...mit Veilchen drauf...


"Ich wünsche mir ein Kleid mit Veilchen drauf", so sprach meine Enkelin, als ich nach ihren Geburtstagswünschen fragte.
Ohje...jetzt kam ich ins Schwitzen, ein merkwürdiger Wunsch.
Vorsichtig fragte ich nach, wieso sie gerade auf Veilchen kam?
Das war dann einfach erklärt ! Ja Oma, die wachsen doch ganz früh am Gartenzaun entlang und dann sind sie auch wieder weg und der Pappa paßt beim Rasenmähen auch nicht auf und deshalb möchte ich sie gerne auf meinem Kleid haben.
Und was ist so besonders an diesen kleinen Blumen?
Gefällt Dir die Farbe oder das Blumengesicht?
Ach, weißt Du, die sehen so niedlich aus und die Farbe ist auch so schön..........ich will sie haben.
Mal sehen, was ich machen kann!
Ich erinnerte mich an einen Stoffreste-Laden hier in der Stadt.
Zwei sehr alte Damen stehen schon ihr Leben lang in dem Laden, doch einen wirklichen Kundenkreis gibt es schon lange nicht mehr. Genauso sieht es auch in dem Geschäft aus.
Es riecht muffig, wenn man die Tür aufmacht und genau gegenüber ist die Küchentür, aus der zwei Hutzelmädchen springen, wenn die Ladentür klingelt. Sehr beflissen und entgegenkommend wird man in Empfang genommen und schon ist man als Kunde in Beschlag genommen.
Was war das noch, wonach suchen Sie....achja, es war ein Veilchenstoff.
Edeltraud, schau doch mal im Lager nach, irgendwas mit Blümchen oder Veilchen hatten wir da noch......
Edeltraud zog ins Lager ab .....um Himmelswillen, der wird doch nicht schon seit "vor" dem ersten Weltkrieg existieren?
Die Schwester der Edeltraud unterhielt mich inzwischen mit der Familiengeschichte......doch bevor sie am Ende war, tönte eine Stimme aus der Küche: "Gerdaaa... biete der Dame mal einen Kaffee an.
Ich habe ihn frisch gebrüht".
Auch das noch - langsam wurde ich nervös....schaute auf die Armbanduhr und gab zu bedenken, daß mein Bus in 30 Minuten fährt.
"Aber ja doch, daß schaffen wir."
Mir war klar, daß ich ohne unhöflich zu erscheinen, aus diesem Laden nicht so schnell rauskommen werde.
Ich gab mir einen Ruck.....wer weiß, wie lange schon kein Kunde bei ihnen war. Ganz brav setzte ich mich auf das angebotene Stühlchen und lernte die ganze Familiengeschichte kennen. Wobei sich Gerda und Edeltraud auch noch stritten, das dieses oder jenes anders war.
Schmunzelnd erlebte ich die Geschichte der Uroma, die die Gründerin gewesen sein sollte und die Vererbung letztendlich bei diesen beiden Schwestern endete.
Der Bus war schon lange weg.....na gut, dann fahre ich eben einen später - es wurden zwei später.
Ich hinterließ meine Telefonnummer, damit man mich anrufen könnte, wenn sie Veilchenstoff gefunden hätten.
Oja, schon am nächsten Tag klingelte das Telefon.
"Veilchen sind es nicht, aber doch sehr hübsche blaue Blümchen...."
Ich versprach vorbeizukommen, tat es auch und die Kaffeerunde fing von vorne an.
Zumindest waren wir dann schon in der Familiengeschichte bei Mutter und Vater angekommen.............
Die beiden alten Damen erfreuten sich an meinem Erscheinen, ich konnte nicht anders und blieb sitzen.
Doch der Stoff gefiel mir wirklich nicht.
Also, bitte weitersuchen!
Ich nehme an, sie waren den ganzen Tag damit beschäftigt, einen Stoff mit Veilchen-Muster zu finden. Oder vielleicht haben sie auch ihren alten Vorrat mal sortiert oder ausgemistet.
Beim dritten Anruf war es mir zeitlich umöglich vorbeizukommen, doch nach dem Vierten ging ich hin.
Berge von Blümchen-Stoffen lagen auf der Theke.....ich brach fast zusammen. Ein "Veilchen" war nicht dabei, doch jede Menge Blümchen und ich zeigte auf einen, der mir gefiel, aber keine Verwendung dafür hatte.
Ich nahm ca. 2 Meter davon, verwendete ihn als Gardine und somit war allen geholfen.
Die beiden alten Damen stellten ihre Kasse mit den Zahlen ein, drehten die Kurbel, es machte "pling", das Schubfach sprang auf.....ich hatte genug Kleingeld dabei.
Nach diesem "historischen Kauf" besuchte ich die Beiden immermal wieder, nicht um was zu kaufen, sondern nur um sie zu besuchen.
Doch eines Tages las ich die Todesanzeige von Edeltraut und zwei Jahre später folgte Gerda ihr.
....nun stehen die Veilchen noch immer ungenutzt am Wegesrand und das Veilchen-Kleid gab es nie.
mit blühenden Grüßen
euer Moni-Finchen





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Kommentare (5)

Syrdal

...dass es diesen alten Laden noch gibt. Ach ja, finchen, gehe nur bald hin und erzähle dort Deine schöne Geschichte... Wirst sehen, es ergibt sich daraus eine neue, ganz aktuelle Geschichte, sozusagen ein "Fortsetzungsroman", auf den wir hier alle gespannt sein dürfen.
lg
Syrdal

finchen für Deinen Kommentar und Du wirst es nicht glauben, den Laden gibt es immer noch. Vermutlich einer der weitläufigen Erben - muß doch nochmal reingehen.
Mit lieben Grüßen
das Moni-Finchen
Syrdal

Das ist eine herzige Geschichte... nur schade, dass es in dem verstaubten Laden der beiden alten Damen partout keinen Veilchen-Stoff gab. Dennoch aber hast Du mit Deinen wiederholten Besuchen, mit dem Zuhören und letztlich auch mit dem Kauf einer Blümchen-Gardine die alten Schwestern Edeltraut und Gerda ganz gewiss glücklich gemacht. Und das alleine zählt
meint - Dich herzlich grüßend -
Syrdal
finchen nach 50 Jahren, also Goldene Konfirmation, trafen wir uns an dem Ort, an dem wir alle gemeinsam zur Schule gegangen sind. Eine war nicht auffindbar, eine war verstorben und eine kam sogar aus Kananda, zwecks Klassentreffen und Mutters Geburtstag - das fast gesamte Programm von 17 minus 3 Schülerinnen hatte sich eingefunden. Das war ein Spaß - wir stellten uns wieder gegenseitig vor. Und unsere betagte Bio- und Chemie-Lehrerin war auch dabei. Die mochte ich besonders gern, und nach einigen erzählten Begebenheiten, glaubte sie auch, an mich zu erinnern.Es war ein wunderschöner Tag!!!!
3 Tage blieb ich noch bei einer Freundin und jeden Tag fand irgendwo bei irgendwem etwas anderes statt.
Herrlich, nach so viel Jahren wieder miteinander zu quatschen, ein Heidenspaß.
Zwei davon, die in München wohnen, besuchen mich ab und zu.
Und dann gibt es wieder die "neuesten Nachrichten".
Sei lieb gegrüßt und leier die Geschichte nochmal an.
Dein Moni-Finchen
nnamttor44 hast Du geschrieben Finchen!! Aber so kann's gehen.

Vor drei Jahren konnte ich nach vielen Telefonaten 18 Mitschülerinnen und unsere Klassenlehrerin 50 Jahre nach unserer Schulentlassung ausfindig machen. Als wir uns trafen, war auch die Einladung an unserer Klassenlehrerin gegangen. Sie wollte so gern dabei sein, aber sie hat es nicht geschafft, die eigenen Notizen zum Treff-Lokal und meinen Brief mit alle Angaben umzusetzen. Damals war sie bereits 83 Jahre und erzählte mir am Telefon, sie flöge noch regelmäßig nach Namibia, wo sie ehrenamtlich Hilfe leistete.

Für dieses Jahr ist das nächste Treffen geplant, aber nun erhielt ich ihre Sterbenachricht, wir werden uns wohl ohne sie wieder treffen ...

Dir einen lieben Gruß sendet

Uschi

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