Trauer

.... Trauer, ein Gefühl, das furchtbar weh tun kann, denn es geht um Trennung, Abschied, zerrissen und verlassen sein. Immer geht ein Verlust voraus von jemandem oder etwas, was man verehrte, brauchte, mochte, liebte – praktisch oder symbolisch: Partner, Kinder Eltern, Hund, Puppe, Schönheit, Heimat usw. usf. Dann kann es dunkel werden um einen herum, nirgends ein Lichtschein.
.... Gegen jedes Wehwehchen gibt es auch eine Pille, daran haben wir uns gewöhnt, bzw. hätten wir gern. Aber die Trauer mit Gewalt zu verjagen, Drogen etwa, hilft kaum. Dann kommt sie oft zurück in Form von Neurosen, Albträumen, Gespenstern.
.... Auch du hast Trauer erlebt, bestimmt, bist traurig gewesen oder bist es gerade jetzt. Worüber trauerst du? Was hat dir geholfen? Gab es irgendwelche Rituale, die dich gestützt haben, an die du dich gern erinnerst? Und die vielleicht auch anderen helfen könnten?


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Kommentare (13)

nnamttor44

Als Kind habe ich meine Mutter bitter vermisst, hatte ich sie doch leiden sehen bis zu ihrem Tod, als ich sieben Jahre alt wurde.

Was der Tod bedeutete, war mir zu Anfang nicht bewusst. Nur einfach, dass sie nicht mehr da war. Es gab keinen Trost von der restlichen Familie und so tröstete ich mich selber: sie ist jetzt im Himmel und dort hat sie keine Schmerzen mehr, ihr kann nichts Böses mehr widerfahren.

Diese Einstellung hat mir mein ganzes Leben lang geholfen, das Sterben anderer mir lieben Menschen zu ertragen.

Doch meine ältere Schwester ließ ihre Trauer in bösen, sich wiederholenden Vorwürfen für mich heraus. Ich sei Schuld gewesen an der Krebserkrankung unserer Mutter! Hätte ich nicht mit acht Monaten im Kinderwagen von unserer Mutter bei Bombenalarm in den sicheren Keller getragen werden müssen, hätte sie sich nicht am Kinderwagen ihre Brust gestoßen, als sie auf der steilen Treppe stolperte.

Sie wollte als Erwachsene auch nicht wahr haben, dass solche Ödeme keinen Krebs verursachen. Es hätte ihr das Bild von meiner Schuld zerstört ...  Als sie heiratete, gab es den Vorwurf, ohne mich würde unsere Mutter an ihrem Hochzeitstag mit ihr feiern können ... Da war ich 16. Sie hat nie ihre Trauer, ihre Vorwürfe bearbeiten mögen, bis heute. Eigentlich tut sie mir leid.

Ich habe gelernt, mit solch schweren Verlusten jeweils fertig zu werden. Doch dieses Geschehen kann ich nicht vergessen.

Heute bin ich glücklich, dass ich meine Kinder erwachsen werden sehen, in ihr Leben begleiten durfte. Das war meiner Mutter nicht vergönnt. Ein wenig versöhnt und dankbar für 40 Jahre mehr Leben fühle ich mich heute. 

nnamttor44

silesio

@nnamttor44  
"Heute bin ich glücklich!" Welch ein wunderbarer, triumpfaler Satz.
Dieses Ziel zu erreichen, gibt es wahrscheinlich so viel Wege wie es Menschen gibt.
Christoph

Eine gute Woche!

ehemaliges Mitglied

Trauer hilft uns mit Verlust zurecht zu kommen - Tränen sind ein Geschenk
Man erklärte mir, ich sollte mich zusammenreißen, doch wozu sollte das gut sein?
Wenn dem Menschen Tränen gegeben sind, dann darf er sie auch weinen, dann geht es wieder eine Weile.
Inzwischen hat man die Tränenflüssigkeit untersucht und weiß, darin befinden sich Stresshormone - die werden mit den Tränen aus dem Körper gespült und daher rührt ein Teil der Erleichterung.
Die alten Griechen kannten sehr ausgeprägte und wirkungsvolle Trauerrituale -
siehe Jorgos Canacakis und seine Bücher über die Trauer
Von ihm habe ich gelernt, dass Trauer Zeugen und Zeit braucht und Abschiedsrituale bedeutungsvoll sind.
Er meinte: Wenigstens ein Mensch muss deinen Schmerz bezeugen können - er muss ihn nicht teilen, aber wahrnehmen.
Ich habe in schweren Zeiten meinen Kummer aufgeschrieben und dann, als ich dazu bereit war, die Zettel ganz bewusst verbrannt. Verbrennen hat für mich die größte Symbolkraft - aus Schmerz, wird Wärme und sogar Licht. Trauer ist wandlungsfähig. Nehmt euch die Zeit die ihr braucht. 

Es hat sich so ergeben, dass ich einige Menschen durch tiefe Trauer begleitet habe. Lasst den Schmerz schmerzen und er wird heilen. Verdrängt den Schmerz der Trauer und er wird euch möglicherweise lange innerlich blockieren. 
Ich weiß, wie schmerzlich es ist und ich weiß, dass sich der innere Schmerz auch wieder beruhigt. Habt Mut!

Gruß von
WurzelFluegel

 

silesio

@WurzelFluegel  
Danke für deine offenen Worte.
Ich sehe es so  und ich merke selbst, es klingt etwas schematisch:
Man soll sich der Trauer nicht willen- und tatanlos hingeben, weil man sonst völlig in ihr versinkt. Man soll aber auch nicht versuchen, sie mit grossem Brimborium zu vertreiben oder zu unterdr¨cken.
weil dann ser Schuss nach hinten losgehen kann.
So kühl und analytisch würde ich allerdings nie mit einem Trauernden sprechen.
Zu einer solchen Begegnung gehört anderes und mehr

Christine62laechel



Ich glaube, es hängt auch damit zusammen, inwieweit anders unsere Lebensituation dadurch wurde. Doch auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass man diejenigen, die nun nicht mehr da sind - egal ob sie es selber wollten, oder mussten - nicht mit einer allzu langen Trauer quälen sollte. Vielleicht bekommen sie unsere Traurigkeit mit... Mögen sie da ihre Ruhe haben; manche konnten sie hier nicht finden. Eine herzhafte Erinnerung ab und zu - natürlich.

Mit Grüßen
Christine

silesio

@Christine62laechel  
Andere mit meiner Trauer quälen!? Hmm. Man sollte wohl auch nicht andere mit seiner Existenz quälen!
Nein, zu trauern ist dein Recht, ob´s andern passt oder nicht!
Aber man könnte es ja mal mit einer Erklärung versuchen!

Christine62laechel

@silesio  

Nicht Andere, lieber Christoph, sondern die Verstorbenen. "Quälen" war bewusst ein zu großes Wort. R.I.P. heißt das ja - und deswegen glaube ich, man sollte nur so lange und so intensiv trauern, wie es einem gerade notwendig ist. Dann sollte man einfach nur brav weiter gehen. Show must go on. Und die Abwesenden mögen eben in Ruhe das genießen, was Jenseits zu genießen sei.

silesio

@Christine62laechel  
Du kommst mir ungeheuer heroisch vor: Ich will von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr trauern, also ist die Trauer vorüber, und ich trauere nicht mehr. Klappt das ? Kann das klappen?
Du nimmst viel Rücksicht auf die Verstorbenen und hast jedes Recht dazu.. Aber mir ist deren Zustand schnupppe, ehrlich gesagt. Ich kann sie sowieso nicht erreichen und beeinflussen.
Ich vermute, es steckt da etwas anderes dahinter: Du bist (warst) katholisch, ich bin Lutheraner.
Eine gute Woche
Christoph

Winterrose

Den Seelenschmerz kann einem niemand annehmen, lieber Christoph. Den muss man alleine ertragen. Dennoch hat mir der Satz eines guten Freundes jedes Mal sehr geholfen, wenn einer meiner Lieblingsmenschen in die Ewigkeit entschwunden ist:
„Sei dankbar für die gemeinsam erlebte Zeit !“
Und das war - und bin ich immer noch.
Liebe Grüße von
Laura, die für diesen Satz auch heute noch dankbar ist.

silesio

@Winterrose
Danke, Winterrose, für die Einsicht in dein tiefstes Inneres..
Mögest du deine Erkenntnis behalten und möge sie dich festhalten auch in Zukunft
Christoph, UK  

Syrdal


Silesio, diesen langen schweren Weg, durch die Trauer zu gehen, muss ein jeder für sich selbst finden, aber man muss hindurch gehen und nicht mit irgendwelchen „Ratschlägen“ oder „Trauer-Bewältigungstrategien“ anderer Menschen an seiner eigenen Trauer vorüber gehen wollen. Das geht nicht, denn so bleibt die Trauer unbewältigt...

...weiß
Syrdal

Distel1fink7

Nach dem Tod meines Mannes habe ich sofort Berlin verlassen.
Die Erinnerungen hörten und würden nicht aufhören, was ja eigentlich
willkommen ist. Ich fragte mich,, was er wohl gewollt hätte. "GEH hinaus
ins Leben und klebe ni cht fest "

Ich hab es versucht, verließ die Stadt, ging zurück in meine Heimatstadt
und überlegte. Ich kann keine Grabstätte besuchen, liegt in der Ostsee,
sein Wunsch.
Ja, alles war schwarz. Dann merkte ich, dass es die Hospiz-Bewegung
gab und ich dachte, jetzt bau ich Dir ein ganz anderes Grabmal und
Begann mit der Ausbildung als Begleiterin . Ich lernte zu verstehen,
abzugeben, Sterbende zu respektvoll zu halten,. Acht lange Jahre 
lang. Ich fühlte mich wieder lebendig und sage heute noch DANKE 
dafür, Ja, ich habe gegeben aber mehr zurückbekommen.

Gruß vom Distel1fink7

silesio

@Distel1fink7
Danke für deinen sehr persönlichen Beitrag, aus dem ich für mich zweierlei festhalten möchte: 1) Man möchte am liebsten weglaufen, nur nicht bleiben am Ort der Qual, 2) man ist verwirrt, aus dem Rhythmus gebracht, weiss nichts mit sich anzufangen
Christoph


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