Solche Figuren kennt man aus Krimis oder Thriller-Filmen. Unauffällige Personen, die man kaum bemerkt, die kaum welche Rolle zu spielen scheinen, oft sind sie auch gutmütig und liebevoll – und die erweisen sich mehr oder weniger plötzlich als jemand ganz anderer. In den Filmen also oft sogar als ein Täter, oder eine Täterin…

Im Leben muss es nicht so weit gehen, doch es stimmt schon, dass man oft nie weiß, mit wem man auch wirklich zu tun hat; selbst wenn man mit so einer Person unter einem Dach gelebt hatte. Manchmal wird man es auch nie erfahren. Und manchmal erfährt man zufällig, dass die Person, die man scheinbar gut kannte, so etwas getan hatte, oder in bestimmten Umständen solche Merkmale aufwies, die man nie bei ihr/ihm vermuten würde.

Nicht immer sind es echte Monster, die ein ernstes Unrecht antun können. Doch…

Erst gestern habe ich etwas über meine Schwiegermutter erfahren, das ihr Bild in meinen Augen vielleicht ändern sollte...? Sie lebt nun seit 24 Jahren nicht mehr, ihr Sohn ist auch lange nicht mehr da… Und von einer Cousine von ihm, die ich erst nach seinem Tod persönlich kennengelernt hatte, und die mich ab und zu anruft, habe ich das eben gehört.

Meine Schwiegereltern fand ich nett, obwohl ein wenig langweilig, was mir ja nichts ausmachte. Alles hatte bei ihnen seine Zeit; Ruhe, jeder Tag sah glich dem anderen; und am Sonntag unbedingt Rinderrouladen mit Rotkohl und Hefeklößen. Wunderbarbar zubereitet zwar. Meine Schwiegermutter war Hausfrau, und sie war gerne eine. Sauber, frisch, gebügelt – das war für sie das Wichtigste. Dann nur eine Zeitung am Mittag, und paar Stunden Fernsehen am Abend. Alles.

Und da erfahre ich auf einmal, sie sollte meinen Schwiegervater einer anderen Frau weggenommen haben. Das selbst wäre vielleicht noch keine Sensation gewesen. Diese andere Frau war aber schwanger, und der Vater des Kindes war weg. Sie stammte aus einer Kleinstadt, was für Scham wäre das damals! Sie war in eine andere Stadt ausgereist, um bei der weiteren Familienmitgliedern die Zeit der Schwangerschaft zu verbringen. Da war sie meinem künftigen Schwiegervater begegnet. Er wollte sie heiraten, war auch bereit, das Kind als eigenes anzunehmen. Da kam aber meine energische künftige Schwiegermutter dazwischen, eins, zwei, und schon gehörte der Mann ihr…

Ob sich meine Stellung zu meiner Schwiegermutter nun verändern wird? Nein. Sollte sie meinen Schwiegervater sehr geliebt haben, muss das schon eine Rechtfertigung sein. Vielleicht ist die Geschichte auch nicht wahr, vielleicht hatte da jemand etwas falsch verstanden, oder wusste etwas nicht genau? Und vor allem: Es ist längst vorbei. Meine Schwiegermutter war gut zu mir, war gar nicht selbstverständlich war. Es gibt ja sogar Witze über böse Schwiegermütter. Ich behalte sie in meinen Erinnerungen so, wie ich sie kannte. Nicht als ein Monster.



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Kommentare (6)

Syrdal


Liebe Christine, der wichtigste Satz in deiner Erzählung lautet:

Ich behalte sie in meinen Erinnerungen so, wie ich sie kannte.

Gut so, denn wohl niemand könnte und dürfte darüber urteilen, was einst wie und weshalb und in welcher Weise geschehen ist. Und du tust ganz bestimmt recht daran, die gute Erinnerung zu erhalten und nicht mit dunklen Gedanken zu belasten…

...meint – mit lieben Grüßen -
Syrdal

Christine62laechel

@Syrdal  

Um ganz ehrlich zu sein: Es ist für mich nicht schwer, meine Schwiegermutter von ihrer mutmaßlichen Schuld zu befreien - denn ich war nicht selbst davon betroffen. Ich glaube jedoch, die andere junge Frau hätte schon Recht, es ihr einfach nie zu vergeben. Vielleicht hatte es ihr das Herz gebrochen? Obwohl es mein Schwiegervater wohl doch nicht wert war - sie konnte es aber nicht wissen. :)

Mit Grüßen
Christine

Manfred36


Ich bin auch ein Monster wenn es um Gefühle geht, und ich glaube ich bin es nicht allein. Eines geht nicht, ohne den/die Andere(n) zu verletzen, da helfen oft auch Worte nicht oder entstellen gar, wenn sie Klarheit schaffen wollen. So ist das Leben, vor allem solange man jung ist.
Schlimm ist es,wenn Kalkül Gefühle überlagert, wie es jahrhundertelang in arrangierten Verbindungen der Fall war. Wir alle kennen die diversen Folgen. Böse Schwiegermütter sind eine andere Ebene. Sie beherrschen die Märchen wie die Stiefmütter; wollen ihr Kind nicht preisgeben. Aber oberflächliche und traditionsverbogene Einstufen Dritter sind wiederum was Anderes.
 

Christine62laechel

@Manfred36  

Ja, die Sachen sind da mehr kompliziert, als man denken könnte. Man sollte  auch mit Klischees und Vorurteilen vorsichtig handeln. Insbesondere dann, wenn eine Geschichte, wie die von mir hier herbeigeführte, weit zurück in die Vergangenheit reicht, wahrscheinlich vielmals wiederholt wurde, irgedwo leise in neugierige Ohren geflüstert...

Zu den Schwiegermüttern: Ich bin selber noch keine. :) Hoffe aber, sollte mein Sohn mal eine junge Dame geheiratet haben, oder einfach in eine feste Beziehung mit ihr kommen, dass ich mit ihr genauso gut einen Kontakt finden werde, wie ich es früher mit meinen Schülerinnen konnte. :)

Songeur

Witze über böse Schwiegermütter sind mir auch zu Ohren gekommen, aber ich halte davon nichts.

Ich hatte 2 Schwiegermütter, beide überaus nette Damen und mir wohlgesonnen. Und, soweit ich das beurteilen kann, haben sie meine Schwiegerväter nicht anderen Frauen ausgespannt.


 

Christine62laechel

@Songeur  

Ja, es kommt nicht jeden Tag vor, dass man so etwas nicht gerade Schönes tut...

Doch ich glaube, und das meinte ich auch mit meinem Eintrag als einen Hintergedanken: Es gibt kaum einen Menschen, egal wie ehrlichen und gutmütigen, der/die in ihrem/seinem Leben nicht mal etwas getan hätte, das nicht gerade schön wäre. Inwieweit man es dann bereut, was man als eine Genungtuung ausgeführt hatte, diese Frage darf Jeder nur tief in der Seele beantworten...


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