Schön war's, damals.....

Autor: ehemaliges Mitglied

Bull.jpgWiki, Liz.: Gemeinfrei

Manchmal, oft so zwischen Wachen und Schlaf, tauche ich ein in Kinderzeiten. Ich sehe mich dann mit Feder im Haar und Papp-Thomahawk durch's Unterholz brechen, den Mit - "Kriegern" winken - "keine Pawnees in Sicht, wir können weiter".  Das war schön, die Wäldchen Unterfrankens verwandelten sich in die unendlich weiten Wälder Nordamerikas. Natürlich kam alles anders, Abenteuer waren schon dabei, aber eben ganz anders als die damals erlebten. Das folgende Gedicht von R.M.Rilke fängt das Atmosphärische mancher Kindertage wunderbar ein. 

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Der Knabe
Ich möchte einer werden so wie die,
die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,
mit Fackeln, die gleich aufgegangenen Haaren
in ihres Jagens großem Winde wehn.
Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,
groß und wie eine Fahne aufgerollt.
Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,
der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht
zehn Männer aus derselben Dunkelheit
mit Helmen, die wie meiner unstet sind,
bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.
Und einer steht bei mir und bläst uns Raum
mit der Trompete, welche blitzt und schreit,
und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,
durch die wir rasen wie ein rascher Traum:
die Häuser fallen hinter uns ins Knie,
die Gassen biegen sich uns schief entgegen,
die Plätze weichen aus: wir fassen sie,
und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.

Rainer Maria Rilke, Winter 1902/03, Paris

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LG. Arni


 


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Kommentare (2)

ehemaliges Mitglied

Doch ja, @elbwolf, aber ich seh' noch schlichte Resignation in den Augen von Sitzender Bulle, mein Blick bleibt außerdem immer wieder an dieser, kerzengrad stehenden Riesenfeder hängen. Wer die ihm wohl verpasst hat?
 
Vielleicht denkt er gerade an den siegreichen Feldzug gegen das 7. Kavallerie Regiment des selbstverliebten Herrn Custer! Da müsste er aber nicht resignativ gucken, hmm.

Aber Rilke und Karl May? Niemals!  Winnetou war und ist ein "Faschingsindianer" und kein Apache, Apachen sahen damals so aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Geronimo

May hatte von Indianern keine Ahnung! Ging ich als Knabe auf Jagd, so zog ich die Lederstrümpfe an und ging als Chingachgoog und Natty Bumppo auf Huronen - Jagd.
Also das war nix mit Karl May, lieber elbwolf. Aber sonst hast Du natürlich recht mit Rilke, den Damen und den Sonette, sie schmachten noch heute, (die Damen).

Aber niemand hatt jemals den Schmacht eines Knaben-Herzens in den 60er Jahren des vergangenen Jahrtausends so wunderbar beschrieben wie er.

Gruß und Hugh, ich habe gesprochen!
Arni

ehemaliges Mitglied

Findest Du nicht, @Arni, dass Tatanka Yotanka von Deinem Bild eher skeptisch auf seine Gegenüber schaut? Denn genau das waren sie - Gegenüber!

Außerdem dachte ich, dass Rilke - hauptsächlich wegen seiner Sonette - von der Damenwelt umworben wurde (und von den schriftstellernden unter ihnen auch jede zweite erhört haben soll ...) und jetzt lobst Du uns ihn in den Tönen des Radebeulers Karl May.
Es waren die Jahre, wo Hagenbeck "die Wilden" in seinem Zoo und auf Europa-Tournees den erstaunten Europäern (speziell natürlich den unfehlbaren Germanen) präsentierte, die offenbar kaum glauben wollten, dass es solche Menschen auch noch irgendwo gäbe.

Dass Du mit eigenen Worten "die Atmosphäre Deiner Kindertage einfangen" könntest - das würde ich bei Dir allerdings auch vermuten.
Bis dahin mal am Freitagmorgen -
und mit besten Grüßen - elbwolf


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