Tag der Deutschen Einheit

Autor: ehemaliges Mitglied

Hallo Du Mann aus dem Osten

heute am Tag der Deutschen Einheit möchte ich Dir ein paar Gedanken und Zeilen widmen.

1988 war es, als wir uns trafen, Du aus dem Osten, aus dem Du geflohen warst und ich aus dem Westen, die nie irgendeinen Berührungspunkt mit dem Osten unseres Landes hatte, es war mir gänzlich unbekannt.

Wir verbrachten einige Zeit miteineinader, ich zeigte Dir etwas von meiner Welt, in der Du unerfahren warst, Dich aber immer reichlich bemühtest es nicht zu zeigen,  wir wanderten, kehrten in Hütten ein,wir besuchten Kneipen in der Stadt, ich nahm Dich auf das vermutlich 1. Rockkonzert Deines Lebens mit, es war Status Quo, Du warst jedenfalls begeistert, ich auch von der Band, die ich aber kannte, Du fotografiertest was die Kamera nur hergab. In unserer gemeinsam vebrachten Freizeit erzähltes Du mir etwas von Deiner mir unbekannten Welt und vieles war für mich unvorstellbar.

Irgendwann trennten sich unsere Wege, aber ich denke immer noch an unsere gemeinsame, kurze Zeit und ich hoffe, Du auch. Dass ein Jahr später die Grenze fiel, war eine Ironie des Schicksals, was aber nicht voraussehbar war und ob Du wieder in den Osten zurück gingst, ist mir auch unbekannt. Aber ich hoffe, Dein Leben wurde so, wie Du Dir es vorstelltes, meines ging einfach weiter, auch so, wie ich es wollte.

Rosenbusch, die hier gänzlich unerfahren etwas schrieb und hofft, dass es so richtig ist.


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Kommentare (11)

Syrdal

Dies ist eine der vielen Geschichten deutsch-deutscher Begegnungen, wie es sie so oder ähnlich hundertfach auf beiden Seiten gab, in West und in Ost. –  Jetzt, nach fast drei Jahrzehnten, berührt mich in dieser Erzählung am meisten der Satz: Aber ich hoffe, Dein Leben wurde so, wie Du Dir es vorstelltes, meines ging einfach weiter, auch so, wie ich es wollte.“ Dies ist so unheimlich wahr! Das Leben im Westen ging einfach weiter, das Leben  a l l e r  Menschen im Osten erfuhr aber einen abgrundtiefen Bruch mit tausendfachen scharfen, ungemein schmerzenden Splittern. Wenige konnten bald wenigstens wieder laufen, eher schlürfen, die meisten aber hatten schwer zu tun, sich wieder auch nur einigermaßen aufzurappeln und viele, sehr viele sind nie wieder auf die Beine gekommen, bis heute!
 
Ich selbst wollte mich eigentlich zum Zeitpunkt der Wende schon langsam in den wirklich verdienten Ruhestand begeben. Dann war ich plötzlich ohne Arbeit, ohne Verdienst, ohne Perspektive und das in einem Alter, in dem man im westlichen System absolut keine Chance auf eine Anstellung hatte. Ich musste mich aber irgendwie berappeln und dann ging die Ochsentour erst nochmal so richtig los.
 
Alles war neu, alle Mechanismen völlig unbekannt, das ganze System. Sich dann als Freiberufler unter den seit Jahren in meiner Branche Etablierten zu behaupten, sich durchzusetzen und schließlich mindest so anerkannt zu sein wie eben diese Etablierten, hat unendlich viel Kraft gekostet. Mehr noch: Ich musste besser sein, als die anderen und musste unwahrscheinlich viel und angestrengt arbeiten. Sehr oft hatte ich einen 20-Stunden-Tag und nur mit Unterstützung meiner Frau, die mir „den Rücken frei hielt" und mein Büro betreute, ist es mir gelungen, aber mit welchem Kraftaufwand! Und es hat viele Jahre gebraucht. Meine Frau hat es nicht durchgehalten und verstarb... sehr jung. Und ich konnte erst mit 74 Jahren dann endlich aus dem Beruf gehen, was ich eigentlich 20 Jahre früher tun wollte. Seit der Wende hatte ich nicht einen einzigen freien Tag... Urlaub? Was ist das?
 
Die Wende, der Mauerfall und die Wiedervereinigung hat uns allen, auch mir endlich das gebracht, was eigentlich vor 1948 als selbstverständlich galt: das geeinte Deutschland. Es kam aber alles ganz anders. – Aber an meinem Lebenskonzept habe ich letztlich volle 20 Jahre verloren, denn erst so viel später konnte ich nun endlich das tun, was ich mir für den Ruhestand vorgenommen habe. – Um das alles noch „erledigen“ zu können, müsste ich nun über Hundert werden... nur wird mir das nicht vergönnt sein, wie ich inzwischen medizinisch bestätigt weiß, leider! – Für die Menschen im Osten ging eben nichts weiter, gar nichts!
 
Naja, dann mach ich das alles, was ich mir für meine Altersjahre vorgenommen hatte, halt im nächsten Leben, hoffentlich dann in einem ungeteilten, rundum in allem befriedeten Land, meint
Syrdal

Syrdal



Nun melde ich mich hier doch noch einmal:

Ja, verehrte „Rosenbusch 1946“, das ist alles sehr richtig und es zeigt nur allzu deutlich, dass es eben verschiedene Systeme in diesem geschundenen deutschen Land waren.
Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, gab es in der DDR nicht, Betteln war gottlob verboten, gab es also nicht und es hatte auch niemand nötig, denn die Grundversorgung war bei jedem gesichert. – Ich hatte viele Verbindungen zum Westen, denn die halbe Verwandtschaft (meine ganze Sippe stammte aus dem Grenzgebiet Thüringen/Hessen) lebte in Hessen und ich kannte somit die ständige Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes. Schrecklich, diese ständig drohende Vorstellung, die im ehemaligen Osten nirgends ein Thema war. (Selbst Alkoholiker und Kriminelle fanden irgendwo eine Arbeitsstelle.)
Ich nehme diesen Punkt hier nur mal auf als Beispiel für die enormen Verschiedenheiten in den Systemen und appelliere einfach daran, dass sich heute endlich jeder bemühen sollte, den anderen zu verstehen, denn jeder hatte seine Probleme – hier und dort, nur in verschiedener Weise.
 
Aber leider sind kurz nach der Wende ganz schnell viele „Glücksritter“, Aufschneider, Scharlate und Geschäftemacher in den Osten geschwappt, wurden dort gutgläubig als wohlwollende Brüder empfangen und haben sich alles, was nur irgendwie zu Geld zu machen war, auf betrügerische Weise angeeignet (z.B. alte Möbel, Bilder, Porzellane, Antiquitäten jeglicher Art usw. ). – Das wirkt nach, bis heute... leider!
 
Zum anderen ein klitzekleines Beispiel: Ich fahre 3 Tage nach dem Mauerfall mit meinem „Wartburg“ nach Hessen, um Verwandte zu besuchen, die ich etwa 30 Jahre nicht gesehen hatte. D-Mark besaß ich nicht, also habe ich im „Noch-Osten“ vollgetankt und wollte mir beim Metztger gegenüber ein belegtes Brötchen holen. Es war später Vormittag. Der Metztger machte gerade seinen Laden dicht und ich traute meinen Augen nicht, im Geschäft gab es nichts, rein gar nichts! Der Meister erklärte mir, dass vor einer Stunde ein Gastwirt aus dem benachbarten (westlich gelegenen) Ort gekommen ist und alles, aber wirklich alles für den doppelten Preis (Mark der DDR) aufgekauft hat: das gesamte Fleisch, alle Würste, sogar das Fleisch, das noch im Kühlraum vorhanden war, einfach alles... Ich fragte, warum er das „Geschäft“ gemacht hat? Antwort: ich habe den doppelten Preis bekommen und dazu noch einen Hunderter in DM-West.  Es hat sich also für den Metzger im Osten gelohnt, weit mehr aber für den Aufkäufer aus dem Westen, denn der Umtauschkurs war zu dieser Zeit immerhin  8 : 1, also für eine DM gab es 8 Mark der DDR. – Noch Fragen?
 
Ich schließe das hier ab, sage aber nochmal: Wir sollten beidseitig endlich Verständnis füreinander haben. Nichts auf dieser Erde ist perfekt, der Osten war es nicht und der Westen ist es auch nicht.
 
Das Land seiner Träume muss sich der Mensch in sich selbst, in seinem Herzen und in der Seele erschaffen, damit hat er genug zu tun und meistens reicht ein einziges Leben dazu nicht einmal aus. Doch „Wir schaffen das!“, aber erst im nächsten Leben und schon gar nicht so, wie die „Abgehobene“ im Kanzleramt das postulierte, nämlich ganz, ganz anders, meint
Syrdal

 

ehemaliges Mitglied

Natürlich tut es mir  leid für die Menschen, die nach der Wende aus dem Osten mühsam im Alltagsleben unter Bedingungen, die sie nicht kannten, wieder Fuß fassen mussten. Das hat sicherlich viel Kraft gekostet, aber der Mann, von dem ich erzählte, hat viel riskiert und genau hier leben zu können und damit war er nicht allein, es gab viele die ihr Leben riskiert hatten, um genau hier im Westen leben zu  können. Ich weiss natürlich nicht wie gut oder schlecht es allen gelang.

Aber ich möchte hier einmal etwas zu bedenken geben, für uns, die im Westen geboren waren, waren die Bedingungen im Arbeitsleben nie einfach, aber wir kannten es gar nicht anders. Bei vielen gab es immer wieder Arbeitslosigkeit und damit kam immer die Angst, des Absturzes, keine Arbeit mehr zu bekommen, die Miete nicht mehr zahlen zu können, wir mussten immer damit leben. Je nach Studium, Ausbildung oder Ungelernte/r hatten alle im täglichen Arbeitsleben zu kämpfen und nicht allen war das Glück eines lebenslangen Arbeitsverhältnisses gegönnt, eigentlich war das nur bei Beamten gegeben.Und wer wie ich nach 14jähriger Hausfrauentätigkeit, was im Westen eben so war und auch politisch gewollt, wieder im Arbeitsleben Fuß fassen wollte, der hatte auch große Probleme die viel, viel Kraft gekostet haben, ich fing klein mit allen möglichen Tätigkeiten an und irgendwann hatte ich die Chance einer Fortbildung, weil mein Lebensunterhalt gesichert war und ich dann endlich wieder da war, wo ich hingehörte und selbst das war schwierig.

Mein Satz...mein Leben ging einfach weiter,..... hiess nicht, dass ich ein leichtes Leben hatte.

Bei uns gab und gibt es nur bedingt Hilfen, in der DDR gab es, was ich aus Erzählungen weiss, keine Arbeitslosigkeit, keine Angst, dass man keine Miete mehr bezahlen konnte, der Staat hat diese Dinge sicher gestellt. Dafür waren andere Dinge schlechter, was die vielen Geflüchteten bewiesen.

Rosenbusch

ehemaliges Mitglied

Über deine Erzählung habe ich mich gefreut. Danke dir dafür.

Ich glaube nicht, dass das Wesentliche und Wertvolle im Geld zu finden ist.
Das ist ein grosser Irrtum. Das Glück ist in uns selbst, unabhängig von Ort oder Land oder vermeintlichen Reichtum. 
Dies meint zumindest Agathe 

 

ehemaliges Mitglied

Danke Agathe,
wir waren jung damals,er wollte im Westen leben, so weit ich mich erinnere, war das ausschlaggebende für ihn, dass er Freiheit wollte, frei zu sein, dahin zu gehen und zu fahren wo er wollte. Seine erste Reise führte ihn nach Italien kurz nach seiner Ankunft im Westen, mit mehr Geld hatte es gar nichts zu tun, denn erstmal hatte er noch weniger zur Verfügung wie im Osten.

ehemaliges Mitglied

Was Kristine schreibt, unterstütze ich.
Eine Geschichte voller Wehmut, aber eine schöne Erinnerung. Gut zu lesen.
Gruß von Elbstromerin

 

ehemaliges Mitglied

Danke Elbstromerin, etwas Wehmut verspüre ich auch ab und zu,  aber das ist oft so, wenn man älter wird und an etwas zurück denkt, das schön war und wir beide wesentlich jünger waren.
 
Rosenbusch

werderanerin

Eine schöne, wenn auch etwas wehmütige Geschichte, liebe Rosenbusch..., schade eigentlich , dass ihr euch so aus den Augen verloren hattet.
Sicherlich fragst du dich oft, was ist aus ihm geworden, wo ist er...lebt er noch...

Im übrigen kann man hier nichts falsch machen, immer schreiben und danke dafür !

Kristine

ehemaliges Mitglied

Danke Kristine für Deinen Kommentar.
Leben hat seine eigenen Wege, die wir oft gehen müssen, manchmal aber auch wollen.
Nein, ich weiss nicht, ob er noch und wo er lebt, es ist viel Zeit vergangen.

Rosenbusch

Willy


Der aus dem Osten entflohene Hinterwäldler erfährt  und erlebt die Wunderwelt des goldenen Westens.

Willy
 

ehemaliges Mitglied

So war das weder gemeint, noch war es so, ich habe nur erzählt, wie es für uns beide war, ob es für den aus dem Osten eine Wunderwelt war, weiss ich nicht, aber letztlich hat er die DDR freiwillig verlassen, weil er im Westen leben wollte.


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