Spätsommertag
Ein wunderschöner Septembertag. Weit offenstehendes Fenster, ein leichter frischer Windhauch weht vom Garten hinein ins Zimmer. Ein schwarzer Amselmann hüpft springlebendig durch  das taunasse Gras, begierig, ein vorwitziges Würmchen zu erwischen. Die Sonne hat ihren Tageslauf begonnen, ihre wärmenden Strahlen erfüllen den Garten mit einem hellen Licht.Sie verleitet mich direkt dazu, mein Frühstück draussen im Garten einzunehmen.
        Dort an der Westseite der Terrasse steht der große Schmetterlingsfliederbaum mit unzähligen lavendelfarbenen Blütendolden. Er ist umschwärmt von Dutzenden von Schmetterlingen. Da ist der Zitronenfalter und das Tagpfauenauge, der Admiral und der kleine Fuchs, einige Weißlinge und Bläulinge runden diesen Reigen der gaukelnden Schar ab.

        Damit noch nicht genug, dicke Erdhummeln und kleinere Wiesenhummeln konkurrieren da noch mit wilden Bienen und einigen Schwebfliegen - kurzum, es ist ein buntes Treiben, das am frühen Morgen den Garten beherrscht. Irgendwie aber stelle ich doch einen Wandel fest. Das frische, helle Grün der Sträucher des frühen Sommers ist einem satten, beinahe schon bräunlichen Ton gewichen. Und auch das Blau des Himmels leuchtet nicht mehr ganz in seinen tiefblauen Tönen, ja, das Licht im Allgemeinen hat eine Veränderung erfahren, es ist nicht mehr so gleissend und hart, sondern hat viel mildere, sanftere Strahlen hervorgebracht, finde ich.
       
        Der frühe Morgen zeigt sich auch bereits viel kühler als noch vor einigen Wochen. Auch die ersten braunen und gelben Blätter zeigen sich schon an den Bäumen.
Alles ändert sich eben im Laufe der Zeit, die Natur bereitet sich anscheinend schon auf ihre Wendezeit vor, der Herbst klopft schon leise an die Tür! Und alles, was da heute noch so fröhlich kreucht und fleucht, wird dann den Weg alles Irdischen gegangen sein oder nach dem folgenden Winter wieder zu neuer Blüte und Pracht erwachen. Das ist nun mal der Kreislauf des Lebens, dem auch wir Menschen unterworfen sind, wenn auch  in einem anderen Rythmus.

         Weil ich das alles weiss, kann ich auch in intensiveren Abläufen leben. Ob es immer wie geplant von statten geht, mag dahingestellt sein. Ich versuche es jedenfalls, so oft es möglich ist.
Wenn der Garten mir alles vorlebt, alles zeigt, was mir wichtig ist, kann ich das kleine Glück des Tages genießen. Was brauche ich denn noch weiter als dieses Stück der Zufriedenheit, das ich am Morgen eines Tages empfinde, wenn ich Blumen, Schmetterlinge und Vögel bei ihrem Tun beobachten darf?
Der Kreislauf der Natur ist auch der Kreislauf von Wachsen, Gedeihen und Vergehen, auch meines eigenen Lebens! Wenn ich das erkannt habe, habe ich auch den Sinn des Morgens erfasst; wenn ich beim Fühlen all jener kleinen Glücksmomente innehalte und zu mir selbst finde, spüre ich, dass die gesamte Fülle dieser Ansichten und Einsichten den Sinn meines Lebens ergibt.

©by H.C.G.Lux

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Kommentare (7)

Wendymaus

Da ich selber ein naturliebender Mensch bin, freue ich mich sehr, dass du das auch so siehst. Man kann sehr gut von der Natur ablesen, (wenn man ein guter Beobachter ist), wie sich der Kreislauf schliesst.
Ich habe mich schon öfters gefragt, warum mich diese Abläufe in der Natur so fesseln.
Gestern sahen wir gegen 21:00 Uhr den Fledermäusen am Waldesrand zu. Nun muss ich noch herausfinden, um welche fledermäuse es sich handelt.
Ein grosses Kompliment gebe ich dir für deine Auffassungsgabe und dein Wissen für die einzigartige Naturwelt, die uns noch umgibt.
 

Tessie

Wunderschön, Du hast mich bildlich mitgenommen zu einem wunderschönen Septembertag in Deinen Garten.
Du hast es so gefühlvoll und mit vielen Einzelheiten geschildert -
ich meine gerade ich war dabei! Daumen hoch

Danke dafür, liebe Grüße und Dir ein schönes Wochenende.

Irene
 

Roxanna

Wohl dem, der so einen schönen Garten hat, in dem er entspannt den Morgen genießen und die Natur beobachten kann. Aus deiner Geschichte spricht eine große Gelassenheit, die mir sehr gefällt.

Herzlichen Gruß
Brigitte

Manfred36

Wenn man dieses Erlebnisumfeld und diese Erlebnisfähigkeit hat, kann man hier nichts hinzufügen.

Syrdal


Lieber Pan, diesen Worten: Was brauche ich denn noch weiter als dieses Stück der Zufriedenheit, das ich am Morgen eines Tages empfinde, wenn ich Blumen, Schmetterlinge und Vögel bei ihrem Tun beobachten darf?“ ist für den ebenso Empfindenden, für den „Wissenden“, nichts hinzuzufügen...
 
Segen für jeden Morgen wünsch dir mit Dank für Deine feine Betrachtung zur bewusst gelebten Gegenwart
Syrdal

ladybird

mit großer Freude gelesen,
lieber Horst,
es war mir wie ein Wiedersehen....
schließlich habe ich erst vor ein paar Wochen unter diesem Schmetterlingsstrauch gestanden, und ein Admiral setzte sich genüßlich auf mein Oberteil, was ich als besondere Berührung in meinen Erlebnisse speicherte,
mit etwas Wehmut,aber dankbar
grüßt
Renate

ehemaliges Mitglied

Das Annehmen und Verstehen dieses Kreislaufs ist schwer. Jeder braucht unterschiedlich lange bis er es akzeptiert, daß es kein Entrinnen gibt. 
Freue mich über jeden Morgen, an dem ich die Augen öffnen darf, die Vögel höre. Ein neuer Tag, so und was stell ich damit an?
Danke für Deine einfühlendende Geschichte 
herzlichst die Mauli 
 


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