„Was auf dem Bocke sitzt kommt zu uns!“


Schauspielereien vor 140 Jahren glossieren den Tageswitz

Bei meinen Recherchen zu den Umständen worüber unsere Vorfahren gelacht haben, stieß ich auf die Posse des schlesischen Erfolgsautors Holtei, dessen Stück „Dreiunddreißig Minuten in Grünberg“ 1880 vom Dresdner Hofschauspieler Löber bearbeitet wurde und im nahen Augustusbad zur Uraufführung gelangte. Möglicherweise hatte Löber bei einem seiner Ausflüge auch den Grünberger Gasthof oder die nahe Schafschänke besucht, denn er versucht in der Posse die angetroffenen Gegebenheiten zu skizzieren und zu parodieren.

Der Umstand des Einakters rührt aus der zufälligen Begegnung von Jeremias Klagesanft, Klempnermeister aus Breslau, mit der Witwe Rosaura Klagesanft aus Berlin, seiner Schwägerin, die sich zufällig wegen des starken Regens im Grünberger Gasthof treffen. Das Stück wurde von einem tragenden Lied begleitet, dessen Anfangstext den Zuhörer und Zuschauer immer wieder daran erinnerte, wo und vor allem warum man in Grünberg war.

So sang Klagesanft zwischen den gesprochenen Texten immer wieder: „Da fuhr ich nun im größten Regen, Regen, Regen, immer weg auf Groß-Berlin, die Schwägerin kommt mir entgegen, entgegen, wie ich just hier in Grünberg bin“. Dritte im Spiel war das Schankmädchen Trine, die nun versuchen musste, die seltenen Gäste vor Ort zu halten und sie zu bedienen. Von dieser Dreierkonstellation lebte das Stück.

Gleich zu Anfang beschwert sich Trine, dass man zwar ein Zimmer habe, aber noch kein Bett sich darin befindet. Als der Gast anhebt sich zu beschweren, sagt Trine im schönsten Sächsisch „Nu, man kann ni alles uff eenmal machen. Und sachen muss ich Ihnen, bei son Wetter geht man ja ooch nich uff Reisen“. Inzwischen kommt die Witwe an und da kein Zimmer mehr frei war, einigt man sich, dass beide in dem Zimmer nächtigen können. Zu diesem Zeitpunkt ahnen beide noch nicht, dass sie verwandt sind. Als das dann geklärt ist, will man etwas trinken.

„Was habt ihr für Wein?“, und das in einer Biergegend. Und so wird vom Wächterwein, vom Wendewein, vom Strumpfwein und vom Schulwein schwadroniert und letztlich mündet das Ganze im „Grünberger Champagner“. Rosauna, aus der großen Stadt Berlin, erklärt die Weinsorten. „Vier – Männer – Wein ist derjenige, den kein Mensch zu sich nimmt, es sei denn, drei Männer halten ihn und der vierte schüttet ihm den Wein in die Gurgel. Wächter und Wendewein ist eigentlich derselbe. Wenn man ihn genossen hat, muss man sich alle halbe Stunde nachts von einem Wächter wecken lassen, und sich umwenden; damit der Wein einem nicht ein Loch in den Magen frisst. Tja und Strumpf-Wein ist so scharf, dass er bei nur mäßigem Genuss schon die Löcher im Strumpf zusammenzieht.“ „Nee, so etwas trinke ich eher nich, und was ist Schulwein?“, will Jeremias Klagesanft wissen. „Der Schulwein wird den Kindern vorgehalten, wenn sie nicht zur Schule gehen wollen. Man zeigt ihnen die Sorte – und schon machen sie sich auf den Weg“.

Im Weitergehen der Handlung nimmt man eine Flasche Wendewein, der so sauer ist, obwohl Trine ihn als „guten Wein für gutes Geld“ anbot, dass die Witwe Klagesanft mitgeführten Zucker ins Weinglas schüttert. Und obwohl sie mit dem Zucker „urscht“, er schmeckt nicht besser und stellt daraufhin Trine zur Rede. Sie beteuert „Es ist unser Bester“, worauf die beiden Gäste ihn als „Vierräuberessig“ deklarieren. Der Begriff war damals noch allgegenwärtig. Er benannte einen Kräuteressigauszug in dem Wermut, Rosmarin, Wacholder, Lavendel, Kalmuswurzel, Knoblauch, Zimt, Muskat, Nelken, Pfefferminze, Engelwurz und Kampfer vereint waren.

Zum Schluss einigt man sich auf Grünberger Champagner. Berauscht von dem Getränk nähern sich beide an und verbringen den Rest der Nacht im Quartier gemeinsam. Manche Episode und manche Zote wird eingeflochten, Klamauk und Unterhaltung in einem. Wenn man der Kritik glauben darf, gab es tosenden Beifall.

haweger

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