Da stehen im obersten Regalfach die acht Fontane-Bände „Wanderungen durch die Mark Bran-denburg“ neben den sieben Bänden “Gesammelte Werke von Wilhelm Busch“, nur getrennt, weil noch Platz, von Ernst Badstübner’s „Brandenburg“. Erstere Bände habe ich mir neu besorgt – da war der Aufbau-Verlag noch nicht „gestorben“ – weil die Bände, wie auch die Busch’s, die mir meine Eltern so nach und nach geschenkt hatten, bei einem Wasserschaden im Keller zerstört worden waren.

Nun fahre und wandere ich mit meinem Spatz – endlich nach fünfundsechzig Jahren wieder zurück in der Mark und in Berlin angekommen – zu Orten, die wir einfach nur gehört haben oder mein Spatz so mit dem Wartburg und der Familie damals mal durchfahren hat. Unser Beider Neugier ist groß. Während bei mir das Wissen aus dem Heimatkunde-Unterricht (bis zur vierten Grundschulklasse) noch in Erinnerung ist, bringt Spatz die erlebten Bilder mit ein, kann also manches mit dem „Heute“, zweiundzwanzig Jahre nach der Wende, vergleichen. Uns Beiden aber fehlt immer die Vorbereitung auf alles das, was wir jetzt mit dem Auto, einem Bus oder der Eisenbahn, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, angehen. Ein Wort – und ab geht die Reise.

Landkarten haben wir, aber auch die Auto-Navi’s, die relativ flüchtig zur Zielvorgabe genutzt werden. Wir ziehen also los ohne vorheriges Wälzen der großen Bildbände über die Mark und der Fontane-Bücher. Wir „stolpern“ ins Land, die Kameras halten die Eindrücke fest – und dazu bekommt man den Blick auf so vieles.

Die Bilder von Bahn- und Busfahrt und auch beim Au-tobewegen huschen vorbei, sie gut zu erfassen und fest-zuhalten wird zur Kunst. Weil man bei den Tempi kaum zum Registrieren der Aufnahmen kommt, hat Spatz damit angefangen, Fotos von Ortsschildern gleich mitzumachen. Das Navi zum Fotoapparat stört, wenn der Blitz vom Aufsatz des Navi versperrt wird. Da helfen die beim Knipsen automatisch festgehaltenen Aufnahme-Daten zu jedem Bild, eben mit dem Zeitein-trag.

Was haben meine Eltern damit bezweckt, mir da „drüben im Westen“ alle die Literatur und Fotos von der Mark zu schenken, als noch keiner damit rechnen konnte, dass es möglich sein könnte, frei und ungebunden östlich der Elbe und rund um Berlin die Dörfer, Städte, Wälder und Felder mit eigenen Augen zu erfassen? Der Vater sehnte sich nach dem Allen, war das doch sein Revier im Radwandern und Paddeln bis er seine Familie im Berliner Südosten und am Rande der Großstadt gründete. Er hat das Alles nicht mehr besuchen können. Die Mutter durfte noch vor ihrem Tode einmal in „ihre“ Stadt Güstrow reisen. Wie vieles haben die Beiden zwischen Elbe und Oder, Müritz und Spree sich erpaddelt?! In wie vielen Kirchenbüchern und Archiven haben sich Vater und Mutter umgesehen. Zu gerne hätte ich den Alten von unseren heutigen Exkursionen erzählt und gezeigt, hätte sie gerne mit Spatz dorthin gefahren.

Seit drei Jahren sind wir Beide eifrigst unterwegs. Das Land tut sich vor uns auf. Uns ist es gleich, ob der Himmel in strahlendem Blau oder voller drohender Wolken sich zum Hintergrund anbietet. Wenn die Fotos vom kleinen Sucherbild hinüber wechselt in den großen Bildschirm und die Farben unverfälscht wieder erscheinen, dann macht sogar ein Bild mitten im dunklen Wald richtig Freude.

Wir werden weiter schauen, was für unsere Kamera-Augen bestimmt ist.
Es ist nie zu spät!


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Kommentare (1)

finchen eine alte Heimat neu zu beschreiben und in Worte zu kreieren, das zeichnet tief empfundenes Heimatgefühl aus. Ich freue mich für Dich.
Liebe Grüße
Dein Moni-Finchen

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