Nach Orplid und zurück ins Heimatliche



[color=red][i]Pardon - ... hier wird jetzig ergänzt und korrigiert...![/i][/color]












[right][indent]Bild © by AST Rey....[/indent]
[/right]





[i]Ob's gefällt ... zu lesen und zuzuhören?[/i]



[i]Zur Eröffnung des uralten Sehnsuchts-Themas - ein schön-altes Lied von der immerjungen Stimme [b]Lotte Lehmanns[/b]?[/i]


[b]Lotte Lehmann[/b]sang 1941 (in der Vertonung von Hugo Wolf): "Gesang Weyla’s" (“Song of Weyla”):


[url=http://www.youtube.com/watch?v=VsLom87wGiE]Lotte Lehmann ...[/url]

[i](Zur Information: Liederfolge 1. „Gesang Weyla's“.[size=8](Weitere Gesänge in dieser Aufnahme: 2. Mörikes "Verborgenheit"; 3. Geibels "Wer tat deinem Füsslein weh". (Aus: Spanisches Liederbuch)[/size][/i]


Hinzuweisen auf Abwege von Mörikeana:

[url]http://stephanus-feuerreiter.blogspot.de/search?updated-min=2011-01-01T00:00:00-08:00&updated-max=2012-01-01T00:00:00-08:00&max-results=2[url]


[right]Ein Orplid-Band der "Insel-Signatur".

Die Illustration vermittelt aber einen falschen Eindruck,
da Orplid eine unbewohnte Insel mit Naturgöttern war,
die die irdisch relevanten Kräfte
[color=navy]Meteorologie, Klima, kulturelle gestaltende Kräfte, Landschaft, Erdbewegungen [/color]
als eine Ur-Erde, eine [i]Gäa[/i], symbolisieren sollte.
[/right]




[center][color=red][b] Ich stelle hier Original-Orplid-Texte von Mörike und seinem Freund Ludwig Bauer vor; ebenso Würdingungen, Erklärungen und Gedichte, weil der Begriff „Orplid“ den literarsichen Urgrund der Freundschaft um 1826 von theologisch fundierten Dichtern verlassen hat, topisches Gemeingut bei Dichtern und Ursprungsdenkern wurde; und eine bestimmte poetologische, meist naturlyrische Tradition hat in der Dichtung seit Mörike, seit dem Ur-Orplid-Gesang mit dem "Gesang Weylas".[/b][/color]
[/center]


[b]Folgende überlieferten Zeugnisse geben Auskunft über den Orplid-Mythos der Freunde.[/b]

[i]Ich stelle hier nur Mörikesche Texte (Lyrik, Brief, Aufzeichnung...)ein; nicht die Theaterstücke, die man anclicken kann im Internet.[/i]

[url=http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1864&kapitel=1#gb_found]Mörikes "Maler Nolten" mit dem Theatspiel "Der letzte König von Orplid"[/url]


[color=teal][b]* Eduard Mörike: "Gesang Weyla's"

* Eduard Mörike: "Ich hatte einen Freund..." (undatierte Aufzeichnung)

* Ludwig Bauer: Brief an Eduard Mörike (27. 6. 1826)

* Ludwig Bauer und Eduard Mörike: Aufzeichnungen über »Orplid«

* Eduard Mörike: "Der letzte König von Orplid". Ein phantasmagorisches Zwischenspiel aus "Maler Nolten"

* Ludwig Bauer: "Der heimliche Maluff"

* Ludwig Bauer: "Orplids letzte Tage"

* Eduard Mörike: "Märchen vom sichern Mann"

[url=http://www.zeno.org/Literatur/M/M%C3%B6rike,+Eduard/Gedichte/Gedichte+(Ausgabe+1867)/M%C3%A4rchen+vom+sichern+Mann]"Das Märchen vom sichern Mann"[/url]

Ludwig Bauer: Breif an Eduard Mörike (26./27.12.1825)

Ludwig Bauer: Brief an Eduard Mörike (16.8.1826)[/b]
[/color]

* ~ *

[b]... auf der Suche nach einer ökologisch-sprachlichen, gott-gesicherten Heimat: Mörikes und seiner Freunde Traumland[/b]


Die Entwicklung des Jugend- und Poetentraumes als Insel [color=teal]Orplid[/color] vollzog sich im Feundeskreise Mörikes ab Herbst 1822.

Nach vierjähriger Schulzeit in Urach, begann für Eduard Mörike im Alter von 18 Jahren die dritte Etappe, ja gewiss die prägendste und erlebnisstärkste, in seiner Erziehung zum württembergischen Landpfarrer: Das Theologiestudium im "Evangelischen Stift" in Tübingen.

Mörikes Leistungen waren wieder mangelhaft. Vorschriften beachtete er kaum, was letztendlich dazu führte, daß er viele verhängnisvolle Strafen auf sich nehmen mußte. Mörike beeindruckte dies wenig. Er ging mit einem neuen Freund Ludwig Amandus Bauer spazieren , zog sich mit ihm in ruhige Winkel zurück. Dann flüchteten sich die zwei Freunde in ein erdichtetes Land der Sehnsucht, dem sie den Namen "Orplid" gaben.

Im Herbst 1822, nach vierjähriger Schulzeit in Urach, die mit dem Abitur endet, begann für Eduard Mörike im Alter von 18 Jahren die dritte Etappe, ja gewiss die prägendste, in seiner Erziehung zum württembergischen Landpfarrer: Das Theologiestudium in Tübingen. Seine Leistungen waren wieder mangelhaft. Vorschriften beachtete er kaum, was letztendlich dazu führte, daß er viele verhängnisvolle Strafen auf sich nehmen mußte. Mörike beeindruckte dies wenig. Er ging mit einem neuen Freund Ludwig Amandus Bauer spazieren, zog sich mit ihm in ruhige Winkel de Umgebung zurück.
Dann flüchteten sich die zwei Freunde in ein erdichtetes Land der Sehnsucht, dem sie den Namen "Orplid" gaben.
Sie stellten sich nicht nur eine traumhafte Insel im Unerreichbaren vor, die sie in ihrer Phantasie bevölkerten, mit Göttinnen und Göttern, Elfen und Kobolden – und einer Hauptgottheit, die für die Entstehung der Welt ursächlich und herrschaftlich war: eiem Vater-ErRsatz.

Sie träumten, dichteten und lebten in dieser Freundes- und Phantasiewelt, die zum „Sinnbild für die Sehnsucht nach Weite, Geheimnis und Abenteuer, nach paradiesischer Ursprünglichkeit" erklärten – nach Freiheit.

Die lyrische Selbstbespiegelung und die naturnahe, von versteckt homosexuellen Freundschaftsstimmungen geprägten Gefühle (zeitweilig eines Dreier-Freundesbundes) führten zu immer neuen Vertrauensbeweisen und Misstrauens-Intuitionen.
Die magische Findung [b]Orplid[/b] - als [b]Flucht[/b] vor dem nahen Entsetzen der geistlichen Ausbildung bzw. pastorale Verpflichtung (von Mörike "Vicariatsknechtschaft" genannt) und als [b]Idylle[/b] der Sehnsucht - war eine doppelte Wirklichkeit und Entwicklungstäuschung, die der Seelentröstung diente, nicht Blickerweiterung ins Weltläufige und Kosmopolitische.

[i]Schwärmen[/i] und [i]Schwären[/i] waren zwei Seite einer besonderen, poetisch bereiten Seelenfähigkeit, einer psychisch extrem offenen Intuition.

1825 und 1826 verfassten Mörike und sein Freund Ludwig Bauer eigene vollständige Orpliddichtungen.

Solche Orplid-Imaginationen tauchen dann später in anderen Werken Mörikes wieder auf.

Andere deutsche Lyriker haben die Orplid-Chiffre aufgenommen - als poetische Utopie.


[b]Der Text des Ur-Gedicht:[/b]

[b][i]Eduard Mörike:
Gesang Weyla’s[/i]
[/b]
Du bist Orplid, mein Land!
Das ferne leuchtet;
Vom Meere dampfet dein erwärmter Strand
Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.

Uralte Wasser steigen
Verjüngt um deine Hüften, Kind!
Vor deiner Gottheit beugen
Sich Könige, die deine Wärter sind.
*
[i]Eduard Mörike: Gedichte. Stuttgart / Tübingen 1838, S. 190. [Erstdruck][/i]

*
[i]Neudruck:
Eduard Mörike. Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Hans-Henrik Krummacher, Herbert Meyer und Bernhard Zeller. Bd. 1. Stuttgart 2003, S. 102.
[/i]
*
[img]http://www.weltbild.de/media/ab/2/013/939/013.939.530.jpg[/img]


[i]Der Originaldruck des Gedichts von 1832[/i]

[url=http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_M%C3%B6rike]Informationen über Eduard Mörike[/url]

[url=http://www.lyrik-und-lied.de/ll.pl?kat=media.show∅=1&id=102 ]De Originaldruck[/url]

[b]Eduard Mörike
[i]Ich hatte einen Freund[/i][/b]


[b]Ich hatte in der Zeit, da ich noch auf dar Schule studierte, einen Freund, dessen Denkart und ästhetisches Bestreben mit dem meinigen Hand in Hand ging; wir trieben in den Freistunden unser Wesen miteinander, wir bildeten uns bald eine eigene Sphäre vom Poesie, und noch jetzt kann ich nur mit Rührung daran zurückdenken. Was man auch zu dem Nachfolgenden sagen mag, ich bekenne gern, damals die schönste Zeit meines Lebens genossen zu haben. Lebendig, ernst und wahrhaft stehen sie noch alle vor meinem Geiste, die Gestalten unserer Einbildung, und wem ich nur einen Strahl der dichterischen Sonne, die uns damals erwärmte, so recht gülden, wie sie war, in die Seele spielen könnte, der würde mir wenigstens; ein heiteres Wohlgefallen nicht versagen, er würde selbst dem reiferen Manne es verzeihen, wenn er noch einen müßigen Spaziergang in die duftige Landschaft jener Poesie machte und sogar ein Stückchen alten Gesteins von der geliebten Ruine mitbrachte.
Doch zur Sache. Wir erfanden für unsere Dichtung einen außerhalb der bekannten Welt gelegenen Bö den, eine abgeschlossene Insel, worauf ein kräftiges Heldenvolk, doch in verschiedene Stämme, Grenzen und Charakterabstufungen geteilt, aber mit so ziemlich gleichförmiger Religion, gewöhne haben soll.

Die Insel hieß [i]Orplid[/i], und ihre Lage dachte man sich in dem Stillen Ozean zwischen Neuseeland und Südamerika. Orplid hieß vorzugsweise die Stadt des bedeutendsten Königreichs: sie soll von göttlicher Gründung gewesen sein und die Göttin Weyla, von welcher auch der Hauptfluß des Eilands den Namen hatte, war ihre besondere Beschützerin. Stückweise und nach den wichtigsten Zeiträumen erzählten wir uns die Geschichte dieser Völker. An merkwürdigen Kriegen und Abenteuern fehlte es nicht. Unsere Götterlehre streifte hie und da an die griechische, behielt aber im ganzen ihr Eigentümliches; auch die untergeordnete Welt von Elfen, Feen und Kobolden war nicht ausgeschlossen.

[i]Orplid[/i], einst der Augapfel der Himmlischen, mußte endlich ihrem Zorne erliegen, als die alte Einfalt nach und nach einer verderblichen Verfeinerung der Denkweise und der Sitten zu weichen begann. Ein schreckliches Verhängnis raffte die lebende Menschheit dahin, selbst ihre Wohnungen sanken, nur das Lieblingskind Weylas, nämlich Burg und Stadt Orplid, durfte, obgleich ausgestorben und öde, als ein traurig schönes Denkmal vergangener Hoheit stehen bleiben. Die Götterwandten sich auf ewig ab von diesem Schlauplatz, kaum daß jene erhabene Herrscherin zuweilen ihm noch einen Blick vergönnte, und auch diesen nur um eines einzigen Sterblichen willen, der, einem höheren Willen zufolge, die allgemeine Zerstörung weit überleben sollte.
[/b]

*

[i]ICH KANN NACHTRAGEN:

Mit diesen Sätzen kündigt auf einem Hoffest der Schauspieler Larkes in „Maler Nolten“ (einer „Novelle in zwei Teilen“, wie E. M. es nannte, die Aufführung des Schattenspiels „Der letzte König von Orplid“ an, als ein „phantasmagorisches Zwischenspiel“.[/i]


Vgl. den Textzusammenahng in "Maler Nolten":

[url=http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=5&xid=1864&kapitel=13&cHash=1&hilite=Freistunden#gb_found ]Text im Zusammenhang des „Maler Nolten“[/url]


Larkens, als Prototyp des Künstlers spricht hier stellvertretend für den Dichter Mörike selbst, der darin ein persönliches Bekenntnis ablegt und mit autobiographischer Treue die Entstehung des Mythos schildert.
Der Freund heißt natürlich Ludwig Amandus Bauer, der sofort nach dem Studium in Tübingen Pfarrer in Ernsbach wurde und dessen Freundschaft mit Mörike nicht zerbrach, aber stark reduziert wurde durch die folenden, familiären und beruflichen Verpflichtungen.

Zu einer Belebung der gemeinsamen Jugendphantasie von [b]ORPLID[/b] kam es nicht mehr.

Bauer starb früh, 46-jährig, 1846. - Mörike gab 1847 seine Schriften heraus.

* ~ *

[b][i]Heinz Schlaffer[/i] als moderner Literaturwissenschaftler auf den Spuren nach [i]Orplid[/i]:
[/b]

Aus dem Essay: „Zauberfaden, luftgesponnen“:


(…)Damit diese Erfahrung des Wunsches, der Angst und des Verzichts zu Poesie, zu Mörikescher Poesie werden konnte, bedurfte es einer Umgebung, die diesen Traumgewinn und Realitätsverlust mit ihm teilte und in einer privaten Mythologie fortspann. Solche Mitdichter fand Mörike unter den Freunden im Tübinger Stift, die wie er Theologie studierten, aber von Dichtung und Erdichtung lebten, vor allem Wilhelm Waiblinger und Ludwig Amandus Bauer. Sie kannten das „Geheimnis“ und erfanden gemeinsam die Figuren, unter deren Namen es Mörike in einem Werk versteckt und enthüllt: Peregrina, Ulmon, Thereile, Wispel, der sichere Mann. Auch sie bewohnen das Fantasieland Orplid, das Mörike im Gesang Weylas beschwört:

[b]Du bist Orplid, mein Land!
Das ferne leuchtet;
Vom Meere dampfet dein besonnter Strand
Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.
Uralte Wasser steigen
Verjüngt um deine Hüften, Kind!
Vor deiner Gottheit beugen
Sich Könige, die deine Wärter sind.
[/b]
So rühmt Weyla, eine Göttin, ihr Land, die Insel Orplid, auf der als Letzter ein tausendjähriger König lebt, der von seinem Leben und seiner Liebe zu einer Fee befreit sein möchte. Diesen Mythos, den Mörike und seine Freunde in Improvisationen, Briefen, Gedichten, Dramen und Erzählungen immer weiter ausspannen, wird man in keinem Lexikon der Mythologie finden. Und doch ähnelt dieses Fantasieprodukt Tübinger Studenten, mehr als die klassizistischen und romantischen Reprisen griechischer oder germanischer Göttergeschichten, dem echten Mythos. Wie dieser ist er von einer Gemeinschaft erfunden, läuft nur mündlich um und und verändert sich im Lauf der Zeit. Als Mörike dem „Sichern Mann“, einer der orplidischen Figuren, die endgültige Gestalt einer Verserzählung gibt, bemerkt David Friedrich Strauß den Unterschied zwischen dem publizierten Gedicht und seiner mündlichen Vorform. Mörike rechtfertigt sich: „Es kann wohl sein, dass ich die Sache früher etwas anders erzählte, indessen weißt Du ja, mein Lieber, wie sich ein Mythos im Lauf der Zeit bald besser, bald schlechter formiert.“ (Strauß hatte als Erster die Evangelien als Mythen über das „Leben Jesu“ interpretiert.)

Da Mythen im Unterschied zu Texten sich wandeln, können sie private und kollektive Erfahrungen in sich aufnehmen und in eine anschauliche Erzählung überführen, die das Banale der Wirklichkeit verzaubert und die Last des Erlebten erleichtert. In der poetischen Fantasie von Orplid und dem Schicksal seiner Bewohner ließen sich Studentenscherze, Spott auf die Tübinger Kleinbürgerwelt, jugendliche Träumereien und unglückliche Liebschaften unterbringen.
Orplid ist der poetische Traum von einer mythischen Welt, in der missglückte Liebe bereits zu einer uralten Geschichte geworden wäre. Von Peregrina wird in den gleichen magischen Formeln gesprochen – „Als ginge, luftgesponnen, ein Zauberfaden / Von ihr zu mir, ein ängstig Band“ – wie von den Königen, Geistern und Flüssen der imaginären Insel. (…) [© DIE ZEIT 13.05.2004 Nr. 21]

http://www.zeit.de/2004/21/L-M_9arike?page=all



* ~ *

[b]Dr. Owlglass
[i][d.i. Hans Erich Blaich]:
Eduard Mörike in memoriam[/i][/b]

Im schwäbischen Gau war’s, oben auf der Alb.
Und spät am Abend.
Durch den Buchenwald,
Durch Wiesen und durch erntereife Felder,
Durch Tannenforst, vorbei an Raps und Klee,
Stiegen wir auf zum alten Römerstein
Und auf zum balkenschwanken Luginsland
.. Und standen endlich tief eratmend oben.

Ein letzter falber Schein zerfloß im Westen.
Die Wälder rundum lagen dunkelblau;
Und nordwärts dehnte sich das Neckartal.

Hoch über uns schwamm eine lichte Wolke.
Drei Sterne oder vier zuckten am Himmel;
Und war ein Raunen wie von tiefen Quellen.
Weitab, aus einer grauen engen Schlucht,
Klagte das Käuzlein... schwieg ... und klagte wieder.
................................................................
Da fiel mir, was körperhaft und schwer.
Ich schwebte frei und saß in blanker Luft,
Und eine liebe, leise Stimme sang:
Du bist Orplid, mein Land, das ferne leuchtet...
*
[i](Aus: Freistatt. 6. Jg. 1904. S. 678)[/i]

* ~ *

[b][i]Kurt Messow:
Der Pfarrer[/i][/b]

Nicht vorzuglänzen war dein keuscher Wille,
Und deine süße Freundin war die Stille
Vischer

Ich ging, dem Pfarrer Veilchenzier auf silbernem
Gefäß zu bringen. Auf der Schwelle ließ ich sie.

Ein Pilger trat ich in des Stillen Stubentür,
Des kaum Geheilten von Begehr und Glaubensnot.
Ich traf ihn bei der Lampe vor der Bücherwand
Und bei Tibull, Anakreon und Theokrit.
Er übertrug ein Kunstgebild der echten Art
Und heiligen Maßes, während ihn der Gott bestürmt.

Von Steinen war er, von Geräten auch umstellt,
Vom Väterschrank mit dem umlaubten Goethekopf,
Vom ausgedienten Turmhahn auf dem Ofensims.
Er holte mir den gilbenden, den Nolten vor:
Er ringe nach Vollendung mit dem Jugendwerk,
Die Reife zu vermählen mit dem Gärenden.

Wer sitzt im Knappensattel auf der Jagd und mit
Dem Feuerreiter auf dem rippendürren Tier?
Wer führt den Wagen mit dem Musensohn gen Prag
Und gen Orplid das Fackelboot zum Weyladienst?
Wer spiegelt sich im blauen Topf der Nixe Lau
Und an Erinnas Nardentisch im Morgenglanz?

Und später fand ich im verborgnen Bürgerhaus
Den von ersehntem Eheband Gedrosselten.
*
[i](Aus: K. M.: Wie das Wort so wichtig dort war. Berlin 1957. S. 39)
[/i]

* ~ *


[b]Karl Fuß:
Mörike
[/b]
So seh ich Dich im Gartenwinkel liegen:
Lang hingestreckt ins grüne Gras am Rain,
wo sich die dunklen Efeuranken schmiegen
an Kirchleins altverwittertes Gestein,
und sich die hellen Lindenwipfel wiegen
in Himmelsblau und Sommersonnenschein.
Da, Dichter, schwebst du durch die weiten Räume
hin nach Orplid, dem Wunderland der Träume.

Die Grille zirpt, die goldnen Aehren wogen,
im Laube kocht das erste Rebenblut;
der Turmhahn zwischen Mauerwerk und bogen
sonnt sich behaglich in der Strahlenluft,
und durch die Lüfte kommt es angezogen
wie süßer Duft von Heu und Sonnenglut -
So, an des Sommertages goldnem Bande
entfliehst du selig in des Dichters Lande.
*
[i](Aus: Bunte Ernte. Unterhaltungsbeilage zum Schwäbischen Merkur. Stuttgart 1921. Nr. 382 vom 20.8.1921)
[/i]

* ~ *

[b]Fritz von Ostini:[/b]
[i]Zum 100. Geburtstag Eduard Mörikes
8. September 1904[/i]

Ich fühle mich befangen schier und schüchtern
Bei Deinem hundertsten Geburtstagsfest,
O Mörike! Wahrhaftig nicht, weil nüchtern
Und unbegeistert mich dies Datum läßt!
Nein! Au contraire! Nur darum tönt gedämpft
Die sonst so scherzhaft angehauchte Leier,
Weil sie in tiefster Brust bei dieser Feier
Mit stiller Ehrfurcht und mit Rührung kämpft!

Ich grüß Dich, Du Dichter höchster Reinheit,
Du Meister concentrierter Poesie,
Noch weniger gebändigt von Gemeinheit,
Als Schiller war - und dieser er es nie!
Aus engstem Kreis erwuchsen massenhaft
Motive Dir und Schönheit und Erkenntniß;
Vereint war sinniges Naturverständnis
In Dir mit Phantasie von seltner Kraft!

Gestalten, die in Letzterer entstunden,
Sie wurden Dir, wie Wirkliche, vertraut -
Drum liest sie Alles, was Du frei erfunden,
Als hättest Du persönlich es geschaut.
Ach, Deine Muse war in goldnem Haar
Ein Feenkind - ich glaube immer fester,
Daß sie des V o l k l i e d s Base und die Schwester
Von Meister Moriz S c h w i n d e n s Muse war!

Zugleich bedeutend und doch harmlos immer,
Quellklar und nie gespickt mit Phrasendunst,
So war Dein Lied, voll Glanz und Farbenschimmer,
Kunstlos sich gebend, aber feinste Kunst!
Selbst beim Gebrauche der antiken Form -
Zum Beispiel jenes Metrums mit sechs Füßen -.
Fehlt’s Dir am goldnen Wohllaut nicht, am süßen,
Und auch natürlich bleibst Du da enorm!

Gar manchmal klingt ein Hauch in Deine Dichtung
Aus jener Zeit, die meinen Namen führt,
Der sogenannten B i e d e r m a i e r r i c h t u n g -
Doch wird er nie als philiströs verspürt!
Das Beste nur, was damals uns erblüht,
Hast du bewahrt, Behaglichkeit im Kleinen,
Gemessene Freude am ästhetisch Feinen
Und ein naives, freundliches Gemüth!

Und Dein Humor! O! Der ist einfach goldig!
Zum Beispiel in der Mär vom sichern Mann,
Vom Hutzelmännlein, welches schlau-koboldig
Dem Schustersepp das Vronele gewann;
Und ferne in dem Bodensee-Idyll,
Im Dialog von „eingemachten Gurken“ -
Den nenn’ ich einen ausgemachten Schurken,
Der Dir die Palme da bestreiten will!

Das Wort - bei Andern meist gar unverdaulich! -
Von Heimathkunst - auf Dich paßt’s unbedingt,
Durch dessen edles Hochdeutsch oft so traulich
Ein sanfter Hauch von echtem Schwäbisch klingt!
Dann hebst Du wieder herrlich Dich empor,
Zu Höhn’n, die auch kein Goethe überklettert,
Daß Einer, der in Deinen Werken blättert,
Zu blicken glaubt durch schöner Welten Thor!


Und Eines noch: So flüssig und behende
Dein Versfuß eilte, hast Du dennoch blos
Nur wenig Bändchen und nicht dreißig Bände
Veröffentlicht - doch die sind tadellos!
Das Wenige, was man von Dir besitzt,
Ist pures Gold. - Und als die Last der Jahre
Dich beugte, hast Du nur in Töpferware
Zuletzt noch muntre Sprüchlein eingekritzt!

Der Mann, der also seine Muse schonte,
Erstrahlt uns d’rum auch jetzt noch, wie ein Stern,
So daß auch Hugo Wolf Dich oft vertonte -
Und der ist doch wohl ganz und gar modern!
Ja, eigentlich wird heute erst Dein Lied
Auch einem breitern Publikum verständlich -
Als Hundertjährigen schätzt man Dich endlich
Nach vollem Werthe, Sänger von Orplid!

So bleibe denn in Deiner lichten Klarheit,
die jede Seele von Geschmack erfreut,
In Deiner Wahrheit, Lauterkeit und - Rarheit,
Ein Vorbild für die Dichterwelt von heut’!
Sag’ ihr: Dem Mann von Genialiät
Gebricht es nie an Anerkennung schließlich -
Nur warten können muß er unverdrießlich,
Denn manchmal grünt der Lorbeer etwas spät!
.... Biedermeier mit ei –
*
[i](In der Zeitschrift "Jugend". 9. Jg. 1904. Nr. 37. S. 746)[/i]

*

[b]Gottfried Benn:
[i]Nur noch flüchtig alles[/i][/b]

Nur noch flüchtig alles,
kein Orplid, keine Bleibe,
Gestalten, Ungestalten
abrupte mit Verkürzung.

Serge Rubinstein
zwei Millionen Dollar
auf schmale. breite, strenge
zahnschöne, hell- und schmieräugige
Ladies, Stepgirls, Barvamps
umgelegt, das Leukoplast über dem Rüssel,
als er erwürgt wurde,
auf Fingerabdrücke untersucht,
ergab keine Anhaltspunkte.

Nur noch flüchtig alles -
nun die Anden:
Ur, verrunzelt, nichts für Geodäten,
a-nousisch
a-musisch
Randwelt
fortsehn -
gebt Steckrüben!
gebt Knollenhumus!

gebt Gottesliter,
Höllenyards,
gebt Rillen
einzuhalten,
aufzuhalten
einnisten möchte man schreien -
nichts -
gebt Rillen!
Nur noch flüchtig alles
Neuralgien morgens,
Halluzinationen abends
angelehnt an Trunk und Zigaretten

abgeschlossene Gene,
erstarrte Chromosomen,
noch etwas schwitzende Hüfte
bei Boogie-Woogie,
nach Heimkehr dann die Hose in den Bügel.

Wo schließt sich was,
wo leuchtet etwas ferne,
nichts von Orplid -
Kulturkreis:
Zahl Pi mit Seiltricks!
*
[i](G. B.: Gedichte in der Fassung der Erstdrucke. Frankfurt/M.: 1982: Fitabu 5231. 464f.)[/i]


* ~ *


[b]Peter Gan:
[i]ORPLID[/i][/b]

Liegt wo ein Nebelland in blauer Ferne,
das keiner kennt;
blühn über seinen Bergen blasse Sterne
am Firmament.

Wagt wo ein Schiff die Fahrt, und wogt, und landet
am fremden Strand.
Die Ankerkette klirrt, das Wunder strandet:
nun ist's bekannt.
*
[i](Aus: P.G.: Die Neige. Gedichte. Zürich 1961: Atlantis Verlag. S. 26)[/i]


* ~ *

[b]Rolf Heuer:
[i]orplid
[/i][/b]

land zwischen den wolken
land zwischen den gräben
und gräbern: orplid
land
zwischen den wolken aus rauch
land
zwischen den wolken aus rauch aus den gräbern
aus niemandes gräbern
in niemandes land
land
unter niemandes wolken
*
[i](Aus: Primanerlyrik - Primanerprosa. Hg. v. Armin Schmidt. Mit einem Vorwort von Peter Rühmkorf. Reinbek/Hamburg 1965. S. 69)
[/i]

Novität:
Joan Landauskehr
(1998 - 2038):
Weylas Antwort
Fenster von Orplid hinaus ins Weite

Ein Nach-Gedicht

Ich bette auf
da sind sie ja
die weiland hohen Fenster
fünfte Etage in dem fremden Zeppelin
von der Wache aus nur Hammel
die dunkle Wolkenwand die heller wird
der menschliche Rand ins Regenfeurige
in klarer Entfernung darüber
fast weyla-blau

So gemächlich langsam flagge ich
so hoch sind die Fenster
ich könnte ein heimsche Stadt sein
und Ludwig und Amandus lassen es geschehen
dass sie der Tod mir raubt
why könnte ich glauben
die Freundschaftsbrust ließe sich
stillen.

Es gibt kein [i]-plid[/i] ohne ein [b]Or-[/b].

[url]http://kommentare.zeit.de/commentsection/url/2008/50/KA-Gedicht-50#comment-245911[/url]

* ~ *


[i]Das neueste Orplid-Gedicht, das ich fand:
[/i]
Stephanie Langen-Vorberg
Orplidwärts
(Nach Mörike und Bauers Träumerein)

Daweilumzu
nachts
im Fahllicht
die Bildschirme einfallen
und
die Stimmen
in den Fasthäusern
lauter werden,
da die Pfarrherren
die Motoren aufheulen
und anhalten lassen,
PeterPaulAngelusAngela zu läuten,
und alte Augen
an den festlichen Vorhängen
ihre Opferungen
für die Nacht
auszusprechen wagen,
wenn die Bilderchen
von Derrick & Co
leergesoffen sind
das Gebetbuch
und der Schal verlegt sind,
hilft der Wind,
sich zu ersäuften
in Erbärmde
die Eier im Likör
sich berauschen
und es bekümmert ihn
nicht mehr,
daß mensch
sein Pferdchen mit dem Griffel
zügeln will:
Auf, nach Orplid,
aufauf,
brr-schnauf!

Und schreiben kann:
Zauberfaden,
lustgesponnen,
so zerreißt's
beim ersten Knoten.
*
© [email protected]


Dass jeder Kunstwillige oder Kunstinteressierte oder Künstler, der nach [b]Orplid[/b] gelangen will - oder in ein anderes nichtexistentes, einfach phantasiertes Land will, wie Michael Endes Schüler Bastian, der nach Phantasién sich durchlesen konnte - wieder [i]nach[/i] der Unterhaltung oder dem Kunstgenuss... [b]zurück[/b] muss in seinen Bereich, von wo er flüchtete, ist so natürlich wie künstlerisch, so normal wie existenziell.

Das ist der [b]springende Punkt[/b] der Poesie, für alle Poeten, die im Diesseits bleiben, ob im Erfolg, in schierer Pflicht, ob in gelingender Liebe, ob in psychischem Verzehr verharrend oder weitersuchend.

Auch Mörike hat diesem wandelnden Gesichtspunkt jeglichen Lebens Tribut zollen müssen: [b]Sage und Entsagung.[/b]


[i]Zugabe:
eine Sprachbetrachtung von Punkten: toten, springenden...:
[/i]

[url=http://www.duden.de/deutsche_sprache/podcast/audio/duden_podcast_24_von_dunklen_springenden_und_toten_punkten.mp3]Von 'Punkten' aller Arten[/url]



Zum unterhaltsamen Abschluss der [b]Orplid-Reise:[/b]



[url=http://www.youtube.com/watch?v=ME7XrPjQAP4&feature=related]Zum vorläufigen Abschluss: [b]ORPLID[/b] vom "letzten Ikariden"[/url]

Longtime!

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