Nur für Teilnehmer des Kloßspiels



Nur für Teilnehmer des Kloßspiels

Frivoler Chansonabend in Radebergs „Lindenhof“

Angekündigt waren zur Kirmes des Jahres 1901 in Radebergs Gaststätte „Lindenhof“ zwei feschen Chansonetten aus dem Wiener Milieu, die schon Tage vor dem Ereignis für Trubel sorgten. Hatte sich doch die sich Mizzi nennende junge Frau am Donnerstag im beginnenden Abenddämmerlicht so vor dem Eingang positioniert, dass das linke Bein in seiner ganzen Schönheit zu sehen war „bis ziemlich oben hin“, wie der diensthabende Gendarm notierte. Die Mund-zu-Mund-Propaganda lief an, kleine Handzettel versprachen einen einmaligen Abend zur Kirmes. Trotz des für damalige Verhältnisse enormen Eintrittspreises von 7 Mark, gingen die Eintrittskarten schnell weg. Schon nachmittags war der Gastraum gut besetzt, so ließ der Gastwirt Siegmund noch schnell einen Pianisten engagieren, damit schon so etwas wie Vorfreude aufkam.
Gegen halb Neun ging dann das eigentliche Programm los. So wurde zunächst zum Kloßspiel aufgefordert, interessierte Herren kauften einen aus Mehl und allen gängigen Zutaten hergestellten Kloß. Dieser war nun so in der Hose zu verstecken, „möglichst vorne“, damit er nicht kaputt ging. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch keiner was kommen sollte, denn die eigentliche Attraktion sollte ja sein, dass ein Besucher der es schaffen würde in dreißig Minuten nicht einmal zu lachen, das Geld zurückbekam und eine Prämie dazu.
Nun traten die feschen Chansonetten auf und lieferten die frivolen Witze und Gesänge. Lieder wie „Eugen, ich möchte so gern mit dir ins Heu gehen“ oder „Benjamin, ich hab nichts anzuziehn“ brachten oft schräge Töne zu Gehör. Zu den Liedtexten waren ein ruckartiges Springen, ein Pirouettendrehen und ein Wiegen der beiden Damenkörper unterstützend für die aufkommende Stimmung. Das gefiel und fast alle Gäste waren ob der bisher nicht erlebten Szenerie begeistert und vergaßen dabei die Chance ihr Geld zurück zu erhalten. Doch zwei oder drei hielten durch.
Denen griffen die Chansonetten ohne viel Federlesen einfach in die Hose um den Kloß herauszuholen, das Wiehern und Brüllen im Lokal war entsprechend. Keiner schaffte es ernst zu bleiben, so blieb das Geld in der Kasse.
Dennoch gab es nicht nur ein sittliches Nachspiel. Ein Gast machte vor dem Amtsgericht geltend, dass er die ganze Zeit nicht gelacht habe. Er wurde im wahrsten Sinn des Wortes vorgeführt, hatte er doch das Kleingedruckte auf der Eintrittskarte nicht gelesen. „Die Geldzurückmöglichkeit tritt nur für Teilnehmer am Kloßspiel ein“.

haweger

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Kommentare (1)

leonie98 Hallo,

wunderbar diese Radeberger Geschichten - Dank dafür! Ich wünsche mir noch ganz viele davon!

Herzlichen Gruß
leonie98

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