Verwunschene Gedanken I.


Verwunschene Gedanken I.

Es ist ein grauer Tag im November, feiner Nieselregen erfüllt die Luft mit einem nasskalten Anklang. Während ich mir John Clares Gedichte zu Gemüte führe, sehne ich mich nach jener Zeit (1793-1864), in der sie entstanden sind. Wirklich?
Ist es so erstrebenswert, diese enormen Klassenunterschiede des damaligen französischen Königreiches herbeizuwünschen? Sicher nicht, solche Wünsche sind, in dieser Übergangszeit zwischen den Welten, als in Frankreich die große, zum Teil auch erschreckende Revolution ihren Anfang nahm, als Louis XVI. und Marie Antoinette versuchten, das Leben der Menschen noch stärker zu beeinflussen, unmöglich!
Aber zu dieser Zeit begann auch die romantische Bewegung in Europa.

 »Ich bin! Doch was ich bin -
mag's keiner wissen?
Im Stich gelassen und
gefallen aus der Zeit.«


John Clare, der Engländer, hat hier mit seinen nostalgischen Anwandlungen mitten in ein Wespennest gestochen. Welche Zeitläufte der Dichter damit meint, tut er uns nicht kund. Es scheint dabei, dass jenes eigene Dasein, dessen er sich rückblickend erinnert, doch Zweifel aufkommen lässt, lebenswert gewesen sei. Später fragt er weiter, und mit diesem Fragen erschliesst sich ein weiteres Feld der Fragen nach dem Sein.
»Und was ist Leben? 
Eine Sanduhr auf der Flucht,
ein Nebel, der sich löst
in Sonn' und Wind,
ein immer wiederkehrender Traum,
der stets geträumt sein muss.
Und Glück? Eine Blase im Strom,
die beim Ergreifen in ein
Nichts zusammenschrumpft«


Wir alle leiden doch an Nostalgie, mehr oder weniger ist jeder Mensch dazu verurteilt, sich zu erinnern oder auch manches zu bereuen, doch wir bleiben immer darin verstrickt, im Sinne des natürlichen Ablaufs unseres Lebens.
Falsch oder nicht, wir haben zu allen Zeiten Träume gewebt, haben Gespinsten nachgetrauert, von denen alle wussten, dass sie nie in Erfüllung gehen könnten! Wir ersehnten immer eine wirkliche Zukunft - eine Brücke zwischen heute und morgen, ohne Abkürzung, ein Weg, auf dem wir sicher entlangwandern könnten.
Dieser Weg sollte ohne Bangen sein, ohne Angst vor zukünftigen Taten, ohne das widerspenstige Schwert einer unsicheren Welt.
Und dann? Wie drückte John Clare es aus: »Eine Blase Luft in einem Strom!«

 
~©by Pan~

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Kommentare (3)

Rosi65


"Und was ist Leben?
 Eine Sanduhr auf der Flucht,...


Eine beeindruckende Metapher, die aus der Dunkelkammer des Denkens von einem früheren Dichter aufs Papier gebracht wurde, und die uns auch nach über 150 Jahren noch seltsam berührt und zum Grübeln anregt.

Manfred36



Der Romantiker John Clare war schon auf dem Weg in die Moderne mit Individualität und Subjektivität als wichtigen Themen der Literatur. Die Autoren schreiben über Ideen und Gefühle, Tod, Verfall und Dekadenz. Wir haben nach ihm noch die Postmoderne und Jetztzeit erlebt. Ehemals große literarische Themen wie beispielsweise die Liebe haben bereits in der Postmoderne Bedeutung verloren. Unsere heutigen Motive sind vielfach die Sinnlosigkeit der Welt und ein  pessimistischer Blickwinkel auf sie.

Luftblase im Strom.
Was bleibt vom Leben zurück?
Nur eine Schleifspur!

Syrdal


...und doch erwacht an jedem neuen Morgen die Chance auf einen kraftvollen Neubeginn – ohne Bangen, ohne Angst!

...meint mit Sonntagsgrüßen
Syrdal


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