Nächtliche Konzerte


Er schnarchte sehr bald beim Einschlafen. Sie konnte so schlecht einschlafen, wanderte zuweilen aus. Er verhielt sich ruhig, unterdrückte das Einschlafenwollen. Er lauschte ob ihres Schnarchens, vernahm es und schlief dann auch ein, schnarchend. So ging das eine lange Zeit – bis, ja bis das Auswandern zur räumlichen Dauertrennung wurde.

Er lag da alleine im gemeinsamen Schlafzimmer. Er konnte nicht schlafen da alleine im großen Raum, neben seiner Schlafstelle die leer gewordene Matratze. Er packte auch sein Bettbündel zog hinauf ins Gästezimmer. Schließlich blieb das Schlafzimmer leer.
Jeder hatte seine eigene Schnarchecke gefunden. Verloren gegangen ist das GuteNachtstreicheln. Verloren auch das Lauschen, wie und ob der Andere schläft. Die Jahre gingen dahin. Das Schlafzimmer wurde zum Gäste- und Hobby-Zimmer ausstaffiert.
Man sparte immer mehr die Unterhaltung ein, das Gemeinsame wurde seltener, bald hatte man sich nichts mehr zu sagen. Die Gemeinsamkeit löste sich auf. Das vermeintliche Zuhause zerstob. ---
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--- Es treffen sich zwei Menschen. Beide fühlen sich frei, frei in einem eigenem Heim, nur für sich alleine ausgestattet. Und, wenn mal Besuch kommt, ist da immer ein Bett für den Gast frei. Beide freuen sich auf den Besuch, für eine Zeit kann man gemeinsam Leben und Erleben. Geborgte, geschenkte Zeit.

Ein ganz großes Geschenk bringt der Besuch mit sich. Das Schnarchen stört niemanden, so laut es auch sein mag – im Duett klingt es wunderbar. Und das GuteNachtstreicheln? Wer entzieht sich dem?

Ein Wechselspiel hat sich aufgetan: drei Wochen für eine Zeit das Treffen hier und dann folgende drei Wochen für eine Zeit das Treffen da. Dazwischen aber liegen immer drei Wochen, die jeder für sich in seinem Umfeld herrschen und sich besinnen kann. Jeder hat sein Reich, hat den genügenden Abstand und Freiraum, jeder teilt mit dem Anderen Sehnsucht und Vorfreude, Fantasie beflügelt die Gedanken und Träume bis zum Wiedersehen.

Gemeinsames gibt es schon: Jeder hat die BahnCard50, oder die Beschaffung der 29Euro-Fahrkarte hat wieder funktioniert, an jedem Standort gibt es für jeden ein Fahrrad, jeder hat vor Ort sein Waschzeug und auch Platz für Persönliches – das Reisegepäck ist geringer geworden. Der Abstand sind fünf Stunden mit dem Auto oder fünf Stunden im ICE ohne Umsteigen – wie toll sind sie in der Anreise, wie wehmütig bei der Rückreise. Das Handy und die Flatrate sind gute Partner zwischen den Schnarchphasen.

Es will wohl funktionieren, er hatte sich in der Dienstzeit angewöhnt, Geräuschpegel automatisch zu senken, solange sie als bekannt und "normal" einzustufen sind, wird wach, wenn da was nicht stimmt oder das Schnarchen der Partnerin aussetzt, sie war genügend schwerhörig, daß sein Schnarchen ebenso wenig stört wie das ihrige.

Man kann also friedlich miteinander leben, auch wenn es Nachtkonzerte gibt. Und das Pendeln funktioniert schon ein ganzes Jahr reibungslos. Also satteln wir wieder die Hühner zum Treffen zu Pfingsten.

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