Pilger, Spaziergänger, und Andere



Es ist, muss man zugeben, ganz angenehm, wenn man eigene Gedanken mal zum Beispiel in einem Buch, oder in einem Pressenartikel zu lesen bekommt. Nicht, weil man die/der Autor/in ist, da wird nicht der Fall gemeint. Sondern wenn man mal auf eine Idee kommt, die – ganz unabhängig - von einem Profi perfekt formuliert, und dann veröffentlicht wurde.

 So war es bei mir mit dem Problem der sogenannten Infantilisierung. Die Erscheinung ist weltweit zu beobachten. Man konnte sich also schon seit mehreren Jahren denken: Um Gottes Willen, die Welt wird einfach kindisch… In einem Essay, an das eine Pressejournalistin anknüpft,  schreibt ein Soziologe und Philosoph eben darüber, wobei er mehrere, frei von mir hier übersetzte Begriffe verwendet.

Seiner Meinung nach gibt es kaum nur noch Menschen, die man Pilger nennen könnte; die strebten in ihrem Leben nach einem klaren Ziel. Sie wollten nämlich ihre volle Identität erreichen, ihr volles Potential verwirklichen. Sie werden durch Spaziergänger ersetzt, die die Welt nur oberflächlich betrachten; mit Interesse zwar, doch verstehen können sie davon kaum etwas.
   Dann kommen die Vagabunden; sie wollen Abwechslung, ohne ihr Wesen und ihren Sinn zu verstehen. Und dann die Touristen: sie sammeln Eindrücke; je mehr sie davon von der Welt bekommen, desto besser wird sie auch von ihnen geschätzt. Und schließlich: die Spieler. Sie sehen die Welt als eine Arena, wo es hart gespielt wird, und wo es keinen Platz für Sympathie, gegenseitige Hilfe, oder Solidarität gibt, dafür aber – für Risiko, Schlauheit, und ein kleines Stück Glück.

   Die Autorin des Presseartikels möchte gerne noch einen Begriff dazugeben: einen verwöhnten Bengel, der immer nur spielen will, alles sofort bekommen, was er will, und dass man ihn ständig unterhält, damit er sich nicht langweilt…

   Man könnte vermuten, das Essay würde aus den letzten Jahren stammen. Nein; es wurde im Jahre 1995 verfasst.
 


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Kommentare (2)

Manfred36


Ja, liebe Krystyna,
du hast uns Lesern das vorgegeben, damit wir uns einordnen sollen. Also musst du auch anhören, wie einer über sich dazu denkt.

Meine volle Identität und mein Potenzial kann ich nicht beschreiben, meine Erfolge bei dieser Suche sind mehr zufällig. Also kein Pilger.
Oberflächlich versuche ich nicht zu sein, aber bei unserer komplexen Welt komme ich nicht mehr mit und schalte vielleicht deshalb auch eher als notwendig ab. Ein Spaziergänger?
Oberflächliche Abwechslung habe ich nie als Sinn verstanden. Also kein Vagabund.
Sammeln von Dingen und Daten war mir immer ein Greuel; für Eindrücke kann ich kann ich das nicht sagen; mein episodisches Gedächtnis funktioniert unwillkürlich. Aber rausgekommen zum eigentlichen Zusammentragen bin ich nicht. Also auch kein Tourist?
Ein Narzisst bin ich nicht, bin auf meinem Weg mit Andern immer hängengeblieben. Also kein Spieler.
Verwöhnt hat mich das Leben auch nicht. Also auch kein Bengel.

Bleibt also nur der Spaziergänger. Deckt sich auch mit meinen Erlebnissen im Pfälzer Wald, der ja nicht die Welt ist.

Manfred
 

Christine62laechel

Ich glaube, lieber Manfred, dass es selten so "reine" Typs gibt; hoffentlich gibt es noch viele Pilger/Spaziergänger? Es kann auch zum Beispiel sogar Pilger/Spieler geben; nobody's perfect ja. :)

Das Buch wurde auch ins Deutsche übersetzt;
schon dessen Inhaltsverzeichnis sagt Interessantes an:

https://d-nb.info/98234371x/04

Mit Grüßen
Christine


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