"Quare verbis parcam? Gratuita sunt!"


Schreiben ist ja im Grunde genommen keine schwierige Sache. Nee, wirklich, daran hapert es ja nicht. Das kann der Mensch oder er kann es nicht. Punkt. Wenn ein Mensch es nicht kann, ist es auch kein Thema, vielleicht ist es sogar besser, er muss sich dann keine weiteren Gedanken über den Ablauf des Textes machen. Die Freiheit lacht dann sozusagen vom weißen Papier bzw. vom jungfräulichen Monitor!
Glaube ich nun aber, dass ich schreiben könnte, - die meisten der »Autoren« glauben es natürlich, - dann beginnt erst einmal das Problem, sein Autoren-Gesicht zu zeigen. Schön ist es natürlich, wenn das Hauptthema schon vorhanden ist, dann muss es nur noch in die richtige Abfolge gebracht werden.
Was aber nun, wenn ich nicht weiß, worüber ich überhaupt etwas schreiben soll? Da taucht nun zunächst einmal die Frage auf: Muss ich überhaupt schreiben? Was treibt mich denn dazu? Gut, so lange es nicht ausgedruckt wird, entsteht ja noch kein Schaden. Na ja, vielleicht entsteht da solch eine winzige Spur einer transzendentalen Energie? Ist doch möglich? Gut, ich frage ja nur!
             
               Warum mache ich das, ist es für das Universum wichtig? Lacht der Kontinent oder erbebt die Welt in all ihren Bestandteilen? Wundert sich der Staat über mein Statement, ärgert sich die Gemeinde? 
Kann es sein, dass meine Nachbarschaft erbebt? Nee, das glaube ich kaum. Ich würde die Antwort auf diese Frage auch nicht geben, selbst wenn ich sie wüsste. Vielleicht schreibe ich ja aus Rache an der derzeitigen Regierung? Vielleicht aber nur aus Spaß oder um meine philanthropischen Gelüste zu stillen?
Im Grunde ist es ja auch nicht mein Problem. Wenn ich etwas schreibe, gibt es nur wenige Menschen, die ganz sachte gezwungen werden könnten, sich mit meinen Schreibereien auseinanderzusetzen und mir dann sogar noch ihre sanften Kritiken unterzujubeln! Aber natürlich so vorsichtig, dass ich nicht noch eine Spur der Enttäuschung im Universum zurücklassen müsste.
              
        Also allein mit der Frage nach dem ungewissen »Warum« ließe sich doch schon eine einzige Seite füllen, ohne dass auch nur der Hauch einer Antwort zu ahnen wäre. Das macht doch schon einen ungeheuren Spaß oder etwa nicht? Ihr könnt mir glauben, es ist eine ungeheure Provokation, wenn dieser leere Bildschirm da vor mir steht und mich so höhnisch anblinzelt!

Wie, frage ich, soll man da einen konstruktiven weltverbessernden Gedanken fassen? Das ist schier unmöglich. Ja, natürlich, ich kann nun einen farbigen Hintergrund nehmen; ich hätte dann dem weißen Gegenüber den Wind aus den Segeln genommen.
        
               Aber nein! Hah! Ich stelle mich diesem Konflikt. Wäre doch gelacht, wenn ich da nicht die Oberhand behielte. 
Man sieht es ja auch: Es kommt etwas dabei heraus, weil Farbe allein nämlich gar nichts über das geistig Verbrochene aussagt. Seien wir doch mal ehrlich mit uns selbst, allein das Wollen ist nicht unbedingt das Nonplusultra des Schreibens, man muss wirklich ein wenig gedankliches Gewürz dazutun.
Nee, du irrst, ich hab es nicht vergessen: Auch die Rechtschreibung hat noch ihren Stellenwert, und wenn wir es nicht schon wüssten, hält die PISA-Studie es uns jährlich vor Augen. Es ist schon grausam, den Menschen in einem kulturell hochstehenden Land immer wieder ihre Unzulänglichkeiten vorzuführen, ich fühle mich dann immer so minderwertig!

         Wenn ich nun meinen inneren Schweinehund überwunden habe, versuche ich zu schreiben! Lach bitte nicht! Ich fasse mich ja immer kurz, zu längeren Ergüssen reicht mein Gedankengut nicht, deshalb bleibe ich auch bei Kurzgeschichten! Ich falle sonst immer zurück in meine als Kind mühsam erlernte Rechtschreibmethode à la Sütterlin. Und die strotzt dann ja wohl in der modernen Zeit vor Fehlern. Das macht nichts, meinst Du?
Irrtum! Wenn Du mal durch Foren und Chats Deine Streifzüge machst, wirst Du merken, dass Du mit Deiner Rechtschreibung völlig daneben liegst!

Da siehst Du vor Kürzeln und Anglizismen überhaupt nicht mehr, in welcher Sprache eigentlich geschrieben wird!
        
            Entschuldigung, ich bin zu weit vom Thema abgekommen. Also ich war bei den Kurzgeschichten. Und da, Du wirst es kaum glauben, taucht schon die nächste Frage auf: was ist denn kurz? 
Was ist denn bei einer Kurzgeschichte kurz genug? Wo fängt kurz an, vielleicht bei einer Miniaturlänge, wo hört kurz auf? Vielleicht niemals, wie bei der Relativitätstheorie?  Ja und dann, was ist eine Geschichte? Also Geschichte hat mich früher immer sehr interessiert, aber die war ja auch nicht kurz, sie war stets solch ein kaleidoskopartiges bluttriefendes Monster, das die Sieger stets für sich entschieden.
        
         Nein, das ist ja auch keine Kurzgeschichte; wenn unsere Neolithikum-Vorfahren schon auf ihre Steinplatten mit Hammer und Feuerstein Kurzgeschichten geschrieben hätten, könnten wir heute lesen, wie man einen Höhlenbären fängt oder ein Mammut jagt. Wäre das heute eine Lebenshilfe?

Sicher nicht! Siehst Du, ebenso hilft es niemand, wenn er meine Schreibversuche lesen muss. Also? Wozu bzw. warum? Altpapier gibt es schon zur Genüge, das muss ich nicht noch erweitern. So viel bunt bedrucktes Hochglanzpapier gab es noch nie in der »Geschichte«!
        
         Also lasse ich dieses Problem eben Problem sein und wende mich meinem Privatvergnügen zu: Für mich selbst zu schreiben. Wer sollte mich da aufhalten wollen? Vielleicht ein Festplattenabsturz ohne Back-up? Auch Humorverlust käme da infrage oder der Besuch meiner Erbtante, auch Alzheimer könnte da eine Rolle spielen.


          Aber so weit ist es noch lange nicht. Und deshalb muss die Welt, muss mein Land und die Gemeinde (auch die Nachbarn, die davon noch nichts wissen) damit leben, dass ich schreibe. Ob sie es nun gut finden oder nicht, ich weiß es nicht, ist mir aber auch egal, völlig egal ...

©by H.C.G.Lux


(Lucius Annaeus Seneca (4 v.Chr. - 65 n.Chr.):
Warum soll ich mit Worten sparen? Sie sind doch umsonst!

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Kommentare (3)

sarah66

Ich schreibe, wenn es mir besonders gut oder besonders schlecht geht. Wenn es mir nur..... geht, fällt mir nichts ein.
Schreiben ist für mich ein Ventil, wenn meine Seele übergeht. Dann flutschen die Buchstaben nur so aus mir heraus, und manchmal reimen sie sich sogar.

Syrdal


Ja, lieber Pan, genau richtig: Beim Schreiben geht es vor allem um das Privatvergnügen

Für mich selbst zu schreiben.
Wer sollte mich da aufhalten wollen?“

Und wenn das Geschriebene in die Öffentlichkeit gelangt, bleibt es einem jeden überlassen, ob er es liest oder nicht und ob er es kommentiert oder nicht. Und deshalb sagte Seneca richtig:
Quare verbis parcam? Gratuita sunt!"

Es grüßt
Syrdal
 

Pan

Ich  danke Dir. Ganz einfach, nicht wahr?
Bis nächstes Mal hier in diesem Theater ...
grüßt Dich 
Horst 


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