Spuk im alten Leichenhäusel


Spuk im alten Leichenhäusel
Radeberger Spukgeschichten auf der Spur
Es gibt mindestens drei tradierte Geschichten, die Radebergs Lehrer Hans Franke einst aufzeichnete, wenn es um das Spuken und die Gespenster geht. So hat es einst auch eine sogenannte weiße Frau auf Schloss Klippenstein gegeben. Insbesondere im 17. Jahrhundert, jenen Tagen des Dreißigjährigen Kriegs, soll die weiße Frau das letzte Mal auf der Burg gesehen worden sein. Sie kündete den Untergang der Stadt an. Und in jenen Tagen des Jahres 1639 als die Schweden von Pirna kommend, mehrfach auch Radeberg heimsuchend, fielen weit über 100 Häuser in Schutt und Asche. Das einst reiche Radeberg war jetzt bettelarm.
Die zweite Spukgeschichte ist an mindestens zwei Stellen angesiedelt. Es geht um die Konkretheit von „Scheechhäuseln“. Dabei ist jene, wonach einmal die Familie Frommann und zum zweiten die Familie Rentzsch heimgesucht werden, ebenfalls überliefertes Erzählgut. Die Geschichte spielt im jeweiligen Haus (Frommann – obere Vorstadt, Rentzsch – Pirnaische Vorstadt) bei der die Familie am Tisch sitzt und die Mutter am Herd hantiert. Der Sturm rüttelt an allem, Türen, Fenster, Dach und Vorbau. Plötzlich fährt der Mutter eine kalte Hand über das Gesicht und sie schreit auf und fällt ohnmächtig zu Boden. Man sucht im Haus nach der Ursache, findet sie aber nicht. Das Ganze wiederholt sich noch mindestens dreimal. Wegen der Unheimlichkeit geben die Familien die Häuser auf. Das jeweilige Häuschen blieb leer stehen und wurde im Volksmund „Das Scheechhäusel“ genannt. Tatsächlich haben sowohl eine Familie Frommann als auch Rentzsch Radeberg in den Jahren vor dem Stadtbrand 1714 verlassen. Der Grund blieb im Dunkel der Geschichte, so wurde er eben in einer damals gängigen Art erzählt.
Die dritte Spukgeschichte um das alte Radeberger Leichenhäusel geht auf einen üblen Scherz zurück. Die Leichenfrau, die „Rößlerin“ genannt, verkehrte neben ihrem Dienst auch manchmal in der sogenannten „Totenschenke“. Sie befand sich in der Kirchgasse (nicht Kirchstraße!). Hier trafen sich auch der Totengräber, der sein Zuhause am Pirnaischen Tor hatte, und andere Leute wie der „Leichenbitter“ oder der „Leichenmusikante“. Zwei Brauburschen, die sich in der Stadt verdingt hatten, und abends nach Lotzdorf mussten, bekamen mit, dass die Rößlerin noch zwei Tote ordnungsgemäß nach ihrem Kneipenbesuch einsargen wollte. Und so machten sie sich eher auf den Weg. Sie mussten lange warten, die Rößlerin hatte in der „Totenschenke“ wieder viel zu erzählen. Doch dann kam sie. Das Leichenhäusel befand sich in etwa an der Stelle, wo gegenüber dem Gasthaus „Zur Quelle“ heute ein Kindergarten steht.
Furcht kannte die Mutter Rößler nicht und die Gerüchte vom „Umgehen“ auf dem Friedhof, tat sie als Altweibergetratsche ab. Im Leichenhäusel brannte sie ein kärgliches Lichtlein an, sie kannte sich ja im Raum gut aus. Inzwischen schlug die Kirchturmuhr Mitternacht. Der eine der Brauburschen hatte das kleine Fenster lautlos geöffnet und sein Kompagnon die Tür des Häuschens mit lautem Knall zugeplautzt. Durch den Windzug erlosch das Lichtlein, wodurch der Rößlern doch etwas unheimlich wurde. Sie sieht zu ihrem Schreck wie eine weiße Hand durch das Fenster gesteckt wird und eine unheimlich klingende Stimme rief: „Gib mir meine Ruhe wieder!“
Doch die Rößlern wäre nicht die Rößlern gewesen, wie man sie kannte, wenn sie lange Furcht hatte. Sie kramt in ihrer Tasche, nimmt den noch heißen Zylinder von der Lampe und brennt sie wieder an. Dann ergreift sie die weiße Hand mit beiden Armen und drückt sie mit ihren ganzen Kräften an die Wand, den Plan hegend, die Hand hereinzuziehen. „Na warte, Dir werde ich Deine Ruhe geben!“ Der Geist zappelt nun am Fenster und windet sich vor Schmerz, schneidet doch das scharfkantige Fenstermauerwerk tief ins Fleisch. Sein Kompagnon geht ins Leichenhäusel und bittet nun die couragierte Frau um „Gnade!“
„Ihr elenden Mistkerle!“, ruft sie ihnen zu, die Hand loslassend. „Macht Euere Späße mit den jungen Weibern und lasst mich alte Frau zufrieden!“. Die Brauburschen zogen wie begossene Pudel davon und in der „Totenschenke“ hatte man für die nächsten Tage ein spannendes Thema. Seitdem hat es nie wieder am oder im Leichenhäusel gespukt. Mit dem Neubau der Friedhofsanlage in Radeberg nach 1880 verschwand auch der „Spukort“.

haweger

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