Schreiben und denken


Schreiben und denken


Besitzen wir das ebenfalls, was andere schreiben? Gibt es einen Autor, der alles schreibt, was ich denke? Entweder bin ich so einfältig, dass ich denke: Ich besitze, was andere Menschen schreiben - oder aber mir fällt auch das Gleiche ein, was sie denken!
        Hat der Autor vielleicht einen Verstand, einen Geist, der mit allen anderen Autoren verbunden ist? Gibt es da so etwas wie Telepathie ? Jedes Mal, wenn ich etwas lese, das zu mir passt, zögere ich nicht, es auch zu verwenden und die Worte in mir lebendig werden zu lassen. Es gibt dabei Texte, die zerreißen mir fast das Herz. Sie kommen einfach zu mir, oft weiß ich nicht woher. So manch geschriebenes Wort schafft es, mir meinen Frieden zu nehmen. 
Dann wiederum gibt es geschriebene Gedanken, die mir Sorgen bereiten. Über die ich lange nachdenke. Irgendwann aber, früher oder später erkenne ich den Sinn in mir selber! 
        Es ist schon seltsam, kann es sein, dass ich auch in den Gedanken der anderen Dichter leben kann? Oder sogar konnte, wenn ich an das neunzehnte Jahrhundert denke. Wie viele der Texte, Gedichte und Essays erscheinen mir so vertraut, als wäre einst eine Symbiose entstanden.
 
        Wir alle wissen, das Schreiben eine verantwortungsvolle Tätigkeit ist. Wir benutzen ja nicht nur das, was aus uns selber kommt, sondern machen oft eine Anleihe an den Gefühlen anderer! Das ist unvermeidlich, denn alle Worte, die aus uns selbst entstehen, sind ein Gemenge von Gedanken - zwar aus uns selbst geboren, dennoch sind wir nicht die einzigen Urheber. Leihgaben der großen Geister, die vor uns gelebt und geschrieben haben, sind daran in großem Maße daran beteiligt!
      
       Wenn ich eine Reihe von Sinnsprüchen und Aphorismen aneinanderfüge, erhalte ich ein Gedicht!
Wirklich, ist das so? Bringe ich nicht durch meine Gedanken Worte in eine Kausalkette von bereits irgendwann getroffenen Aussagen?

»Das blaue Band des Frühlings
eröffnet den Reigen der Zeit...«


Das wäre beispielsweise ein Text von mir. Jeder, der dies liest, denkt sofort an Eduard Mörikes Gedicht: »Frühling lässt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte.«


Solch eine Assoziation ist ganz natürlich und wir dürfen das, das Rad muss nicht täglich neu erfunden werden! Kein Dichter oder Autor kann sich diesem Schicksal entziehen. 
Wir dürfen auch fühlen und schreiben was wir fühlen, mit der Verantwortung unserer Verse,
die vielleicht auch in der Brust eines anderen leben oder gelebt haben, solange wir sie nicht einfach kopieren!

©by H.C.G.Lux


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Kommentare (2)

Manfred36

Es könnten meine Gedanken sein, lieber Horst, nur du kannst das natürlich treffender formulieren. Den ganzen Geist der Menschheit verinnerlichen wir ja irgendwie, unterschiedlich gewichtet, aber nicht (nur) aus uns selbst erwachsen. Wenn wir kreativ damit umgehen, sind wir auch Schöpfer. Du bist Profi-Maler; da ist es genau so. Du verarbeitest kreativ, was du siehst, auch wenn du manches nur interpretierst. Es reizt natürlich, anderes Imponierende zu kopieren, aber es erfüllt nicht, wertet ab.


Bleibe gesund
Manfred

Pan

es erfüllt nicht, wertet ab.
Wie wahr, lieber Manfred. Obwohl - gerade bei der Malerei - kopieren immer ein weiterer Schritt ist zum Lernen! 
Viele große Künstler haben kopiert und immer (meist jedenfalls) zum Vorteil des eigenen Schaffens.
Ich habe beispielsweise manchmal Kopien gemacht, konnte mich damit in den Geist des Künstlers hineinversetzen. 
Wichtig ist nur, was ich danach damit anfange!
 (Ich habe keine übrig behalten - sie waren alle zu schlecht!)
mit einem Lächeln -
Horst


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