Als ich vor rund 25 Jahren die Arbeit an dem Oberschulkomplex in A. begann, hatte ich schon welche Berufserfahrung als Lehrerin. Und es war für viele nicht selbstverständlich, wie ich mit Kindern und Jugendlichen im Kontakt stand; damals waren die meisten Lehrerinnen und Lehrer eher noch echt streng. Es betraf sowohl seine Erwartungen im Bereich der Lernens, als auch des Verhaltens der Schüler. Und die meisten haben die Kinder und Jugendlichen herablassend behandelt. Meiner Meinung nach ging es oft zu weit.

Ich war eine freundliche, und jedoch eine konsequente Lehrerin. Ich war gerne behilflich, sollte eine Schülerin oder ein Schüler Probleme haben. Ich sprach sie immer nur freundlich an; nur wenn ich mit einer Person zu tun hatte, die über mich zu „regieren” versucht hatte, oder meine Unterrichtsstunde kaputt zu machen, da war ich mal kurz unangenehm geworden, um ihre/seine Hoffnungen darauf zu löschen. Es war auch deswegen sehr wichtig, weil sich die meisten Schüler ja in Anwesenheit einer erwachsenen Person sicher fühlen wollen. Eine Lehrerin, oder ein Lehrer, die/der ohne Ende süß bleibt, der/die nicht ruhig entschieden werden kann, hat wahrscheinlich Angst. Vor den Jugendlichen, vor der Schuldirektion, usw. Schlimm.

Anfangs lachten mich meine Arbeitskollegen und -kolleginnen manchmal gutmütig aus, dass so viele Schülerinnen und Schüler so gute Noten im meinem Schulfach haben. Und dass ich mit ihnen freundlich rede. Ich machte mir nichts daraus; ich fühlte mich eine erfolgreiche und einfach begeisterte Lehrerin.

Seit mehreren Jahren begann sich die Situation – und ich weiß, nicht nur hier – zu ändern. Man begann immer mehr von den Lehrern zu verlangen, dafür immer weniger von den Schülern. Und die Schüler, die Kinder und Jugendlichen ja, haben sehr schnell geahnt, dass sie noch weniger Aufwand brauchen würden, wenn es so weiter gehen wird…

Und es ist nun so weit gegangen. Da lässt mich zum Beispiel mein elektronisches Klassenbuch auch dann eine positive Note zum Schuljahresende ausstellen, wenn ein Schüler nur im ersten Semester eine genügende Note hatte, im zweiten dafür nur dreimal Ungenügend, oder gar nichts, denn der Unterricht fand ja anders statt, und die Person hatte sich zu einem ersten Mal erst im Juni gemeldet. So eine Situation hat es gerade bei mir gegeben. Und bei mir wäre da eine genügende Note in dem Fall einfach unmöglich; die könnte auch freilich – mit meiner Hilfe eventuell, mit welch telefonischen Ratschlägen, die ich der Person auch angeboten habe – im August in einer Wiederholungsprüfung verbessert werden.

Das wollte mir aber mein Schuldirektor nicht nur nicht erlauben, sondern er hat mich einfach in die Ecke gestellt – weil der 18-Jährige ihn mit der Klage aufbesucht hat. Ich wurde von meinem Chef telefonisch scharf getadelt – das lässt sich kaum anders nennen – ich, eine Person also, die lange Jahre gearbeitet hatte, ohne einmal zur Rede gestellt werden zu müssen, von den Jugendlichen sehr beliebt – und nicht der schlaue Faulenzer, der seit drei Jahren immer nur knapp in die nächste Klasse kommen konnte. Na dann, habe ich dem Chef gesagt: „Klar, dein Wort ist natürlich entscheidend”, die genügende Note gestellt; dann mich am nächsten Tag bei der Vizedirektorin gemeldet: Aus gesundheitlichen Gründen möchte ich Sie bitten, meinen Arbeitsvetrag nun nicht mehr zu verlängern. „Gesunheitliche Gründe” – das bedeutet einfach, dass ich vor allem die Nase voll habe (das habe ich der netten Dame nicht gesagt).

Weniger Geld also? Nicht unbedingt; ich habe mir bereits einen Online-Job ausgesucht. An etwas aber, das ich nicht mehr eine Edukation nennen kann, will ich nicht mehr beteiligt sein.

Der von mir in meinem Eintrag erwähnte Schüler hat mir eine E-Mail geschrieben: „Ich danke Ihnen für den Vertrauensvorschuss”. Ich ihm darauf: „Glaub mir, eine recht verdiente positive Note schmeckt doch viel besser”.
 


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Kommentare (12)

indeed

Liebe Christine,

das Leben macht wohl vor Niemanden halt, Enttäuschungen einstecken zu müssen.
Wenn eine gewisse Grenze überschritten ist, dann ist es gut, neue Wege zu gehen - soweit man dazu in der Lage ist.

Bleib mutig und hinterfrage nicht diesen Punkt. Du hast dich entschieden und ich denke, du wirst die richtige Entscheidung für dich getroffen haben. 

Alles wird gut und passe gut auf dich auf. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass dein weiterer Lebensweg und neuer Abschnitt dich zufrieden und glücklich macht.

Liebe Grüße von
indeed - Ingrid





 

Christine62laechel

@indeed  

Liebe Ingrid,

deine herzlichen Worte habe ich mit viel Freude gelesen, und sie haben mir einfach gut getan. :)

   Ich möchte auch hoffen, dass ich nun einen richtigen Weg für mich finde, sei es auch nicht ganz leicht. Da war aber mein ganz bisheriges Leben auch nicht nur rosa. Und - was die moderne Pädagogik wohl vergessen (oder nicht gelernt) hat - man muss schon in der Jugendzeit mit Problemen und Schwierigkeiten zurecht zu kommen lernen, nicht immer nur spielen! Das macht stark. :)

MIt herzlichen Grüßen
Christine

Roxanna

Du hast deinen Beruf mit viel Herzblut gemacht, liebe Christine und das allein soll dir in Erinnerung bleiben. Es ist mutig von dir, wenn das nicht mehr anerkannt wird, einen Schlusstrich zu ziehen. Gut ist es zu wissen, wenn es Zeit ist, sich anderen Dingen zuzuwenden. Ganz sicher wirst du es schaffen, deine Zeit gut zu gestalten.

Herzliche Grüße
Brigitte

Christine62laechel

@Roxanna  

Danke für deine netten Worte, liebe Brigitte, die mich auch stärken. Ja, meine bisherige Berufstätigkeit bleibt eine überwiegend doch schöne Erinnerung. Was ich wahrscheinlich nicht mehr mitbekomme, wäre die Tatsache, dass es viele Schülerinnen und Schüler geben wird, die einfach traurig werden, wenn sie erfahren, dass ich nicht mehr für sie da bin. Doch - niemand ist unersetzbar. :)

Mit lieben Grüßen
Christine

Winterrose

Liebe Christine,
Hut ab vor deinem Mut und deinem konsequenten Handeln. Das schafft nicht jeder.
Eine selbst herbeigeführte Veränderung im Leben, aus welchem Grund auch immer, ist jedes Mal ein großer Schritt in eine ungewisse Zukunft.
Doch schon Hesse meinte, dass in jedem Anfang auch ein Zauber inne wohnt. Wichtig ist, dass man sich selbst treu bleibt.
Ich wünsche dir alles Gute, liebe Christine, und sende liebe Grüße zu Dir
Laura

Christine62laechel

@Winterrose  

Liebe Laura,

danke für Deine netten Worte. Ja, ich muss zugeben, dass ich mich auch ein wenig so fühle, wie ein Kind vor einem Ausflug. :) Egal was kommt, möge es nicht schlimmer sein, als: Etwas anderes denken, etwas anderes sagen, und etwas anderes tun müssen. :)

Mit herzlichen Grüßen
Christine

 

Rosi65

Liebe Christine,

mit Betroffenheit habe ich Deine Zeilen gelesen. Es tut mir wirklich sehr leid für Dich, dass Du Dich plötzlich gezwungen siehst den geliebten Beruf aufzugeben. 

Allerdings bewundere ich auch Deinen konsequenten Entschluss, denn Du bist Deinen Prinzipien treu geblieben. So kannst Du auch weiterhin mit erhobenen Haupt in den Spiegel schauen.

Liebe Grüße
 Rosi65

NS. Ich hätte es genauso gemacht.

Christine62laechel

@Rosi65  


Liebe Rosi,

so ganz plötzlich war es nicht, ich ahnte schon seit mehreren Jahren, dass es mit der Ausbildung und - jetzt Vorsicht, das Wort soll man nun eher meiden - Erziehung, etwas schief geht. Und jetzt blieb mir keine andere Wahl übrig, denn, was Du so gut verstehen kannst, möchte ich meinen Prinzipien treu bleiben. Das muss schon eine Lehrerin können. :)

Mit herzlichen Grüßen
Christine

Syrdal


Es zeigt sich immer sehr genau, wann der Zeitpunkt heran gereift ist, sich zu verändern und einen anderen, neuen Weg zu gehen. Wer am alten festhält, verliert die Freude am Gehen…

...weiß aus vielfacher Erfahrung
Syrdal
 

Christine62laechel

@Syrdal  

Einer von den ersten Einträgen von mir hier im ST war "Immer wieder ein Neuanfang". Keine bloße Aufmunterung also, sondern eine eigene, feste Meinung. :)

Mit Grüßen
Christine

Manfred36


Man kann seine Arbeit mit Hingebung tun oder sie nur als Geldquelle betrachten und hinlänglich abwickeln. Dir liegt die zweite Lösung nicht, obgleich man sich dabei ja auch Zeit für Anderes herausfiltern kann, was man gerne tut. Das ist sehr sympathisch, aber auch der anstrengendere Weg mit Neuorientierung, die sich erst bewähren muss. Ich wünsche dir viel Glück dabei.
 

Christine62laechel

@Manfred36  

Danke, lieber Manfred. Egal wie es mir nun gehen wird, wäre es für mich nicht mehr möglich, an einer Schule zu arbeiten. Ich fand es schon immer richtig und schön, dass die Edukation nun für alle zugänglich sein kann; es geht aber wohl nicht darum, die Abschlusszeugnisse einfach zu verschenken. Aus den Schülern werden dann Mediziner, Lehrer eben, Juristen - welche, möchte ich fragen? Und selbst wenn "nur" Köche oder Automechaniker, wie viele von meinen Schülern; die müssen ja auch nicht dämlich sein...

Mit Grüßen
Christine


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