Diese Geschichte passierte mir tatsächlich und ich habe sehr lange überlegt ob sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte oder nicht. Denn eigentlich ist mir dieses Erlebnis zu peinlich.
Anfangs zumindest.
Doch zum einen sind mittlerweile fast dreißig Jahre vergangen und ich habe genügend Abstand und auch die geistige Reife um alles aufzuschreiben, zum anderen merke ich langsam, dass mir schon etwas Kalk aus der Hose rieselt und vergessen möchte ich sie nicht. Ich musste diese Geschichte des Öfteren schon auszugsweise zum Besten geben und deshalb sind sämtliche Details noch haften geblieben. Hoffentlich kommen sie einigermaßen verständlich an, da ich kein gelernter Autor bin sondern ein relativ einfacher Typ wie viele andere auch.

Meinen Helden nenne ich Heribert. Es gibt einen weiteren Helden Namens Bobo, zu ihm kommen wir aber erst später.
Heribert ist ein gestandenes Mannsbild im Alter von 26 Jahren. Heribert ist verheiratet und das seit 6 Jahren, mit der sehr hübschen und temperamentvollen Karina. Heribert wird von ihr in letzter Zeit permanent wegen der noch nicht vollzogenen Hochzeitsreise getriezt, die sie nie gemacht hatten obwohl sie Jahr für Jahr geplant war. Immer kam da etwas dazwischen. Jetzt ist es gerade ein wunderschönes BMW 2002 TI Cabriolet, weis mit roten Ledersitzen. Heribert hatte es sehr günstig, wie er meinte, von einem Freund erstanden. Die paar Macken, die der Wagen hatte und die paar Tausend Mark die er da noch zusätzlich investieren musste, damit die Kiste überhaupt lief. Da musste Heribert schon Prioritäten setzen. Doch Karina ließ nicht locker und Heribert entschied sich nach Androhung von Scheidung mit vorangegangenem Liebesentzug (3 Tage) sein Versprechen einzulösen und vorerst auf die wunderschönen verchromten Räder mit extrabreiten Reifen zu verzichten die seinen BMW zu einem, in seinen Augen, unvergleichbaren Unikat aufwerten würden.
Karina hatte von ihren Freundinnen gehört, das Korsika im Moment sehr angesagt sei und das man da unbedingt hinmuss, wenn man dazu gehören will. Während Heribert nicht mal wusste was oder wo Korsika überhaupt ist, wurden die ersten Schritte von Karina schon eingeleitet. Reise buchen, Papiere in Ordnung bringen. Heribert brauchte einen Reisepass. Eine relativ hektische Zeit für Heribert. Zumindest bis er mal ein würdiges Photo für seinen Pass auftreiben konnte. Er hatte tausend Fotos von dem BMW, aber kein einziges Passfoto. Wenn man mal von den beiden für den Schülerausweis absieht, die er noch irgendwo ausgegraben hatte. Er wäre damit wahrscheinlich auch aufs Amt gegangen, hätte ihm Karina nicht dazwischen gefunkt. Dann kam die Stunde der Wahrheit. Die Bestätigung vom Reisebüro war da. In dieser Stunde erfuhr Heribert, dass Korsika eine Insel ist und dass man da nur mit Flugzeug oder Schiff hinkommt.
Heribert im Flugzeug, völlig unmöglich und dann noch ohne seinen BMW. Da war noch Klärungsbedarf. Karina hingegen war der Meinung die 1500 DM für den Hin- und Rückflug pro Nase wären ein wahres Schnäppchen. Gut… die 4000 Mark für den Bungalow ohne alles für drei Wochen erschienen selbst Karina ein wenig happig, aber man gönnt sich ja sonst nix. Während Heribert nicht so richtig einsehen wollte, zwei seiner wunderschönen neuen BMW-Räder für zwei Stunden Flug zu opfern, war Karina jedenfalls schon gedanklich in den, von ihr so ersehnten, Flitterwochen. Plötzlich durchzuckte Heribert ein Gedanke. „Wir fahren mit dem BMW nach Korsika“ schlug er seiner Karina vor und riss sie damit aus ihren Träumen. Völlig fassungslos stand Karina auf, ging auf direkte Schlagdistanz und fauchte ihn an: „Meine Freundinnen sind auch geflogen und das ist Bestandteil der Reise …sonst zählt die Reise nicht, du fliegst mit oder Du fliegst“.
In den folgenden zwei Stunden wurde Heribert klar….er hatte die Büchse der Pandora geöffnet. Die nächsten Tage wurden schrecklich für ihn und er wurde regelrecht krank. So krank, dass ihm sein Hausarzt Flugangst bescheinigte. Mit diesem Attest gelang es ihm schließlich seine Karina zu beeinflussen um ihr seinen Alternativ-Vorschlag unterzujubeln.
„Du fliegst und ich fahre dich zum Flughafen, danach gleich weiter und wir treffen uns dann in San Antonio und können dann die ganze Insel mit unserem Auto erkunden“.
Karina, von Heribert gnadenlos überrumpelt, stimmte zu und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Der Flug von Heribert wurde gestrichen und Heribert selbst wirkte von Minute zu Minute fröhlicher und gesünder.
Einen Monat später war es dann soweit. Karina musste an einem Samstag um 07:00 Uhr im Flughafen Stuttgart einchecken. Der BMW war auf Hochglanz poliert, das Wetter ausgezeichnet, Gepäck verstaut, Verdeck offen wie es sich gehört bei erfrischenden 14 Grad um sechs Uhr morgens im Mai. Und flugs ging es mit 180 Sachen auf der Autobahn Richtung Flughafen. Heribert war so richtig glücklich und in seinem Element. Der Fahrtwind übernahm die Regie im BMW und brauste beiden nur so um die Ohren. Er versetzte Heribert in höchste Verzückung und so entging es ihm wohl, dass Karina nicht ganz so euphorisch reagierte. Sie hatte am Tag zuvor noch mal schnell achtzig Mark in ihre wunderschönen, langen, blonden Haare investiert. Ihre Stammfrisöse war noch ein Jahr später stolz auf diese besondere Frisur. Pünktlich am Flughafen angekommen, den Wagen elegant eingeparkt, Rolli besorgt und bereit das Gepäck für den Flieger zu verstauen bemerkte Heribert das irgendwas bedrückendes in der Luft lag. Doch was war es? Karina… was war mit ihr? Sie saß immer noch im Auto und bewegte sich nicht. Sie sagte nichts. Heribert beschloss nach dem Rechten zu sehen und näherte sich ihr bedächtig. Bei Frauen kann man nie wissen….das hatte Heribert schon des Öfteren erfahren müssen. Äußerst behutsam kam er an ihre Seite und es fiel ihm sofort ihre windschnittige Frisur ins Auge, das war ihm vorher gar nicht aufgefallen und zum ersten Mal in seinem Leben sah Heribert einen Menschen mit Gänsehaut auf der leicht ins bläuliche verfärbten Nase. Heribert, etwas verwundert, wollte gerade einen aufheiternden Spruch loslassen als sich Karinas Hände wie Schraubzwingen um seinen Hals legten. Ihr Schweigen wich einem hysterischen Ausbruch nie gekannten Ausmaßes. Sie begann damit, den Tag zu verfluchen an dem er ihr zum ersten Mal begegnete und belegte ihn anschließend mit einer Serie von beschwörenden Formeln von denen man nur hoffen konnte, dass keine davon jemals eintrat. Heribert wand sich aus ihrem erbarmungslosen Griff, versuchte die Wogen zu glätten in dem er sein hilflosestes Gesicht aufsetzte unterstrichen mit seinem Dackelblick und ohne die leiseste Ahnung wegen ihres Ausrastens. Auf die Idee, dass es etwas mit dem heruntergeklappten Schminkspiegel des BMWs zu tun haben könnte kam er nicht.
Jedenfalls hätte Karina beinahe ihr Flugzeug verpasst und nur Heriberts entschlossenem Handelns bei der Gepäckaufgabe war es zu verdanken das alles doch noch klappte. Karina hätte die sieben Koffer niemals alleine so schnell zum Check bringen können und am Ende hätte er die Koffer noch als Ballast im BMW mitnehmen müssen. Schließlich entschwand Karina mit ihrem Handgepäck beladen, ohne den armen Heribert auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen, in Richtung Abflughalle. Na ja… wer nicht will der hat schon, dachte Heribert bei sich und machte sich ebenfalls auf den Weg. Trotz allem, Heribert war glücklich. Seine Karina war aufgeräumt und seinem Trip stand nichts mehr im Wege. Jetzt wurde es Zeit sich mal schlau zu machen und mal nachzusehen wo dieses Korsika eigentlich genau liegt. Karte kaufen… einmal draufgucken… ahaa, über die Alpen nach Genua und dann auf die Fähre nach Bastia. Kein Problem, der BMW lief wie ein Uhrwerk und nur elf Stunden später befand sich Heribert im Hafen von Bastia. Der zweite Blick auf die Karte…. Wo zum Teufel ist San Antonio?? Nicht auf der Karte. Ein leichter Anflug von Panik. Heribert kann nicht französisch und deutsch spricht hier auch keiner. Nur um den BMW reißen sich alle, wie Heribert nicht ohne Stolz bemerkt. Eine Karte von Korsika konnte Heribert dann doch noch erwerben wenn auch mit einigen Hindernissen. Sie wollten erst kein deutsches Geld nehmen. Er hatte für zwanzig Mark dann doch noch eine bekommen und beschloss jetzt erstmal Geld zu wechseln. Ja, auf dieser Karte war San Antonio verzeichnet, etwas oberhalb von Calvi ungefähr 80 Kilometer von Bastia in südwestlicher Richtung, direkt am Meer. Calvi, so erinnerte sich Heribert, da hatte sich doch ein Freund aus seiner Bundeswehrzeit niedergelassen. Irgendwas mit Tauchschule und Touristen treibt der da wohl. Wie klein die Welt doch ist, denkt sich Heribert. Vor 24 Stunden hätte er noch nicht einmal annähernd sagen können, wo sich Calvi befindet. Nichts ahnend dass er eben diesen Freund schon sehr bald wiedersehen wird. Eine knappe Stunde hatte Heribert für die Fahrt nach San Antonio kalkuliert. Er wurde schnell eines besseren belehrt. Drei Kilometer Stadtauswärts mündete der sechsspurige Highway in einen drittklassigen Feldweg mit Schlaglöchern in denen man mühelos ein Goggomobil hätte parken könnte. Zudem ging es pausenlos bergauf und Heribert fragte sich nach 2 Stunden langsam ob das Geier gewesen waren oder Engel, die er da eben gesehen hatte. Nach der zweiten Zwangspause, wegen kochendem Kühler, vertrat sich Heribert etwas die Beine und betrachtete die wunderschöne Aussicht. Er konnte zwischen den Bergen hindurch schon die Westküste und das Meer sehen und er dachte an seine Karina, die wohl schon auf ihn warten würde. Nur noch schnell ein dringendes Bedürfnis erledigen und dann weiter. Etwas seitwärts in die Büsche. Gesagt, getan… Heribert trennt mit den Armen das dichte Buschwerk und tritt hindurch, legt Hand an, genießt gleichzeitig das beeindruckende Panorama und… vermisst das vertraute Plätschern, das ihm in den tausenden von ähnlichen Situationen signalisierte…es ist alles in Ordnung. Es plätscherte einfach nichts.
Langsam gleitet sein Blick nach unten, unwillkürlich natürlich auf das gute Stück. Wunderbar alles da und nichts kaputt. Nach einer weiteren Sekunde war Heribert klar warum er nichts hörte. Weil da 2000 Meter tief nichts war. Heribert stand zehn Zentimeter vor einem Abgrund der durch genau nichts gesichert war. Zu Hause wäre da eine meterhohe Wand gestanden. Heribert stockte das Blut in den Adern und er versuchte sich so vorsichtig wie möglich rückwärts aus der Gefahrenzone zu bewegen. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte und er sich schwor von nun ab ausschließlich Toiletten benutzen zu wollen, gelang ihm die Rückkehr zum Wagen, der mittlerweile wieder abgekühlt war. Die Weiterfahrt gestaltete sich dann nicht mehr ganz so dramatisch bis auf den entgegenkommenden Bus, der unbedingt auf seine Vorfahrt bestand und Heribert mit Hilfe seiner Hupe, die an das ein Nebelhorn eines Tankers erinnerte, dazu animierte zwei Kilometer rückwärts den Berg wieder hochzufahren, bis zur nächsten Ausweichbucht. Von dem zweiten Bus, der ihm zehn Minuten später in die Quere kam, ließ er sich Heribert nicht mehr ins Bockshorn jagen. Er sah die kleine Lücke, Augen zu und durch. Geschafft, Heribert konnte im Rückspiegel noch erkennen, dass der Bus ordentlich durchgerüttelt wurde bei seinem Ausweichmanöver. Er war wohl zu nahe an die Felsen rangekommen. Drei Stunden später, so gegen 22:00 Uhr erreichte Heribert dann schließlich San Antonio. Es stellte sich heraus, dass das gesamte Dorf aus fünfzig Bungalows und einem kleinen Hotel bestand in dem sich auch die Verwaltung von Heriberts und Karinas Unterkunft befand. Heribert stellte den Wagen ab, der schon wieder ungläubig bestaunt wurde, und begab sich zur Rezeption. Er fragte nach der seinem Bungalow und wollte wissen ob seine Gemahlin sich schon dort befinde. Das mit dem Bungalow geht klar, doch der Bus aus Bastia wäre noch nicht da meinte die junge Dame am Empfang. Wie bitte, sagte Heribert, sie ist vor sechzehn Stunden abgeflogen in Stuttgart. Ich bin in derselben Zeit mit dem Auto hier hergefahren. Wie ist das möglich? Das wäre nichts ungewöhnliches, sagte die nette Dame und er könne ja schon mal in den Bungalow einziehen. Sie überreichte ihm den Schlüssel und Schickte ihn zur Nummer 24. OK, sagte sich Heribert, bin sowieso müde und beschloss den Bungalow zu aufzusuchen. Neben dem Hotel führte ein einziger Pfad, gepflastert mit Naturbelassenen Steinen in das Dunkel. Alle vierzig Meter eine trübe Funzel, die ihr diffuses Licht verstreute und eigentlich nur von den Unebenheiten des Weges ablenkte. Farne und vereinzelte Palmen hingen rechts und links in den Weg, so dass Heribert nach zehn Metern schon nicht mehr wusste wo er war. Er passierte den ersten Bungalow mit der Nummer 19. Genauer gesagt, er stolperte daran vorbei und dachte „ Klasse, nur noch fünf und ich bin da“.
Der nächste hatte dann die Nummer 6. Heribert irrte im Anschluss noch eine gute Stunde durch die Botanik und wollte eben anfangen das ganze Kaff zusammen zu schreien, als er bemerkte, das er direkt vor der 24 stand. Seinen Vorsatz, den Architekten dieser Anlage aufzusuchen, um ihm ganz langsam das Fell über die Ohren zu ziehen, legte er erstmal beiseite und betrat sein Domizil. Während er seine Schürfwunden, die er sich durch ungezählte Stürze zugezogen hatte, notdürftig versorgte, schlief er völlig erschöpft ein. Seine Ruhe währte nur kurz. Heribert, hochgeschreckt durch einen infernalischen Lärm der immer näher kam und sehr bedrohlich wirkte, blickte auf seine Digitaluhr der ersten Generation. Seine Karina hatte sie ihm zum 6. Hochzeitstag, den er natürlich vergessen hatte, geschenkt. Sie zeigte 04:00 Uhr. Zeitverschiebung nicht eingerechnet. Heribert glaubte, in dem Gepolter, das an eine heranstürmende Büffelherde erinnerte, einige ihm vertraute Flüche wahrnehmen zu können. Karina war endlich auch angekommen. Und da stand sie nun, mitten in der Tür, so schön wie immer. In ihrem rosafarbenen Kostüm, das so gut zu ihren langen blonden Haaren passte und zu ihren schönen Beinen mit den Löchern in den Seidenstrümpfen an beiden Knien. An ihrer Körperhaltung stimmte jedoch etwas nicht. Das fiel Heribert sofort auf. Nein, es hatte nichts mit dem bisschen Moos in den Haaren und den paar grünen Flecken auf Karinas Kostüm zu tun. Es war etwas anderes. Prüfend glitt Heriberts Blick ein weiteres Mal die tadellose Figur Karinas herunter und dann bemerkte er…. es war, Gott sei Dank, nur der abgebrochene Absatz des linken, der italienischen Stilettos, die sie 2 Tage vor dem Abflug in Stuttgart erstanden hatte. Es geht eben nichts über deutsche Wertarbeit dachte sich Heribert und wollte seine Angebetete gerade angemessen begrüßen. Da flog ihm auch schon der erste der sieben Koffer entgegen, die sie auf einem winzigen Servier-Wägelchen aus der Rezeption verstaut hatte. Während die restlichen sechs folgten und sich Karina in sehr undamenhafter Art und Weise auf den armen Heribert stürzte nahte die Rettung in Form eines Nachbarn. Er kam hinzu als Karina gerade dabei war Heribert die Augen auszukratzen und verhinderte mit seinem zweifellos vorhandenen, französischen Charme eine größere Katastrophe. Er redete behutsam auf sie ein und geleitete sie zu dem Sofa, das in der Ecke stand. Sie verstand mit Sicherheit kein einziges seiner Worte, ebenso wenig wie Heribert. Doch es gelang ihm tatsächlich sie zu beruhigen. Nun, sie schrie jetzt nicht mehr, sondern schluchzte nur noch leise in sich hinein. Heribert wertete dies als ein positives Zeichen und schob ihren Temperamentsausbruch auf die wohl sehr anstrengende Flugreise. Natürlich fühlte er sich bestätigt. Sie hätte doch besser mit ihm fahren sollen. Karina schlief ein, noch während Heribert den freundlichen Nachbarn zur Tür begleitete.
Morgens dann, die Sonne stand schon hoch, wachten Karina und Heribert langsam auf. Die vergangenen Strapazen standen beiden noch ins Gesicht geschrieben. Was hältst du davon, wenn wir uns beide frisch machen und irgendwo schön frühstücken, fragte Heribert. Karina quittierte den Vorschlag mit einem müden Lächeln und so geschah es dann auch. Sie fuhren nach Calvi und Karina blühte mehr und mehr auf. Ja, sie genoss die Fahrt im Cabriolet sogar und vor allem die bewundernden Blicke der Korsen, die auf ihre temperamentvolle Art sehr gut mitteilen können, wenn ihnen etwas gefällt. Auch Heribert wurden diese Insulaner immer symphatischer. Von schönen Autos scheinen sie ja was zu verstehen, die Korsen.
Während sie dann in einem schnuckeligen Straßencafe so vor sich hinfrühstückten brach es aus Karina heraus, gerade als Heribert ebenfalls von seiner Fahrt berichten wollte. Wie es sich für einen Gentlemen, für den sich Heribert natürlich hielt, gehörte, lies er ihr den Vortritt, seinem Instinkt folgend vielleicht oder Vorsehung. Sie legte also los und erzählte…. Alles lief wunderbar, der Start, der Flug über die Alpen, die Landung in Bastia, auschecken. Wir waren schon um 09:00 Uhr in auf Korsika. Nach der Landung kann die Reisebetreuerin auf uns zu und erklärte, man müsse noch auf einen Anschlussflieger aus München warten. Mit vierstündiger Verspätung kam der dann schließlich an. Ungefähr hundert der Urlauber sollten auch nach San Antonio. Die Busse werden noch erwartet, wurde unserer Gruppe als nächstes gesagt. Nach weiteren fünf Stunden kam dann endlich der erste Bus. Der wurde gleich von den Münchnern übernommen und fuhr kurz darauf ab. Eine weitere Stunde verging und nichts passierte außer das unsere Reisebegleitung immer hektischer herum lief und uns schließlich zu einem kleinen Imbiss einlud. Zwischendurch telefonierte sie immer wieder und draußen wurde es langsam dunkel. Kurz nach 22:00 Uhr kam sie dann völlig aufgelöst und erzählte uns, dass unser erster Bus wohl einen Motorschaden gehabt hätte und sie daraufhin einen Ersatzbus angefordert hatten. Der Fahrer dieses Busses wiederum hat sich eben gemeldet und berichtet, dass im ein total Durchgeknallter Idiot vor den Bus gefahren wäre und er, um einen Unfall zu vermeiden ausweichen musste. Dabei hat er sich an einem Felsen die Achse beschädigt. Der erste Bus war aber in der Zwischenzeit repariert worden und brachte uns dann letztendlich nach San Antonio, wo wir dann mitten in der Nacht ankamen. Den Rest hast du ja mitgekriegt, als ich mich mit den Koffern auf dem Hotelrolli zum Bungalow geplagt habe. Zweimal bin ich gestolpert und habe mir dabei alles möglich ramponiert. Damit schloss sie ihre Ausführungen und Heribert verzichtete darauf hin auf eine Darstellung seiner eigenen Erlebnisse und meinte lapidar, bei ihm sei alles ohne größere Probleme gelaufen. Wieder im Bungalow angekommen beschließen die beiden, die Koffer auszupacken und sich ein wenig umzusehen. Genauer gesagt, Karina packte die Koffer aus und Heribert warf sich zu Testzwecken auf das unbenutzte Doppelbett. Er schreckte sofort wieder hoch und traute seinen Ohren kaum. War ich das eben, fragte er. Karina, ebenfalls erschreckt, nickte mit dem Kopf und starrte ihn ungläubig an. Heribert hatte dem Bett, das auf den ersten Blick recht gemütlich aussah Geräusche entlockt, die an eine Eisenbahn erinnerte wenn sie stark bremst. Nur in schnelleren Intervallen. Um Gottes Willen, wer soll den dabei schlafen können, sagte Heribert. Da gefriert einem ja das Blut in den Adern. Und so wie die vergangene Nacht, er im Sessel und sie auf dem Sofa, den ganzen Urlaub….unmöglich. Heribert beschloss sich bei der Rezeption zu beschweren. Ja, die sollen sich ruhig was einfallen lassen. Aber erst gehen wir mal ans Meer zum baden, erwiderte Karina. Beschweren kannst du dich später auch noch. Also schnappten sie sich ihre Badesachen und folgten dem Weg der hinter dem Bungalow zum Strand führte. Nach ein paar Minuten waren sie da und genossen den Blick über das weite Meer. Es war ein Felsenstrand und man musste schon ein wenig klettern um in die Nähe des Wassers zu kommen. Aber der nette Franzosennachbar war ja auch da. Heribert erkannte ihn sofort wieder, wie er da braungebrannt und austrainiert auf seinem schneeweißen Badetuch lag. Er kannte die sichersten Einstiege ins Wasser und kümmerte sich gleich rührend um Karina und Heribert, damit ihnen ja nichts passiert. Er suchte ein schönes Plätzchen aus, direkt neben seinem. Windgeschützt und schattig. Karina nahm das Angebot gleich dankend an und Heribert hatte ein Problem. Der Platz war ein wenig zu klein geraten. Für ihn blieb ein Stückchen scharfkantiger Felsen in der prallen Sonne. Heribert beschloss alsdann ein Bad zu nehmen und fragte Karina ob sie auch mit ins Wasser will. Sie meinte, er solle ruhig gehen und sie komme vielleicht nach. Der Franzose plapperte auch noch irgendwas, von dem Heribert keinen Plan hatte. Wahrscheinlich wünscht er mir viel Spaß, dachte Heribert und ließ sich nicht mehr aufhalten. Taucherbrille auf, Flossen an und losgeschnorchelt. Von den Eindrücken der faszinierenden Unterwasserlandschaft, den vielen bunten Fischen konnte er sich kaum losreißen. So was Schönes hatte Heribert noch nie gesehen. Die Zeit verging wie im Fluge und er bemerkte nicht, dass er sich immer weiter hinaus bewegte. Schließlich nahm er mal den Kopf hoch und erkannte, dass er sich schon fast hundert Meter von seinem Einstieg entfernt hatte. Ein kurzer Blick sagte ihm zwar, das es Karina gut ging, der Franzose rieb sie gerade mit Sonnenöl ein, aber er merkte wie es ihn, obwohl er ein guter Schwimmer war, trotz größter Anstrengung weiter hinaus zog. Heribert war in eine Strömung geraten. Jahre später fand Heribert die Ursache dafür in einem Fernsehbericht. Vermutlich hatte ihn auch der Franzose darauf aufmerksam machen wollen und Heribert verstand ihn nicht. Wenn draußen auf dem Meer die Supertanker ihrem Kurs folgend an der Küste vorbei ziehen, verdrängen die Biester soviel Wasser, dass erst mal eine Strömung in Richtung Tanker entsteht und danach geht es wieder retour. Das wusste Heribert nicht. Scheinbar war er in so einen Sog geraten, denn nach ungefähr hundertfünfzig Metern hob es ihn plötzlich hoch, eine Mörderwelle kam von hinten und trug Heribert mit einem Affenzahn wieder Richtung Küste. Klasse dacht Heribert, geht ja von alleine und sah sich plötzlich auf Höhe von Karina und dem Franzosen, der immer noch fleißig an Karinas Bauch herumölte. Heribert war vorher ungefähr sechs Meter hinabgeklettert um ins Wasser zu kommen. Na ja, das Wasser keine Balken wusste Heribert. Doch Bremsen gibt es auch keine. Das musste Heribert erfahren, nachdem es ihn mit guter, durchschnittlicher Mofageschwindigkeit, kurz unterhalb ihres Liegeplatzes an die Felsen geklatscht hatte. Mit letzter Kraft krallte er sich fest um zu verhindern wieder hinausgezogen zu werden. Karina und der Franzose waren mit ihren Klamotten schon zwei Etagen höher geklettert kurz bevor Heribert aufschlug und Karina quietschte vor Vergnügen über die paar Tropfen Wasser die sie abbekommen hatte. Heribert gelang es sich über den Klippenrand zu ziehen und sah dabei gerade noch seine Hose und sein Badetuch davonschwimmen, bevor der nächste Schwall über ihm zusammenbrach. Dieses Mal traf es ihn nicht ganz so hart. Er wurde nur in eine Ecke gepfeffert und holte sich nur ein paar Schrammen am Rücken. Dann war der Spuk vorbei. Während Heribert sämtliche Heiligen vom Himmel herunterfluchte und machte dass er aus der Gefahrenzone kam, war Karina schon fast wieder am Bungalow und der Franzose war gar nicht mehr zu sehen. Heribert humpelte nur mit dem was er auf dem Leibe trug in Richtung Heim und bemerkte erst nach dem zweiten Sturz, dass er seine Schwimmflossen noch an hatte. Ist jetzt auch voll egal sagte er sich und kroch weiter. Endlich im Bungalow angekommen fand er eine fröhlich vor sich hinträllernde Karina unter der Dusche vor. Sie bemerkte ihn ohne ihn zu sehen und fragte wo er solange gewesen sei und ob sie heute Abend ausgehen wollen. Heribert antwortete ihr, dass er erst mal zum Arzt muss oder zumindest mal zu einer Apotheke. Dann sah sie ihn. Um Gottes Willen… wie siehst du denn aus. Bist überfahren worden?? Sehr lustig, meinte Heribert. Ihr habt doch gesehen was los war. Glaubst das hat Spaß gemacht. Hat auf jeden Fall so ausgesehen, sagte sie schnippisch, als ob es Absicht gewesen wäre. Ich glaube ich habe mir ein paar Knochen gebrochen, antwortete Heribert ein wenig weinerlich, mir tut alles weh. Ich sehe mal zu ob die im Hotel was haben und wenn nicht fahre ich nach Calvi. Ach was, ich fahre gleich nach Calvi entschied Heribert. Es ist jetzt 16:00 Uhr. Zum Abendessen bin ich wieder zurück. Tu was du nicht lassen kannst, sagte Karina, wenn du meinst, dass es so schlimm ist solltest du dich schon verarzten lassen.
Heribert versorgte die am schlimmsten blutenden Wunden aus der Hausapotheke und schlurfte dann los. Er war gerade in den BMW eingestiegen, als ihn die Reiseleiterin sah. Sie blickte ungläubig auf das Häufchen Elend in dem schönen Wagen und sagte zu ihm. Sie wollen doch etwa nicht in diesem Zustand mit dem Auto fahren. Ja was soll ich den sonst wollen, erwiderte Heribert, dem schon ganz schlecht war vor lauter Schmerzen. Kommen sie mit mir, sagte die nette Dame. Wir haben Hilfe im Haus und sie führte Heribert behutsam in ein steril aussehendes Zimmer mit einigen medizinischen Geräten. Nach ein Paar Minuten kam dann der Arzt. Er blickte Heribert verwundert an brabbelte irgendwas auf französisch. Heribert konnte sich in etwa denken was er sagte. Über eine Stunde später wurde Heribert dann wieder entlassen. Frisch verpflastert, geklammert an vier Stellen und am ganzen Körper wegen der tausend Kratzer desinfiziert und verbunden. Na das kann ja noch heiter werden, dachte sich Heribert und machte sich auf den Weg zum Bungalow. Er blickte gerade auf seine nicht wasserdichte Digitaluhr, die er selbstverständlich vergessen hatte auszuziehen bevor er seinen Husarenritt antrat und die jetzt vermutlich auch hinüber war, als er so ungefähr fünfzig Meter von dem Bungalow entfernt eine Eisenbahn mehrmals hintereinander bremsen hörte. Das Bremsengeräusch hörte nicht auf, wurde mal schneller mal langsamer aber es ging immer weiter. Ha, da fiel es ihm wieder ein. Dieses Bettenquietschproblem scheint wohl ein allgemeines Problem zu sein. Doch seltsam war das schon. Je näher er zu seinem Haus kam um so lauter wurde das Geräusch. Karina war so gut aufgelegt heute und hat richtig Spaß gehabt, vielleicht hüpft sie ja auf dem Bett herum dachte sich Heribert. Doch ein mulmiges Gefühl machte sich langsam breit während er den Bungalow betrat. Und seine Ahnungen wurden auf das grausamste bestätigt. Der haarige Hintern des Franzosen, der sich zwischen den Schenkeln seiner Karina hin und her bewegte, wird ihn über Jahre hinweg verfolgen. Dieser Anblick gab Heribert den Rest, für diesen Tag. Er flüchtete ohne ein Wort zu sagen zurück in das Hotel, setzte sich an die Bar und köpfte eine Flasche vom feinsten französischen Cognac.
Die Flasche hielt nicht sehr lange und so folgte die Zweite. Irgendwann drang durch den selbst erzeugten Nebel die Stimme seiner Nochfrau. Hier bist du, ich hab dich überall gesucht, glaubte er zu vernehmen.
Siehst du doch, nuschelte Heribert. Was willst du, lass mich in Ruhe, geh doch zu deinem Franzosen, schickte er gleich hinterher. Da wusste Karina Bescheid. Heribert hatte es also mitgekriegt. Aber Schatz, da war doch nichts, sagte sie zu ihm. Du bist immer so eifersüchtig versuchte sie abzuwiegeln. Doch Heribert war gnadenlos. Weist du was, sagte er zu ihr, ab morgen kannst du in deinen Flitterwochen machen was du willst, ich hau ab und von dir will ich nichts mehr wissen. Und jetzt verzieh dich und lass mich alleine. Karina gab auf und ließ Heribert in seinem Leid alleine. Am nächsten Tag erwachte Heribert in seinem BMW. Alles was im noch blieb war dieser Wagen, die Schmerzen vom Tag zuvor und sein seelisches Leid. Langsam wurde ihm seine Situation bewusst. Von Minute zu Minute mehr und der Jammer, kompensiert durch die riesigen Mengen von Alkohol die er sich reingepfiffen hatte, wollte kein Ende nehmen und so humpelte er wieder in Richtung Bar. So geht es aber nicht, meinte eine Engelsstimme von der Seite her, als er sich gerade wieder auf den Barhocker zwängen wollte.
Was ist denn passiert, ich meine was ist denn sonst noch passiert gestern, fragte der Engel. Bei näherem hinsehen bemerkte Heribert dass es sich bei dem Engel um die Reiseleiterin handelte. Geht sie nichts, an fuhr Heribert die Kleine an und war selber erschrocken, über seine Schroffheit. Aber, aber ich will ihnen doch nichts Böses, sagte die Reiseleiterin zu ihm. Haben sie überhaupt schon was im Magen. Wollen sie nicht etwas mit mir frühstücken, schlug sie vor. Kommen sie, ich lade sie ein. Heribert folgte ihr wie ein Schaf und so saßen sie kurz darauf beisammen und Heribert weihte sie in seine Tragödie ein. Ohlala, kommentierte sie seine Geschichte. Ein bisschen viel für einen Tag. Was wollen sie denn jetzt tun? Sie kennen hier doch niemanden und wieder nach Hause, davon wird es nicht besser und gefährlich ist es auch, in ihrem Zustand. Ha, sagte Heribert, wer sagt denn dass ich hier niemanden kenne. Ich habe einen Freund in Calvi, den ich auf alle Fälle besuchen werde. Das Frühstück begann zu wirken und langsam fiel der Dunst von Heribert ab. Er hatte wieder ein Ziel vor Augen und Karina sollte seinetwegen zum Teufel gehen. Er bedankte sich artig bei seiner Gastgeberin und bat sie niemandem etwas von seinen Plänen zu erzählen, am allerwenigsten Karina. Ohne sich noch einmal umzudrehen fuhr Heribert direkt nach Calvi um seinen Kameraden aufzusuchen. Das gestaltete sich jedoch recht schwierig, denn Heribert wusste nur noch den Vornamen des Freundes, der Nachnamen war ihm entfallen. Tom hieß der Gute, abgeleitet von Thomas. Er suchte überall, zuerst am Hafen, dann fuhr er kreuz und quer durch die Stadt. Nichts was ihm weiterhelfen konnte. Da stand er nun mit seinem schönen BMW direkt vor einer riesigen Festung, eine mittelalterliche Einrichtung, die wohl schon einiges überstanden hatte in ihrer ruhmreichen Vergangenheit. Dass diese Festung jetzt als Fremdenlegionärskaserne diente erfuhr Heribert ein paar Minuten später. Als er da so in sich versunken saß und verzweifelt versuchte sich an wichtige Einzelheiten in Bezug auf Tom zu erinnern, hörte er plötzlich vertraute Worte und drehte in die Richtung aus der gesprochen wurde. Jaaaa mi leckschd am Oosch, a Stuagarta, sog bloß du bist med, m Auto bis doher gfahrn.
Ein Bayer im Ausgehanzug der Legion kam auf Heribert zugestürmt und freute sich wie verrückt. Er lud Heribert gleich zu einem Drink ein aus dem dann zwanzig wurden, die Heribert natürlich bezahlen durfte. Doch das Ganze hatte sich gelohnt. Denn Gustl, so nannte sich der Legionärslehrling, wusste wer Tom ist und wo er zu finden war. Bei der Gelegenheit lernte Heribert auch gleich einiges über die Insel, Calvi, die Korsen und vor allem, das es auch deutsche Legionäre gibt und nicht mal wenige. Das viele wegen Liebeskummer zur Legion gehen, erzählte Gustl, so wie er. Heribert spielte kurz mit dem Gedanken, aber als sie dann auf den Sold zu sprechen kamen hatte sich das Thema gleich wieder erledigt. Außerdem hatte Gustl nicht alles erzählt, wie Heribert später von Tom erfuhr nachdem er ihn Dank Gustls Wegbeschreibung doch noch gefunden hatte. Heribert verabschiedete sich von Gustl, den der Abend nahte und er war schon wieder ziemlich angeschickert. Die letzten beiden Tage hatten ordentliche Kerben auf seiner Leber hinterlassen. Er brauchte Pflege und wollte zu Tom. Knapp drei Kilometer an der Küstestraße entlang dann links den Weg rein Richtung Strand, hatte Gustl gesagt. Genau so war es dann auch und Heribert stand im Nu vor Toms Finka. Tom saß auf seiner Veranda und sah Heribert kommen. Er rieb sich verwundert die Augen und rief. Das glaub ich jetzt nicht! Was zum Geier machst du denn hier? Wo kommst du her…. Fragen über Fragen. Heribert war überwältigt von der Schönheit der Finka, von den zwanzig Drinks oder von beidem. Nachdem sie sich herzlich begrüßt hatten, Tom kniff Heribert noch einige Male in den Arm weil er immer noch nicht glaubte, dass er ihn wirklich vor sich hatte. Tom bemerkte aber auch sofort, dass was oberfaul war und vor allem Heriberts körperlicher Zustand gab ihm zu denken. Heribert sah übel aus mit seinen Bandagen und Pflastern. Ich bringe dich in ein Gästezimmer und du schläfst dich erst mal richtig aus und morgen sehen wir weiter, schlug Tom vor.
Fortsetzung folgt....vieleicht!!

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