„In der Ehe kann man nur unglücklich werden!“



„In der Ehe kann man nur unglücklich werden!“

Vor über 100 Jahren stellte Radebergs Junggesellenverein „Immergrün“ seine Meinung von Ehe und Familie vor

Zu den eher kuriosen Gründungen von Vereinen gehörte in Radeberg der über dreißig Jahre agierende Junggesellenverein „Immergrün“. 1888 gegründet hörte er mit dem Ende des ersten Weltkriegs auf zu existieren. Der Verein war ursprünglich von ehelosen Jungakademikern gegründet worden. Doch allmählich gewöhnte man sich in Radeberg an den Verein mit seinen vielen „aufreizenden Veranstaltungen“. Denn obwohl man gern Junggeselle war oder auch bleiben wollte, Veranstaltungen mit der holden Weiblichkeit galten als durchaus satzungskonform. Dieses hatte Radebergs Junggesellen sogar in höchster Instanz klären lassen, hatten doch zwei Vereinsmitglieder über die „Unerträglichkeit weiblichen Parfüms“ geklagt. Denen wurde höchst richterlich beschieden, dass sie ja zu Hause bleiben bzw. nach Hause gehen könnten. In der Satzung gab es für Vergnügungsveranstaltungen keine Anwesenheitspflicht.
Im Frühjahr 1912, nach dem in aller Munde gewesenen „Junggesellenmaskenball“, musste der Verein handeln. Die Fastnachtsveranstaltung hatte zu achtzehn Austritten von Junggesellen geführt, die in den Tanznächten in die Hände Amors gefallen waren. Man sah sich in seiner Existenz bedroht. Zumindest die eingefleischten Junggesellen. Und so beschloss man einen neuen Vereinsspruch. „In der Ehe soll jeder nach seiner Fasson unglücklich werden“, was in der Zeitung mit „In der Ehe kann man nur unglücklich werden“ herüberkam. Gegendarstellung und Ehrenerklärungen machten die Runde. Dem Ganzen wurde dann die Krone aufgesetzt als man den Berliner Kabarettisten Wilhelm Cremer einlud. Mit seinem Programm „Aphorismen eines vorlauten Junggesellen“ traf er nicht nur den Nerv Radeberger Junggesellen. Auch manche Herrenrunde trug die „ehespöttischen Bemerkungen“ mit großer Erheiterung aber auch volksphilosophischem Gedankengut vor.
So wurde die Ehe mit dem Niagarafall verglichen. „Den soll man sich nur aus einer gewissen Entfernung ansehen, wer hineinfällt, ist verloren!“ Bezug wurde auf Lessing genommen. „Kein Mensch muss müssen! Sagte der alte Lessing. War der denn nicht verheiratet?“ Auch über die Demokratie in der Ehe wurde gespottet. „Die Ehe ist ein Parlament zu Zweien, in dem die Frau immer die Majorität hat.“ Oder als Ratschlag für den Umgang mit Frauen wurde verkündet „Man kann (s)einer Frau die schlimmsten Dinge vorwerfen, wütend und entrüstet wird sie erst, wenn man sie ihr beweist!“
Es gab auch Protestbriefe und einige Male versammelten sich auch Frauen aus der emanzipatorischen Bewegung vor dem Vereinslokal, dem Radeberger „Kaiserhof“. Der Verein existiert nicht mehr, jedoch kursieren noch immer Meinungen über das schöne Geschlecht im Radeberger Land, jetzt manchmal verkauft als „Volksweisheiten“.

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