädigte Rad in den Schuppen und fuhr – nun mit meinem Pkw – erst einmal nach Hause, um an mir eventuelle Schäden festzustellen. Aber außer ein paar leichten blauen Flecken war alles okay. Selbst die Kleidung war nur leicht beschmutzt.

Ich brauchte einige Wochen, um von diesem blamablen Sturz einer leichtsinnigen Alten doch meinen Angehörigen zu erzählen. Und es dauerte noch einmal ein paar Wochen, bis ich auch meinem Hausarzt davon berichtete, denn inzwischen bemerkte ich das eine oder andere Mal doch Probleme beim Aufstehen aus dem Sitzen. Der weitere Weg war dann über mehr als ein Jahr des öfteren ein Besuch beim Orthopäden, der irgendwann dann eine Röntgenaufnahme, danach sehr bestimmt ein MRT meiner Lendenwirbelsäule veranlasste und dann war klar: es war nicht einfach das Bein in der Hüfte, ich hatte einen Gleitwirbel, an dem sich dadurch ein Bandscheibenvorfall gebildet hatte, der auch noch meine Knochen an gleicher Stelle veranlasste, einen stützenden Knochensporn in Richtung Spinalkanal wachsen zu lassen: eine eindeutige OP-Diagnose! Da wollte mein Bein einfach nicht mehr den verlässlichen Halt geben.

Das alles hatte aber zum Zeitpunkt des Sturzes nicht geschmerzt, ich konnte es ja sogar noch ins Lächerliche ziehen. Heute ist meine Angst allerdings größer als mein Verlangen, einfach mein Fahrrad wieder zu besteigen, um draußen den Frühling zu genießen. Was wäre, wenn ich wieder fallen würde und mir dabei die Versteifung in der LWS zerbrechen könnte?? Lieber nicht, lieber Dreirad fahren …
 

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