So naiv an die Sache rangehen, Teil 1


Links unten sieht man noch ein Stück vom Salt Lake


1979: Beim ersten Mal in den Vereinigten Staaten war ich auf Dienstreise zu einem dreiwöchigen Lehrgang in Hill AirForceBase bei Ogden nördlich von Salt Lake City im Staate Utah. Eine ganze Klasse voller Herren (oder Kameraden) lernte etwas über das Radarvermessen. Wir lernten von den Spezialisten, die den Job des Vermessens in der ganzen Welt verrichteten, von Montag bis Freitag – Samstag und Sonntag gehörten uns, wir verteilten uns auf die Mietwagen und schafften an den Wochenenden über dreitausend Meilen. Es ging in so bekannte Nationalparks, zur Kupfermine bei Proho usw.

Ich war einfach nur Mitgeher und Mitfahrer, ließ die höher rangierten Herren das Ganze organisieren. Die waren ja nicht das erste Mal drüben, wussten, wie man eincheckt, Wagen mietet, Geld wechselt und Hotels angeht. Ich war Miterleber.
Wir bekamen die Permission, Flugtickets für „Apel-Airline“ (die Flugbereitschaft der Bundeswehr, Apel war zu der Zeit Verteidigungsminister) und weiter. Ich holte mir Geld, packte das limitierte Reisegepäck und dann ging es zum militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn.

Um 9 Uhr morgens hatte man sich in der Abfertigungshalle zum melden. Das Ticket wurde kontrolliert, der Sitzplatz in der Boeing 707 angezeigt, das Gepäck gewogen und vereinnahmt. Eigentlich ganz genauso wie bei jedem zivilen Flug – nur gab es damals noch nicht die Elektronische Schleuse. Und dann hieß es erst einmal „Warten“. Ein Bundeswehr-Bus brachte uns hinaus zur Maschine. Es ging die Treppe hinauf, man suchte den zugewiesenen Sitzplatz.

Um 11 Uhr rollte die Maschine zum Anfang der Startbahn, verharrte einen Moment, dann spürte man das Hochdrehen der Düsen, das Gefühl des Loslassens der Bremsen, die den Vogel noch am Boden gehalten hatten, ein leichtes Auf, dann ein Gepresstwerden in den Sitz (man war ja selbstverständlich angeschnallt), und der „Fahrstuhl“ zog nach oben. Man versuchte noch etwas von dem „Draußen“ zu erblicken, alles ging so schnell vorbei – und man musste sich doch erst einmal mit dem Umfeld für die kommenden vierzehn Stunden Flugzeit vertraut machen. Man darf sich abschnallen. Der Blick aus dem Bullauge: „Wo sind wir?“.

Die Wolkendecke unter uns reißt für einen Augenblick auf: Tower und Tower-Bridge, die Themse – das war London von oben – zu spät, der Foto-Apparat hat es nicht mehr geschafft. Es wird etwas eintönig, das gleichmäßige Rauschen der Belüftung. Schaust du die die Leutchen an, dann siehst du in ihren Augen helle Spiegelungen – was ist das? Klar, das helle Licht von draußen, ohne Bodendunkelheit – irgendwie ein komischer Anblick. Aber damit hält man sich nur einen Moment in der Klärung auf. „Mariechen“, die Sonne grüßt von Backbord her die Mühle, die auf der Watte unter uns dahin schwebt, getrieben von vier Triebwerken.

Die Flugbegleiter – damals gab es ja noch keine weiblichen Kameraden – servierten das Frühstück. Man hatte was zu tun. So verging Stunde um Stunde. Mal waren Wolken unter uns, mal sah man das Wasser, über das es gen Westen ging. Vor lauter Langeweile ließ man sich noch einmal was zu trinken einfüllen, man besuchte man das WC (nur aus lauter Langeweile). In Steuerboard kam Küste auf, wir schliddern noch eine Weile parallel in Richtung Südwest.

Das ist doch New York! Der Flugkapitän lenkt die Maschine in eleganter Kurve und gebührendem Abstand um Manhattan herum, ehe er den Kurs in Richtung Washington einschlägt. Herrlich der Blick, ein wenig dunstig, aber es reicht für ein paar Fotos – ich bin gespannt, was daraus wird (damals hatte noch niemand eine Digitalkamera, man musste also warten, bis der volle Film zur Entwicklung wegging und Abzüge gemacht werden konnten). Man kann die Brücken abzählen und mit der Karte im Atlas vergleichen. Nun geht es über Land. Aha, da geht eine Bahnlinie, wie heißt der Ort, den wir von hier oben aus sehen können? Was sind das für dunkle Flecken auf dem Land? Klar, das Schatten von über uns schwebenden Wolken. Und was sind das für dunkle Kreise in blassen Grün? Da wird das Grün bewässert – später sehe ich die Lösung: eine Wasser-Pipeline bewegt sich automatisch um eine im Mittelpunkt des Kreises aufgestellte Pumpe, und die Pipeline hat lauter Düsen, die das Wasser versprengen.

Gegen zwölf Uhr Ortszeit landeten wir auf dem Rollfeld des Dulles-Airport in Washington DC. Hier war hier die Einwanderungsstelle, also durch den Zoll. Dann brachte uns um 14 Uhr Ortszeit die 707 weiter nach El Paso, also direkt an der Mexikanischen Grenze. Von dort ging es dann am nächsten Tag mit der Continental Airline gen Norden nach Salt Lake City im Staate Utah, wo uns die Radar Evaluation Squadron in Empfang nahm Sie brachten uns zum Gelände Hill Air Force Base. 1000m hoch liegt das Plateau, die Luft ist sehr trocken, schlimm für Leute, die Haftschalen tragen müssen.

Von Montag bis Freitag Unterricht, abends Einladungen nachgehen, Parties aussitzen. Doch an den Wochenenden fuhren viere von uns (eine Mietauto-Besatzung) hinaus in die Umgebung. An einem Wochenende nahm uns der Yellowstone-Park gefangen. Wir fuhren die durch den Park verlaufende Acht entlang. Bei Old Faithfull Geysir fanden wir bei der Lodge Unterkunft. Es war schon empfindlich kalt, es war Herbstzeit und manches war schon bereit zum Winterschlaf geschlossen. Ein anderes Wochenende lenkte uns nach Mesa Verde, in den Brice Cannon und den Zion Cannon und auch zum Dead Horse Point. Dann gab es noch den Besuch der riesigen Kupfer-Mine bei Proho, wo rings um Proho die Dächer der Häuser eine Schicht von Kupferstaub trugen, so ungefilltert von der Hütte ausgestoßen. Alleine die Hin- und Rückfahrten, meilenweit waren schon hochinteressant. Nun den nahe gelegenen Salt Lake haben wir auch gefühlt – er war doch zu kalt, um sich da mal rein zu wagen, um den Auftrieb in der Salzlösung zu erleben. Wir besuchten den Golden Peak Point, also die historische Stelle, wo sich die beiden damals im Bau befindlichen Eisenbahnstrecken von Ost und West trafen. Zum Schluss haben wir den Vogel abgeschlossen: an drei Wochenenden 3600 Miles (= 5760 km) gefahren.

Etwas findet man überall: der eine hat ‘ne Oma aus Düsseldorf, der andere war als GI in Heidelberg, wieder andere fahren zu den Verwandten nach Old Germany. Eigentlich ganz nett, so auf genommen zu werden. Nur eines musst du die merken: „Keep Smiling“ ist noch lange keine zuverlässige Freundschaft, eben nur eine Freundlichkeit.

Ich kann weiter erzählen, doch hier erst einmal Pause zum Luft holen.



ortwin

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