Sylvias Idee

Irgendwie auffallend war die elegant gekleidete ältere Dame schon. Nicht allzu aufdringlich, aber ihr Outfit hob sich doch etwas von den anderen Passanten ab. Das fiel auch Sylvia auf, die auf ihren Freund Tom wartete und Zeit zum Herumschlendern hatte. Irgendwo hatte sie die ältere Dame schon einmal gesehen, aber wo? Sylvia fing an, die feine Dame aus gebührendem Abstand intensiver zu beobachten. Dabei bemerkte sie, daß die Frau sehr interessiert die Auslagen eines Juweliergeschäftes studierte. Daraus folgerte Sylvia: Die Dame mußte wohlhabend sein. Jetzt fiel Sylvia auch ein, die ältere Dame einmal gesehen zu haben, als sie im Sommer aus einem Nobelcafé kam. Da hatte Sylvia eine Idee . . .

Als Tom auftauchte, eilte sie ihm entgegen und begrüßte ihn mit einem Küsschen. Sie schlenderten Arm in Arm in den nahen Park. Auf einer Bank unterhielten sie sich über Tagesereignisse und schließlich über sich selbst. Sylvia lebte von Harz IV und Tom war mit seinem Job nicht zufrieden: viel Arbeit und wenig Geld. Wie sollte es weitergehen? Sie liebten sich zwar, aber davon kann man nicht leben. Es fehlte an allem. In dieser Situation eröffnete Sylvia ihrem Tom die Idee. Tom staunte, fand aber die Idee gut.

Sie fanden heraus, wie die alte Dame hieß, daß sie sich in einer Anlage für Betreutes Wohnen eingekauft hatte und dort eine aufwendig eingerichtete Wohnung besaß. Beiden wurde klar, daß es hier etwas zu holen gab. Aber wie? Zufällig sah Sylvia die Dame in ein Reisebüro gehen und folgte ihr. Während Sylvia Prospekte studierte, spitzte sie die Ohren und erfuhr, für wann die Dame eine längere Reise gebucht hatte.

Tom klingelte bei der alten Dame und gab sich als Hausmeister-Vertretung aus. Er müsse routinemäßig das Schloß ihrer Wohnungstür und alle drei Schlüssel überprüfen. Das tat er auch unter den Augen der Frau, verstand es aber, einen Schlüssel gegen einen ähnlichen auszutauschen. Weil dieser natürlich nicht paßte, wie sich die Dame selbst überzeugen konnte, nahm er den "fehlerhaften" Schlüssel mit dem Versprechen mit, einen neuen passenden bei der Hausverwaltung zu hinterlegen. Am nächsten Tag verreiste die Dame, die keinerlei Argwohn hegte und sich absolut sicher war, daß in dieser Wohnanlage nichts passieren konnte.

Ein paar Tage später konnten Tom und Sylvia in aller Ruhe die Wohnung inspizieren. Sie fanden einige wertvolle Gegenstände. Einen Schranksafe konnten sie nicht öffnen. Tom schaffte es aber mit einiger Mühe, den ganzen Safe auszubauen. In einem großen Karton transportierten sie ihn ab. Die Wohnung haben sie wieder ordnungsgemäß verschlossen und den Schlüssel in einem Umschlag, versehen mit dem Namen der Wohnungsinhaberin, in den Briefkasten der Hausverwaltung eingeworfen. Im Safe waren einige Papiere, Schmuck und 1500 Euro. Nicht viel Geld, aber für die beiden schon.

Sylvia machte den entscheidenden Fehler (gegen Toms Proteste), ein Elfenbein-Amulett für sich selbst zu behalten. Dieses Amulett fiel der Tochter der alten Dame irgendwann in der Stadt auf und sie rief per Handy die Polizei. Bei der Nachforschung kam alles heraus. Sylvia und Tom brachte das eine empfindliche Strafe ein . . .

Silberhaar

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Kommentare (2)

Silberhaar Hallo, Traute. Ein ähnlich gelagerter Fall vor einigen Jahren in meiner Nachbarschaft hat mich zu diesem Krimi inspiriert. Die Fakten stimmen, ich habe das aber in der Phantasie noch weiter ausgebaut. Wie immer in solchen Dingen: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.
Silberhaar
Traute Unterhaltsam aber auch mit Empörung habe ich Deinen Krimi, gelesen. Er ist so geschrieben, dass man glauben könnte Du erzähltest es aus der Sicht des Erlebten.
Es ist mir unverständlich, dass Menschen die von den Mitmenschen ernährt und gekleidet werden, losziehen um einige von denen, denen sie Dank schulden zu bestehlen betrügen und aus zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Traute

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