Kennst du noch die tollen Kästen vom Kosmos-Verlag (oder wie er hieß)? Da gab es den Chemie-Kasten, so mit Reagenzgläsern, Spiritus-Kocher, hölzerne Zange dazu und so weiter. Wir haben nicht sonderlich experimentiert – es war ja niemand außer Mutter (und die hatte weiß Gott mit uns sechs Kindern anderes zu tun!) da, der uns half und beistand, die beschriebenen Übungen durchzuführen. Also wurde etwas Butter und Mehl und Zucker gemopst und Streusel produziert.
Da gab es den „Elektromann“. Das war der Kasten, so richtig passend zur elektrischen Eisenbahn, zu den Schranken und Läutewerken. Es fehlte eigentlich nur ein Transformator zum Betreiben des kleinen (großen) Motors. Denn die Flachbatterien waren schnell alle – es war Krieg, da kriegte man keinen Ersatz und das Taschengeld war klein bis keines.

Ein Experiment – darauf bin ich gekommen, als ich heute im Internet nach einem Kompass Ausschau hielt und mal eben bei Wikipedia nachlas – war so interessant: das Spielen mit der Kompass-Nadel. Da war der Magnet, mit dem man das auf einer Stecknadel gelagerte Ding – zu einer Hälfte bläulich brüniert, zur anderen Hälfte silbern blank – ablenken konnte, es folgte dem Magneten in der Richtung hin.

Ach und dann gab es da ein Tütchen mit Eisenspänen. Die auf eine flach liegende Glasscheibe gestreut, den Magneten darunter gehalten: die Späne richteten sich danach aus, zeigten die Kraftlinien des Magnetfeldes.

Und dann war da noch Vaters Influenzmaschine mit den zwei großen, sich gegeneinander drehenden Kautschuck-Scheiben, zu denen auch zwei „Leidener Flaschen“ gehörten und zwei Ketten angeschlossen: Wir nahmen uns an die Hand, bildeten einen Halbkreis, die äußersten von uns bekamen jeder eine Kette in die blanke Hand und …
Vater drehte ganz langsam an der Kurbel, die die Scheiben in Bewegung setzte, es kribbelte in den Händen, die Haare an den Armen stellten sich auf, es blitzte, wenn ein Funke über die beiden Polstangen von Stange zu Stange sprang. Wir lernten von Vater – so lange er noch der Frieden war – so vieles aus der Physik.

Das war schon lange, lange her. Als ich Krieg und Schule und Lehre und Arbeit und Ehe überstanden oder durchgemacht hatte. War meine zweite Tochter schon so weit, beim Basteln an der Modellbahn mitzuwirken. Aber so ganz sicher konnte ich mir (aus eigener Erfahrung in dem Alter) nicht sein, dass sie …
Ich erwischte sie, dass sie mit einer Stricknadel an der Steckdose herumprokeln wollte. Wie zeigt man dem Kind auf einfache Weise was passieren könnte (Worte allein überzeugen nicht)?? Ich lud mal eben einen dicken Elektrolyt-Kondensator mit Gleichstrom auf, so um die dreißig Volt. Ich gab dem Kind diese „Ladung“ und wautsch entlud sich der Elko.

Das Kind wurde später mein „Spezialist“: ich war doch selten zu Hause – der Dienst und die Dienstreise. Da komme ich einmal abends nach längerer Abwesenheit heim und werde vom Töchting empfangen. Stolz präsentiert sie mir eine Verlängerungsschnur: „Ich weiß nicht weiter beim Anschrauben der Drähte!“ So gab es sogleich die Anleitung über Phase, Null und Schutzerde. Ich war so stolz auf das Kind, das es in der Schule nicht ganz einfach hatte – ich lernte etwas über eine geglaubte Legasthenie.

Nach elf Jahren im „Kuhstall“ (sprich: draußen im Land in einem Gefechtsstand der Bundesluftwaffe) kam ich mit zugenommenem Dienstgrad weiter zu einer Kommandodienststelle. Ich sollte da fachlich die kleinen Radargeräte technisch betreuen.
Ich kam – jetzt eigentlich „Sesselpuper“ geworden – raus zum Vermessen der Radargeräte vor Ort. Eine Vertragsfirma stellte dazu Messgeräte und die ersten brauchbaren Tischrechner zur Verfügung. Ich brachte mir das Programmieren bei, saß bis in die Nacht am Rechner, um die noch von Hand gesammelten Daten statistisch auszuwerten. Es ging darum, die Nordrichtung zu erkennen und danach die Selsine zu justieren.

Und da kam dann auch das kleine, mobile Radargerät dran, dass ich doch zu „betreuen“ hatte. Wie kriegt man die Daten aus den Recheneinheiten des Radargerätes in den Tischrechner?! Ich bastelte eine Anschlusskarte – 35 IC’s musste auf der „Europa-Karte“ untergebracht und in „Fädeltechnik“ verdrahtet werden. Und es funktionierte (ich war innerlich stolz). Nun galt es, die eingefangenen Flugdaten der angesetzten Vermessungsflüge auszuwerten.

Wir machten das nicht alleine: eine Vermessungseinheit der U.S.-Luftwaffe war stets mit von der Partie (oder besser: sie sagten uns, was sie brauchten). Wir lernten, und eine deutsche Einheit wurde aus der Taufe gehoben.

Eine Aufgabe kam herunter von der „Hardthöhe“: die Radarüberdeckung der Bundesrepublik sollte ausgewertet und dargestellt werden – es durfte doch keine „Löcher“ geben. Karten wurden auf den Tischen ausgebreitet und die Höhendaten entlang eines metrisch skalierten Lineals strahlenförmig und schrittweise erfasst und in den bereitgestellten Tischrechner eingegeben. Wir brauchten Plotter-Programme – sie wurden gebastelt.

Google Earth und Google Maps gab es noch nicht, da und dort gab es schon mal Datenbänke, doch die passten in Großrechner, aber nicht in einen Tischrechner, der gerade man 32 Kilobyte RAM Speicherplatz hatte. Die Deutsche Bundespost hatte so eine Datenbank für ihre Richtfunkstrecken-Berechnung. in Darmstadt beim FTZ (Fernmelde-Technisches Zentralamt). Wir erkundigten uns.

Also hatte ich mich mit dem Tischrechner und seinen anzuschließenden Fünfzoll-Laufwerken und meiner passend geschriebenen Software nach München zu einer Firma, die den Bund unterstützte, abzusetzen. Doch zuvor galt es, auszurechnen, wie ich die Daten organisieren muss und wieviele Scheiben ich mitzunehmen hatte. Da saß ich nun im Keller mit seinen großen Schränken, mein Tischrechner war angeschlossen und durfte „saugen“. Bloß, die Herren da, klemmten mich gerade zur Mittagszeit ab, und sperrten durch ihre Anschlüsse meinen Zugriff. Also wurden meine Nächte eben zum Tag gemacht.

Wieder zu Hause gab man mir ein kleines Büro, wo ich ungestört „wurschteln“ konnte. Da wuchsen dann die ersten Radarüberdeckungsdiagramme auf dem Tischplotter, Blatt für Blatt – Plotterstifte wurden gebraucht – ein Verbrauch!!


Jahre sind vergangen. Ich bin nun schon achtundzwanzig Jahre weg von dieser schönen Arbeit. Mein früherer Vorgesetzter – inzwischen auch schon pensioniert – hat unsere Arbeit privatim aufleben lassen, ich musste aus meinem Gedächtnis heraus das eine oder andere wieder wecken. Auch unser Beider Freund Lee von den „Ami’s“ hat uns geholfen – er ist inzwischen heimgegangen.

Missweisungen. Ich sollte uns für unsere Radtouren durch die Mark Brandenburg doch einen Kompass zulegen. Missweisungen – ich habe einfach mal nachgelesen, was es sich mit dem Kompass auf sich hat.
ortwin


http://de.wikipedia.org/wiki/Kompass

Solltes du fragen wollen, was "Missweisungen" sind, dann kannst du weiterfragen, was die "Deklination". Im o.a. Link findest du gute Erklärungen. d.o.

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Kommentare (3)

ortwin Bei Freising hatte meine große Schwester die Goldene Hochzeit der Eltern ausgerichtet. Und da saßen wir mit der Hochzeitsgesellschaft unter den Bäumen nahe der Amper.
Da forderte mich Vater auf, als Ältester die Rede zu halten. Ich war unvorbereitet. Ich laberte los, was mir dazu gerade einfiel. So auch ein Dankeschön an die Eltern, die uns doch soo viel mit auf den Weg gegeben hatten.
Ich erzählte auch von den harten Tagen da, wo Vater in Berlin einmal am Westhafen verschüttet war, mit seiner Umsicht alle befreite und dann noch Lkw's mit aller Muskelkraft rettete. Sein Kriegsverdienstkreuz (ohne Schwerter)!
Vater konnte es nicht lassen, mich nun hochzuloben, hatte man mir doch gerade das Bundesverdienstkreuz verpasst. Verlegenheit!
Eines aber ist uns Müller-Kindern gemein: Ideen-Reichtum, Forscherdrang und Unermüdlichkeit, Standhaftigkeit.
Danke liebe Eltern!
ortwin
Traute Was für eine interessante Arbeit, die aber eine ununterbrochene Akribie verlangte.
Aber das lag Dir und Deine Auftraggeber hatten einen Glückstag als sie Dich ein fingen.
Bewundern kann ich das Durchhalten und dran bleiben und das "Haarespalten"um der geforderten Genauigkeit genüge zu tun.
Ich bin eher der Typ der das Chaos beseitigt ordnet und dann Langeweile beim Trott empfindet. Mit mir hätten die einen Missgriff getan.
Ja die Utensielien für das Kribbeln in der Hand, habe ich als kleines Mädchen, 6-7 Jahre alt auf der Dorfwiese erlebt.
Da kam ein sehr umlagerter Mann mit diesem Kurbelkasten und den zwei Zylindern und dem Kreis den die Dorfleutchen im tiefen Ostporeußen bildeten und staunten, als die Wirkung begann, den Mann wie einen Zauberer an.
Es war wieder eine schöne Zeitreise, bei der neues aus dem eigenen Untergrund auftauchte.
Mit ganz vergnüglichen Rückschau- Grüßen,
Traute
tilli an deine Jugend. Kindheit uns vieles mehr geben uns Allen ein Einblick wie es einmal war. Heute sind die Computerspiele und alle technischen Sachen gefragt bei den jugendlichen. Wie es auch sei, deine Geschichten werden mich immer interessieren.
Grüße an dich und deine Lebensgefaährtin
Tilli

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