Nie wieder Serengeti


Nie wieder Serengeti
(eine wahre Geschichte, wie ein Freund mir versichert hat)
Die beiden Söhne, 8 und 11 Jahre alt, waren sich einig:„Papa, wir wollen mal nach Serengeti“, klang es dem Familienvater im Duett entgegen, als der es sich nach dem sonntäglichen Frühstück gerade im Sessel bequem machen wollte. Der Tierpark Serengeti bei Walsrode war ihm dem Namen nach bekannt, aber er war so plötzlich gar nicht darauf vorbereitet und fühlte sich fast bösartig über-fallen. Also winkte er mit einer kurzen Handbewegung erst einmal ab. Aber die Jungs legten nach: „Papa, bitte, bitte! Da brauchst du auch überhaupt nicht zu laufen, da kann man mit dem Auto ganz durchfahren!“ Das änderte natürlich die Sachlage total und ließ den Vater nachdenklich werden. Es kam schließlich, wie es kommen mußte: Nach kurzer Detailbesprechung mit allen Familienmitgliedern opferte man den geplanten ruhigen Sonntag und fuhr gen Süden zum Großwildpark Serengeti.
Dort angekommen bewahrheitete sich das, was die Jungs schon gesagt hatten: man kann tatsächlich mit dem Auto durchfahren und so alle Tiere aus nächster Nähe betrachten. Nur, man sollte möglichst keine Tür oder Fenster öffnen, vom Aussteigen ganz zu schweigen. Ist ja auch verständlich, bei all` den Löwen und Tigern, die dort herumsträunen!
Nachdem diese Verhaltensregeln noch einmal vom Vater besonders angemahnt wurden, rollte man auch bald im ersten Gang durch die Pforte und in das weitläufige Parkgelände, natürlich immer dem von der Verwaltung vorgegebenen Weg folgend.
Die Affen waren die ersten, die die Neuankömmlinge schwungvoll begrüßten, indem sie gleich zu mehreren auf Kühlerhaube und Kofferraumdeckel sprangen und nach Futter bettelten. Alle Familienmitglieder waren begeistert: so nahe und direkt hatte man Wildtiere noch nie erlebt. Der Papa hatte zwar leise Bedenken wegen dem Autolack, aber er fügte sich dem Schicksal und fuhr ohne Murren weiter. „ Mutti, haben wir irgendetwas im Auto, was die mögen?“ Man hatte, Muttis haben sowas immer, und als die erste Erdnuß durch den klitzekleinen Fensterspalt gezwängt wurde, löste dieses augenblicklich einen wahren Sturmlauf von Affen aus allen Richtungen aus. Die Jungs schrien vor Vergnügen und drehten heimlich die Scheiben beiderseits etwas weiter runter, so daß die Tiere durchlangen und ihnen die Erdnüsse aus der Hand nehmen konnten.
Die Mutti duldete es stillschweigend, und Papa hatte bald andere Sorgen, denn ein Affe hatte sich an der Autoantennen hochgehangelt, so daß diese dabei abgeknickt war. Na ja, so teuer war die ja auch nicht, tröstete er sich gedanklich selbst. Als aber plötzlich die ganze Affenhorde mit einem wilden Gekreische davon jagte, weil ein großes, älteres Tier plötzlich auf den Wagen gesprungen war, die Zähne fletschte und seinen Futteranteil rigoros beanspruchte, sank das Stimmungsbarometer nach dem ersten Schreck merklich: bei der „Hals-über-Kopf“-Flucht der Affen war nämlich ein Scheibenwischer abge-brochen und spurlos verschwunden. Und auch der rechte Seitenspiegel war einfach nicht mehr da.
Papas Gasfuß trat etwas weiter durch, um den Affen möglichst bald zu entkommen. Drüben bei den Elefanten und Straußen war es vielleicht doch etwas friedlicher als hier.
Die Jungs hatten von dem schon erlittenen Autoschaden nichts mitbekommen. Sie waren vollauf mit der Fütterung der Wildtiere befaßt und amüsierten sich, daß auch die Straußenvögel recht zutraulich waren und ihren langen Hals durch die jetzt bereits etwas weiter geöffneten Scheiben stecken wollten. „Papa, halt man an, halt mal an!“ Der Wagen hielt, und von rechts kamen drei Straußenköpfe durch das halb offene Fenster und pendelten vor den Gesichtern der Jungs hin und her. Also, das war natürlich ein Erlebnis, das wollte man den Schulkameraden morgen aber sofort ....Der Jüngere der beiden Brüder konnte den Gedanken nicht ganz zu Ende bringen, so heftig wurde er plötzlich von hinten angestoßen: auf der linken Seite, die man ja nicht mehr im Auge gehabt hatte, hatte sich ein großer Elefantenrüssel in den Wagen geschoben und wollte auch bedient werden. Der betroffene Junge schrie laut auf und warf sich vor Schreck flach auf die Sitze.
Der Ältere behielt die Nerven und tat das Einzige, was zu tun blieb: er drehte so schnell er konnte die Scheibe hoch – und klemmte dabei natürlich den Rüssel ein! Folge: der Elefant konnte nicht mehr von hinnen, versuchte es aber mit aller Macht, so daß der ganze Wagen ins Schlingern geriet. Mutter schrie auf, Vater schaute in den Rückspiegel, erkannte die Situation und gab Gas, um aus der Misere zu entfliehen. Das mochte der Elefant aber gar nicht und hielt den Wagen notgedrungen fest. Kurzum: alles geriet mehr oder weniger in Panik: Kinder und Mutter riefen wild durcheinander, Vater versuchte es mit „nix wie weg!“, so daß der Motor aufheulte, der Elefant schrie vor Schmerzen und riß den Wagen samt Inhalt hin und her, wie eine Puppenwiege, nur im weitaus schnelleren Rhythmus. Man sollte meinen, daß die Scheibe bald bersten würde, aber die war anscheinend für solche Attacken gefertigt und hielt eine ganze Weile tapfer durch. Erst als der Elefant unter Aufwendung aller Kraft mit einem Vorderfuß in die Tür trat, gab diese irgendwie nach und der Rüssel war wieder frei.
Bums! Der Wagen kam endlich zur Ruhe und stand wieder auf vier Rädern, die Mutter schaute den Vater an, und der holte erst einmal tief Luft, als wenn er etwas sagen wollte. Aber er sagte nichts, noch nicht! Hinten kamen die Kinder wieder zum Vorschein, sie hatten sich ganz tief in die Polster gedrückt, weil der Elefantenrüssel in seiner Not nach allem gegriffen hatte, was erreichbar war.
Und wo war der Dickhäuter geblieben? Der raste unter lautem Trompeten und im Zickzackkurs durch den weiten Park, sicher direkt zu einem Wasserloch, um seinen lädierten Rüssel zu kühlen!
Im Wagen war dagegen alles still. Das von den Kindern befürchtete Donnerwetter blieb aus. Hätte ja auch nichts mehr genützt: Antenne und Scheibenwischer abgebrochen, Seitenspiegel spurlos verschwunden und jetzt auch noch mindestens eine komplette Tür im Eimer.
„Ob die dagegen vielleicht versichert sind?“ war die vorsichtige Frage von der Mutter. Stillschweigend schüttelte der Vater mit dem Kopf: „Glaube ich nicht“. „Aber, man kann doch mal fragen“. Das konnte man und tat man auch, nachdem man die Rundtour stillschweigend beendet hatte. War aber nichts. Im Gegenteil: „Unser Wärter hat uns schon berichtet“, bekamen die geschädigten Besucher mit hängenden Köpfen zu hören, „ Sie haben die Scheiben geöffnet und dadurch die Tiere gefährdet. Und ich kann Ihnen nur wünschen, daß der Elefant keine bleibenden Verletzungen hat, sonst kommt noch was auf Sie zu!“
Mit dieser noch drohenden Ungewissheit setzte die Familie sich in den Wagen und fuhr gen Hei-mat, auch stillschweigend. Das war jetzt der Besuch im Serengeti-Großtierpark: Stimmung auf Null, verkorkster Sonntag und ca. 3000,- € Schaden am Auto, überschlagsmäßig.
Aber der Tag war noch nicht zu Ende: vor dem Elbtunnel war im Autoradio, das tatsächlich noch funktionierte, ein Stau angesagt. Der fehlte jetzt noch, also fuhr man bei der Abfahrt Moorburg runter von der Autobahn und wählte den Weg durch die Stadt. Ortskundige tun das, trotz der vielen Ampeln. Aber Ortskundige haben auch meistens keinen verkorksten Serengetibesuch erlebt und können sich uneingeschränkt auf den Verkehr konzentrieren. Nicht so unser Familienvater: vor irgendeiner Ampel in Harburg – oder war es schon Wilhelmsburg ? – grübelte er gerade darüber nach, wie er die Zeit überstehen sollte, wenn der Wagen in die Werkstatt mußte, oder ob er wegen einer neuen Tür mal zum Schrottplatz ....., weiter kam er nicht, weil vor ihm jemand bei gelb eine Vollbremsung machte, und unser leidgeprüfter Vater natürlich voll hinten drauf! Rums! Glas klirrte auf dem Asphalt, dann war wieder Ruhe. Nicht mal ein erlösender Fluch kam über Vaters Lippen. Vorn stieg eine Dame aus und hielt sich den Nacken. Stichwort Schleudertrauma. Ist nicht mit zu spaßen, sagt man. Also: Polizei! Ca. 10 Minuten später sind zwei Udels an der Unfallstelle: „ Na, der Fall ist ja klar. Ihre Papiere bitte!“ Der andere Udel ging langsam um den Wagen, vielleicht um den TÜV-Stempel mal zu sehen. Etwas schneller kam er wieder zurück: „Was haben Sie denn mit der linken Tür hinten gemacht?“ Vater hatte lange nichts mehr gesagt und jetzt hätte er auch besser schweigen sollen. Tat er aber nicht: „Da hat mir ein Elefant reingetreten!“ Das ging wie ein Ruck durch die Polizisten und beide starrten unseren Vater unvermittelt mit offenem Mund an. Es dauerte `ne Weile bis sie sich wieder gefaßt hatten. „Wo war das denn? Hier in Wilhelmsburg?“ „Nein, bei Walsrode. Wir fuhren da mit dem Auto durch so`n Park und ...“ „So, so, mit dem Auto durch so`n Park. Wissen Sie was,“ meinte der Polizist, der die Papiere immer noch in der Hand hielt, „Sie fahren den Wagen jetzt unter unserer Aufsicht auf die Seite, und dann steigen Sie mal aus und kommen mit zur Wache. Da besprechen wir dann alles“. „Wieso, ich weiß doch was ich sage, ich bin doch nicht besoffen!“ „Ja, ja, ja, aber jetzt sagen Sie besser nichts mehr, bis wir auf der Wache sind. Ihre Familie kann solange hier bleiben.“
Es nützte nichts, Vater konnte noch so sehr versuchen, sich verständlich zu machen, er mußte mit zur Wache. Dort wollte er dem wachhabenden Beamten alles so erzählen, wie es wirklich war, das hatte er sich vorgenommen. Aber auch hier verhedderte er sich vor lauter Aufregung heillos. „So, so“, sagte auch hier der Beamte, „ein Elefant hat die Tür eingetreten. So ganz ohne was zu sagen. Das kennen wir. War das wieder der mit der rosa Schleife im Haar?“
„Herrgott nochmal“ brüllte der Vater plötzlich los, bei ihm war jetzt das Überdruckventil geplatzt, „bin ich denn unter lauter Idioten oder was ist hier los?!“ „Vorsicht! Vorsicht! Nicht, daß alles noch viel schlimmer wird als es schon ist. Hier, pusten Sie erst mal in die Tüte. Schön tief Luft holen und dann kräftig pusten“. „Was soll denn das, ich bin doch nicht besoffen“. „Das wissen wir, aber pusten Sie doch mal, damit wir `nen Beweis haben“.
Und unser Vater pustete, – und die Beamten starrten ihn zum zweiten Mal mit offenem Mund an: das Röhrchen verfärbte sich nicht! Nicht ein Stück! Konnte es ja auch nicht!
Plötzlich schmiß Vater Tüte samt Röhrchen auf den Tisch und griff in die Brusttasche seines Jackets: „So, und jetzt will ich Euch mal was sagen: Hier sind die Eintrittskarten von dem Serengeti-Tierpark, wo der Elefant mir die Tür eingetreten hat! So, und nun habe ich die Schnauze voll. Ihr bringt mich jetzt zurück zu meinem Wagen, und dann will ich nur noch nach Hause, basta!“
Es hat wohl bald 10 Minuten gedauert, bis ein Beamter sich so weit erholt hatte, daß er wieder Autofahren konnte. Unsere Familie ist danach gut nach Hause gekommen, hat sich aber geschworen:
„ Nie wieder nach Serengeti, und wenn tatsächlich, dann im Bus oder in einem gepanzerten Fahrzeug!“
Klostermeier

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Kommentare (4)

struppi in jeder Tragik steckt auch Komik! Aber nur wer Ohren hat, zu hören und Augen hat, zu sehen erkennt dieses.
Du, Klostermaier, hast beides.
Auch diese Geschichte ist eine Perle einer sicher ganz langen Kette.
Danke für diese schöne Geschichte...(dem Elefanten geht es sicher gut)
Struppi.
pelagia für diese nette Geschichte. Wir sind seinerzeit heil durch den Serengeti-Park gekommen, hatten aber nie das Bedürfnis, den Besuch zu wiederholen. Da haben wir Hagenbeck vorgezogen!!
Herzlichen Gruß
Inge
Britt @ klostermaier, auch wenn ich wirklich nicht alles glauben muss Einfach herrlich beschrieben die sich steigernden Malheure Stufe für Stufe, bis der entnervte Familienvater bei der Polizeistation landet... Ich finde die Geschichte amüsant und danke für das Vergnügen dieses Blogartikels.
Britt
Schnelli wunderbar erzählt ,danke fürs Lachen auch wenn es nicht so ganz passend ist ...aber es ist einfach köstlich geschrieben...Gruß mit Elefant.....nicht aus Serengeti....IMS 2(Schnelli)



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