Pflichtjahrmädchen


Pflichtjahrmädchen - Pflichtjahr -
(aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie):

«Das Pflichtjahr wurde 1938 von den Nationalsozialisten eingeführt. Es galt für alle Frauen unter 25 Jahren und verpflichtete sie zu einem Jahr Arbeit „in der Land- und Hauswirtschaft“.

Die Mädchen und Frauen sollten so auf ihre zukünftigen Rollen als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. Darüber hinaus konnte so in vielen Haushalten die fehlende Arbeitskraft der Männer, die als Soldaten im Krieg waren, kompensiert werden. Ausgenommen waren Frauen mit Kindern und Frauen, die ohnehin in diesen Bereichen arbeiteten. Ohne den Nachweis über das abgeleistete Pflichtjahr konnte keine Lehre oder anderweitige Ausbildung begonnen werden.»

Wir hatten immer eine weibliche Person in unserem Haushalt, die der Mutter zur Hand ging. Das war wohl auch notwendig und standesgemäß, zumal Mutter doch zwei Männer im Haushalt hatte, Vater und dessen Vater, unseren Großvater.
In Oberschöneweide in der Rathausstraße (heute: Griechische Allee) gab es eine Kammer hinter dem Bad, die von der Küche aus betreten werden konnte. Das war das Reich der Haustochter.
Wie viele es nun im Laufe der Zeit waren… jedenfalls gibt es im Album Bilder, wo so eine Haustochter 1934 und 1935 in den Ferien mit auf der Insel Usedom dabei war.
1936 zog die Familie nach Eichwalde um. Dem Umzug ging eine Suche nach einer passenden großen Wohnung für die sich vergrößernde Familie draußen im Grünen voraus, da half die Haustochter bei den Besichtigungsfahrten nach Friedrichshagen, Grünheide und Eichwalde mit.
In Eichwalde bekam die Haustochter die Kammer oben im Haus, gleich hinter Großvaters Zimmer. Die Mädchen oder Frauen wechselten des Öfteren, so auch eine ganz dürre Person, die (so Mutter) so ein halbes Brot von Wittler zum Frühstück verspeiste – sie war die „Fromme Helene“..
Eine andere Haustochter kam aus Ballenstedt am Harz, die buk zu Karneval Krapfen (wir kannten doch Karneval garnicht), sie tröstete mich, der zum Geburtstag mit Grippe im Bett bleiben mußte.
Die letzte Haustochter (oder war sie schon ein Pflichtjahrmädchen?) kam aus Schulzendorf, Ilse Mewes, die mußte später zum Reichsarbeitsdienst. Im Album ist ein Foto zu finden, wo Ilse das kleine Schwesterchen Ilse auf dem Arm trug.
Als im Dezember 1940 Brüderchen Ulrich geboren wurde, hatten wir das Pflichtjahrmädchen Brigitte aus Miersdorf. Diese eifrige und muntere Person ist mit uns an einem Wintertag kurz vor Weihnachten mit dem Schlitten zu den Eltern zum Kaffeetrinken gezogen, eben, weil Mutter zu Hause entband und wir anderen Vier nicht dabei sein sollten.
Brigitte war das letzte Pflichtjahrmädchen.
Danach kam Wera aus der Ukraine aus der Nähe von Kiew zu uns ins Haus. Sie durfte bei uns ohne das Abzeichen [Ost] leben und wohnen, mußte nicht ins Lager, Mutter gab ihr andere Kleider, damit Wera nicht die ausgegebene häßliche Uniformkleidung tragen mußte. Sie hatte in der Schule Deutsch gelernt, verstand aber Mutter (bewußt) nicht, also mußte Mutter ihr längst verschollenes Russisch hervor kramen. Wera begleitete uns bei der Evakuierung 1944 in den Odenwald. Dort bei den Arras‘ blieb sie dann auf dem Bauernhof.
Wieder zurück in Eichwalde – wir waren zurückgekehrt, als die Invasion begonnen hatte – kam Aurelia aus Litauen zu uns, eine Offiziersfrau, die bei uns blieb, bis die Russen einmarschierten. Mit dem Wägelchen vom Faltboot zum Transportieren ihrer Habe verließ sie uns in ein kommendes, Unheil volles Schicksal.
Bald darauf verließen wir auch Eichwalde, nicht nach Osten, sondern in den Westen.
Pflichtjahr und -mädchen gab es nun nicht mehr.
ortwin

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