„Sie haben noch ihren Hut auf!“


„Sie haben noch ihren Hut auf!“

Kurioses aus einer Schulinspektion anno 1909

Im Jahre 1909 kam es an den beiden Radeberger Schulen zu einer Schulinspektion, deren eher lustigen Seiten der Lehrer Johannes Kirschen anlässlich einer Lehrerkonferenz zum Besten gab. Auslöser der Schulinspektion war eine Schulkonferenz, bei der die Radeberger Pädagogen gefordert hatten, dass die Schulkinder im Unterrichtsgespräch mehr mit der sie umgebenden Wirklichkeit konfrontiert werden. Und so kam im März der von den Lehrern gefürchtete Schulinspektor Dr. Vogel. Er galt als streng und wenig diskutierfreudig. In einigen Klassen erteilte er selbst Unterricht oder griff in das Unterrichtsgeschehen ein.
In einer größeren Mädchenklasse stellte er die Frage, was den Schülerinnen auffällt. Im Klassenzimmer hing ein Bild neben der Wandtafel deutlich schief. „Nun kann mir eine von Euch sagen, was hier im Zimmer nicht in Ordnung ist?“ Zunächst kam ein großes Schweigen. Dr. Vogel erlaubte, dass man sich auch mal umdrehen kann. „Prüft genau, was nicht richtig ist!“, forderte er die Kinder auf. Es kam zu vielen Antworten, sogar ein unsauberer Lehrertisch wurde genannt. Doch niemand brachte die gewünschte Antwort vor. Im Sinne des Fortgangs des Unterrichts grenzte Dr. Vogel das zu bewertende Feld ein. Er trat in die Nähe des schief hängenden Bildes und sagte: „Der Fehler ist in meiner unmittelbaren Nähe zu finden!“ Darauf meldete sich Ilse König. „Sie haben noch den Hut auf!“ Ein eher unterdrücktes Kichern folgte, denn damals war eine Kritik an einer Autorität nicht so leicht zu bewerkstelligen. Dr. Vogel soll etwas blass geworden sein, um dann über allgemeine Verhaltensweisen des Räsonierens zu sprechen. Zum Schluss der Stunde mussten die Schülerinnen als Hausaufgabe Wörter mit dem Wort Fehler schriftlich niederlegen. Das schief hängende Bild wurde nicht mehr beachtet.

Auch in einer Deutschstunde an der Knabenschule (heute Pestalozzischule) hielt Dr. Vogel Unterricht. Es ging um den dritten und vierten Fall in der Grammatik. Und so fragte er: „Sagt mir einmal, wo sitzt denn die Nase – ins Gesicht oder im Gesicht?“ Sofort meldeten sich mehrere Schüler. Der drankam sagte „Ins Gesicht“. „Nein, das ist falsch. Wenn Du zum Beispiel in den Wald gehst und ein Zweig schlägt dich, wohin schlägt er dich – ins Gesicht oder im Gesicht?“ Nun wenn „ins Gesicht“ falsch ist, wird wohl „im Gesicht“ richtig sein, dachten einige Schüler. Und an einen solchen geriet der Schulinspektor. „Im Gesicht“, war die Antwort. Fast dem Fluchen nahe äußerte sich Dr. Vogel „Nein und nochmals nein, das ist falsch, ins Gesicht ist richtig!“ Das Gespräch mit Beispielen fortführend will der Schulinspektor nun wissen „Wo sitzt denn unsere Nase?“
Großes Zögern. Dr. Vogel wiederholt die Frage und fordert einfach einen vor ihm sitzenden Jungen auf. „Nun wo befindet sich die Nase?“ Die Antwort kam für den Pädagogen überraschend. „Überm Maul würde mein Vater sagen, doch besseres Deutsch ist über der Gusche!“ Auch hier unterdrücktes Lachen von einigen. Als Hausaufgabe gab es je dreißigmal zu schreiben: Der Zweig schlägt ins Gesicht. Die Nase befindet sich im Gesicht. So wurde damals zur Realität erzogen.

haweger

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Kommentare (1)

omasigi auch ich/wir mussten oft einen Satz 100x oder oefters als Strafarbeit schreiben.
Der Sinn oder Unsinn wurde war mal Diskusionsthema im Elternabend meiner Kínder.
Grund es gab ein Lehrer, der diese alte Methode noch angewendet hat.

omasigi

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