Ursus

Als ich Anfang August 1944 das Licht der Welt erblickte, hatte meine Mutter sich entschieden, sollte ihr Kind ein Mädchen sein, es Ursula zu nennen. Dieser Mädchenname wurde zu der Zeit offenbar gern genommen, auch in der Schule erfuhr ich dann, dass mit mir gleich weitere drei Mädels in meiner Klasse diesen Namen trugen. Also wurden dort schnellstens die „Verniedlichungen“, die sich dazu anboten, verteilt: Ulla, Uschi, Ursel, Ulli , damit man uns voneinander unterscheiden konnte.

Von meinem Vater bekam ich im Grundschulalter oft zu hören:

Uschi, puschi,
keiner wusch sie,
kam der Koch,
wusch sie doch!

Oh, wie hasste ich diesen Spruch, dabei war er eher zärtlich veralbert gemeint. Aber ich bekam auch ein Buch: Liebe kleine Ursula und später die Fortsetzung Ursula Theen. Das versöhnte mich ein wenig mit der Veralberung meines Namens.

Hätte ich seinerzeit gewusst, wie dieser Name in alten Zeiten einmal entstanden ist, dass er dem lateinischen Ausdruck für „Bär“ entstammt: Ursus = Bär, vermutlich hätte ich mich in meiner Kindheit und Jugend etwas anders gegen Foppereien gewehrt. Heute habe ich auf meinem Schreibtisch einen kleinen Braunbären stehen …

Ich kann mir vorstellen, dass so manches Kind sich fragt, warum die Eltern es ausgerechnet mit diesem ihrem Namen versehen haben. Es war seinerzeit üblich, dass ein Kind den Namen seiner Großeltern oder einer/s Pate/in erhielt, so dass so mancher Heinrich oder eine Clara, bzw. Clothilde mit ihrem Namen gefoppt – heute würde man sagen – gemobbt – wurde. So gesehen hatte ich es noch gut!

Eine Zeit lang schämte ich mich für meinen Namen, weil in der Öffentlichkeit oft dieser abgekürzte Name für Prostituierte herhalten musste. Doch irgendwann war die Entscheidung in meinem Kopf: ich bin ich, einfach die Ursula, die Uschi! Es gab keine Vergleiche mehr!

Als ich selber Mutter wurde, hatte mein Mann einen Kollegen, der einige Jahre in Norwegen gearbeitet, dort auch seine Frau kennengelernt und geheiratet hatte. Sie nannten damals ihren Erstgeborenen Björn-Martin. Ich fand diesen Namen sehr schön, nannte später meinen Sohn Björn Andreas, als Rufname aber eher nur Björn. Meine Verwandten empfanden diesen nordischen Namen eher als Zungenbrecher! Es wurde erst viel gelästert, aber ich blieb dabei, verwies nur kurze Zeit später darauf, dass sogar deutsche Politiker diesen Vornamen trugen (Björn Engholm in Schleswig-Holstein). Da war endlich „Ruhe im Karton“!

Als mein Großvater 100 Jahre alt wurde und die ganze große Familie (ca. 100 Angehörige) an ihm zum Glück wünschen vorbei zog, war ich der Meinung, er würde nicht auch alle Urenkel mit Namen kennen und nannte ihm den Doppelnamen meines Sohnes: Björn Andreas. „Hast Du noch einen Sohn bekommen?“ war seine erstaunte Frage. Wir mussten so lachen. Ich erklärte ihm, dass ich angenommen hatte, er könnte den eher dunklen “Ö“-Ton in Björn nicht so gut hören, da er ja schwerhörig war.

Ein „A“ wird mit offenem Mund gesprochen und wird viel eher klar gehört als ein“Ö“. Deshalb hatte ich den Zweitnamen Andreas dazu genannt. Eine kleine Geschichte, die wir nie vergessen haben. Ich denke, meines Sohnes Name war der einzige Name in der Schar von Opas Enkel, der nicht deutschen Ursprungs war. Opa hatte ihn sich gut gemerkt! Er war schließlich in seinem Leben weit herumgekommen und hatte so manches erlebt und gehört, wovon wir Enkel nie etwas erfahren haben. Und all die urdeutschen Namen der vielen Enkel stets dem richtigen Kind zuzuordnen, war bestimmt nicht so einfach für den Senior. Aber so ein Ausnahme-Name war wohl dazu angetan, dem Jungen gleich die richtige Zuordnung zu geben.

Es hat eine Zeit gedauert, bis ich dahinter kam, dass sowohl mein Vorname Ursula) als auch der meines Sohnes den gleichen Ursprung haben: Ursus, der Bär!

 

Anzeige

Kommentare (4)

nnamttor44

Ich vergaß übrigens zu erwähnen, dass der Name Björn in Skandinavien für jeden Bären gebraucht wird. Als ich den o.g. Bekannten erzählte, wie ich meinen Sohn genannt habe, kam ein begeistertes "oh, ein lille Björn"!

Ist schon lange her, er ist nicht mehr lille, er ist ein 56 Jahre alter großer stämmiger Bär!

Distel1fink7

Sehr interessante Geschichte, Ursula. Die besten schreibt das Leben
selbst,. Danke
Lieben Gruß Distel1fink7

nnamttor44

@Distel1fink7  

Danke Dir, liebe Distel1fink7!

Dein Gruß macht mich direkt ein wenig neugierig, warum Du Dir diesen Namen zugelegt hast, zumal sicherlich sowohl die 1 hinter der Distel als auch die 7 am Ende des Namens sowie Distel als auch Fink bestimmt eine Bedeutung haben werden?

Doch wenn Du dieses Geheimnis nicht lüften möchtest, kann ich das auch respektieren. Für die Wahl eines solcen Namens hat man eben auch seine Gründe.

Lieben Gruß  von Uschi

Distel1fink7

@nnamttor44  

Liebe Uschi,


Du hast ja Recht,  hinter jeden Namen steht fast eine
Geschichte.

Ich dachte an den Film Dornenvögel und da passte so vieles.
Die Dornen und ja ein schöner Vogel.

Freut mich,, dass Du Dich interessiert hast...........
Gruß von Renate


Anzeige