Verwunschene Gedanken XXXI.


Verwunschene Gedanken XXXI.

 
Deutsche Welt
 
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Heinrich Heine schrieb dies 1846 in seinem Gedicht »Nachtgedanken«. Für mich selbst
ist Heine der Dichter, der meinem Herzen von allen Poeten des 19.Jahrhunderts am Nächsten steht. Ich kann mit ihm fühlen, erleben und alles erdulden, was auch ihn umtrieb. Sein ganzes Wirken hat mich seit meiner Schulzeit begleitet! Darüber will ich jedoch erst in den folgenden Tagen etwas schreiben - heute jedoch ist es ein Text aus dem 17.Jahrhundert, der mich irgendwie beeindruckt hat. Es war ein relativ wenig bekannter Dichter, der diese nachstehenden Verse damals zu Papier brachte, sein Name ist Hans Assmann von Abschatz,
(er lebte 1646-1699 in Schlesien)
 
Hier dieser Text, der mich bewegte:

Wie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen!
Man deckt und kleidet sich,
man schreibet, singt und spricht,
man reiset, schläft und ißt, man reitet,
tanzt und ficht’ nach neu erwählter Art.

Wer Glück und Gunst will hoffen,
Muss sich in allem Tun der Neuigkeit bequemen,
Sonst wird ihn Überwitz mit Hohn und Spott beschämen.

Das Alter wird veracht, das doch so viel’ begehren;
Doch will ich lieber alt- als jungeboren sein.

Mit Aufgeld tauschet man die alten Münzen ein;
Der Firnewein *) gilt mehr, als der noch soll verjähren.
Man sieht die Aloe nach hundert Jahren blühen,
Der jungen Tulpe Pracht in kurzer Zeit entfliehen!


 *) im strengen Sinne als fehlerhafter Wein
durch Überlagerung oder auch falsche Lagerung

 
Ja, man sieht die Probleme der heutigen Welt nach dem Lesen dieses Textes wahrscheinlich mit den gleichen Augen, wie der Dichter vor 300 Jahren. Was hilft es? Es hat überhaupt keinen Zweck, darüber zu lamentieren - man hat es auch in fünfzehn Generationen nicht geschafft, das Rätsel des Lebens aufzulösen ...

©by H.C.G.Lux

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Kommentare (3)

Federstrich

Hallo Pan,

den Jungen wird in Sonntagsreden von grauen Scheiteln oft ans Herz gelegt, sie mögen sich ihre gesunde Neugier auf das Leben bewahren und sich den Herausforderungen der Zeit an ihre Generation mutig stellen. Diese Hoffnung impliziert, dass man selber in reiferen Jahren freilich nicht mehr "alles mitmachen" müsse. Es schwingt auch etwas stille Resignation und das Bewusstsein über die eigenen Grenzen mit. Man möchte aber diese Skepsis bzw. Abstinenz nicht vorgehalten gekommen und erwartet Anerkennung für etwas, das eigentlich kein Verdienst ist: das Alter.
Das Tröstende ist, dass der Moment des bewussten Verzichts auf Novitäten bei jedem ab einem bestimmten Punkt einsetzt, bei manchem früher, bei anderen später, aber der Punkt kommt. Ich halte es für keinen Zufall, dass ein so (welt-)offener, vielseitig interessierter und auch im Alter noch neugieriger Mensch wie Goethe diesen Punkt bei sich in der zweiten Hälfte der 70er für gekommen sah. Ein Mann, der sich in jungen Jahren bemühte, in Sprache, Kleidung und Manieren à la mode zu sein, neues Wissen in sich aufsaugen wollte, der "in" sein und "mitmischen" wollte, klagte über hundert Jahre nach von Abschatz  seinem Freund, „alles aber, mein Teuerster, ist jetzt ultra, alles transzendiert unaufhaltsam, im Denken wie im Tun. Niemand kennt sich mehr, niemand begreift das Element worin er schwebt und wirkt, niemand den Stoff den er bearbeitet. […] Junge Leute werden viel zu früh aufgeregt und dann im Zeitstrudel fortgerissen; Reichtum und Schnelligkeit ist was die Welt bewundert und wonach jeder strebt; Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle mögliche Fazilitäten der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten, zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren. […]"
und beschwört ihn fast trotzig: "Lass uns soviel als möglich an der Gesinnung halten in der wir herankamen, wir werden, mit vielleicht noch wenigen, die Letzten sein einer Epoche die sobald nicht wiederkehrt.“
Der Zeitstrudel ist nicht aufzuhalten. Diese Erfahrungen macht jede Generation erneut. Darin sehe ich eher den Lauf des Lebens und kein Rätsel,
meint Federstrich




 

Syrdal


Das Rätsel des Lebens, wer könnt es ergründen,
in aller Ewigkeit bleibt es verborgen,
solange wir uns nicht mit dem Gott verbinden,
der wieder und wieder erschafft jeden Morgen.

......................

Ob der einfältig kleine Mensch dies irgendwann einmal begreifen wird...
...bezweifelt mit gutem Grund
Syrdal

 

Manfred36

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An Deutschland in der Nacht, wie Heine, denk ich nicht.
Hab da, nimmt man es so, etwas beschränkte Sicht.
Auch dass ein Spott und Hohn mich Alten überzieht,
weil ich nicht bin konform was heut man alles sieht,
das macht mir keine Sorgen. Doch wo's auch immer sei,
ist man heut wach geworden und planet mancherlei.
Das Rätsel des Lebens aufzulösen,
ist stets nur frommer Wunsch gewesen.


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