Berlin

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Voll funktionsfähig - die Britzer Mühle


Glück muss der Mensch haben. Und das hatten wir, Rosi, Sagar und ich, an diesem Tag, dem ersten BerlinTreff in diesem Jahr :)

Eigentlich wollten wir diesen Tag ganz entspannt im Britzer Garten verbringen. Aber das Wetter bescherte uns am Mittag einen sanften, dauerhaften Landregen, so dass wir beschlossen, das Treffen abzubrechen, um nach Hause zu gehen.

Wir verließen den schönen Landschaftsgarten durch den Eingang „Blütenachse“, der vom April bis Oktober geöffnet ist, um zur Bushaltestelle am Bukower Damm zu gelangen.

Der Weg führte durch die Kleingarten-Siedlung, die uns durch die hübsch angelegten und gepflegten Gärten immer wieder zum stehenbleiben anregte



und weiter auf dem Weg zum Parkfriedhof und zur Britzer Mühle.

Ich war schon einmal dort und hatte schon damals diese Holländerwindmühle bestaunt, die anlässlich der Bundesgartenschau 1985 renoviert wurde. 150 Jahre Britzer Mühle, stand auf einem Transparent über der Tür.



Sicher könnte sie viel zu erzählen: Von den unterschiedlichen Besitzverhältnissen, von dem 50jährigem Stillstand der Flügel, weil ein Dieselmotor das Mahlwerk in Gang setzte, vom Krieg und den Bomben, die sie teilweise zerstörte und vom viele Jahre dauerndem Wiederaufbau und der Renovierung, der sie heute als voll funktionsfähiges Denkmal da stehen lässt.

Ich stand schon einmal dort, aber ich hatte sie noch nie von innen gesehen. Sehr froh und auch neugierig war ich und sicher auch Rosi und Sagar, als wir durch die großen Türflügel ins Innere traten.

Vor uns ein großer Tisch mit einer umlaufenden Bank und darüber eine Krone aus Ähren.



Solche eine habe ich schon des Öfteren in Mühlen gesehen, weiß aber nicht mehr um die Bedeutung dieser schönen Tradition.

An den Wänden viele weitere Dekorationsstücke,



die wahrscheinlich auch früher zum Alltag der Müllerinnen gehörten.

An den Wänden fanden wir die Ahnengalerie (der Mühle und der Müller)



und eine Windfege, die gleich meinen Blick festhielt, stand an der Wand.



Sie wird benutzt, um die Spreu vom Gedreide zu trennen.


Das Prinzip, das warum und wie wurde uns sehr genau erklärt von Herrn Schillhaneck, dem ersten Vorsitzenden des Britzer Müller-Vereins.

Eigentlich ist die Mühle Donnerstags nicht geöffnet. Er war zufällig anwesend, er bereitete an diesem Tag die Mühle für die Trauung vor, wie wir später erfuhren. Denn die Britzer Mühle ist auch Außenstelle des Standesamtes Berlin-Neukölln und 10 Mal im Jahr wird sich dort vermä(e)hlt – im Anschluss an die offizielle Trauung auch nach der Tradition der Müller :)


Die Britzer Mühle hat fünf Böden, eine Kappe, die sich dreht und eine umlaufende Galerie. Eine steile, schmale Treppe führt jeweils von Boden zu Boden.



Wir durften hinauf, obwohl an diesem Tag nicht offiziell geöffnet. Herr Schillhaneck begleitete uns und erzählte uns sehr viel von der Geschichte der Mühle, ihrer Stellung heute und den Dingen die wir sahen und erlebten.


Was uns erwartete war die ganze Einrichtung einer Mühle, die noch in Betrieb ist.





Bitte frage mich jetzt keiner nach den einzelnen Gegenständen - ich weiß nicht mehr wie sie heißen und welche Aufgabe sie haben.

Aber das ist ein altes "Handy" :) wie uns gesagte wurde. Also ein Telefon aus längst vergangenen Zeiten.



und die Notrufnummer hat sich in der ganzen Zeit nicht geändert, wie man hier sehen kann.


Da sich die Mühlengflügel bewegten, das hatten wir schon von außen gesehen, gab es natürlich auch Bewegung im Inneren der Mühle, wie hier am sich drehenden Stirnrad erkennbar ist.




Sehr anschaulich und ausgiebig wurde uns alles während unseres Aufstiegs bis in die Kappe der Mühle erklärt und jede Frage beantwortet. Dafür können wir nur Danke sagen, denn selbstverständlich ist das so nicht an einem Tag, der nicht für Besucher vorgesehen ist.

Wir haben den Mahlgang von Boden zu Boden, also von unten nach oben erklärt bekommen, weil das unser Weg durch die Mühle war. Hier möchte ich doch lieber die Bilder in umgekehrte Reihenfolge zeigen, um für den, der es jetzt ja theoretisch nachvollziehn will, etwas leichter zu machen. Vielleicht gelingt es mir ja.


Bemerkenswert an der Kappe ist die Windrose, die man aber nur von außen sehen kann. Sie ist der Grund, warum der Müller keine Muskelkraft benötigt, um die Mühlenflügel immer in der richtigen Stellung zum Wind zu halten. Wäre diese Windrose nicht, müsste die Kappe mit den Flügeln vom Müller oder der Müllerin von Hand in die richtige Richtung gezogen werden.

Die Kappe lagert auf einem Drehkranz der, wenn ich mich richtig erinnere, an 32 Rollen entlanggeführt wird.



Die Windmühlenflügel (Ruten genannt) übertragen ihre Bewegung auf die Flügelwelle, die durch die Kappe hindurchgeführt wird und weiter bis zum 5. Boden reicht und damit auch auf das Oberkammrad, welches sie fest umschließt.



Deutlich sind hier die dicken Bremsen zu sehen, mit der der Müller die Drehung der Flügel aufgehalten kann. Die Bremse, so wurde erklärt, geht rund um das Rad herum und legt sich nicht nur wie bei Bremsbacken üblich an wenigen Stellen am Rad an. Die Kraft, die damit die Mühlenflügel zum Stillstand bringt, muss gewaltig sein.

Kopf einziehen, war auf diesem Boden angesagt. Er ist nicht sehr hoch und durch die Schräge der Flügelwelle an mancher Stelle sogar für mich sehr niedrig - und ich bin nicht gerade groß.


Das Oberkammrad wiederum verzahnte sich mit dem Oberbunkler, so heißt das Gebilde, das hier waagerecht liegend zu sehen ist.




Durch diesen hindurch ist die Königswelle geführt, die senkrecht bis zum 3. Boden reichte, und durch das Stirnrad führt



welches dann das Stockrad antreibt



und den Mahlgang in Bewegung setzte.

Oh, so klein ist der Mahlstein, kaum eine große Männerhand groß.
Ich konnte das kaum glauben, sind doch die Mühlensteine, die man immer an Mühlen stehen oder liegen sieht, deutlich größer.



:) naja, dieser Mahlstein - so sagt der Müller zu den Steinen, die das Korn mahlen - ist nur für Demonstrationzwecke gedacht.

Während der Führung wurde uns genau die unterschiedlichen Materialen erklärt, aus der ein Mahlstein bestehen kann und auch das für und wider

An dieser Schütte, links im Vordergrund, werden die Säcke mit dem fertigen Mehl befüllt und an ihr die Traupaare bemehlt - Tradition, wenn in einer Mühle geheiratet wird.




Was wäre eine alte Mühle ohne ihren Geist? Auch die Britzer Mühle hat einen, ganz und gar aus Fettliesen, damit die Mühle auch immer wie geschmiert läuft....


Und draußen, auf der Galerie, die nur während einer Führung betreten werden darf, schauten wir uns die Mühlenflügel genauer an. Sie sind nicht mit Stoff bespannt, wie ich vermutete sondern sie hat Lamellen aus sehr dünnem Holz die beweglich sind und mittels einer Kette geöffnet der geschlossen werden können.



Übrigens: 25 m beträgt die Spannweite der Flügel, die Mühle selbst ist nur 20 Meter hoch. Ob die Kappe aus diesem Grund 27t schwer ist? - Wie sonst könnte verhindert werden, dass die Flügel die Mühle umreißen, wenn der Wind großen Druck ausübt?


Für mich ein Wunderwerk der Tecknik, über das sicher noch viel mehr berichtet werden könnte. Aber das würde ja jedem hier den Spaß nehmen, einmal selbst die Mühle zu besichtigen und hautnah zu erleben, was uns in der Theorie während der Schulzeit von Übersetzungen gelehrt wurde.

Übrigens: Und wer alles ganz genau wissen will, der kann sich hier auch zum Müller ausbilden lassen. Was uns neu war, und sicher auch vielen Berlinern nicht bekannt ist: In der Britzer Mühle werden in einem zweijährigem Lehrgang Müller ausgebildet – der nächste Kurs beginnt im September diesen Jahres. Allerdings, es ist keine Ausbildung, der dem Standard von heute entspricht. Der Müller heißt heute Verfahrenstechnologe/
-technologin in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft" und es bedarf einer dreijährigen Ausbildungszeit, um sich so nennen zu dürfen..

Und doch, so wurde uns von Herrn Schillhaneck gesagt, gingen von hier aus auch viele der ausgebildeten Müllerinnen und Müller in die Welt, um in anderen Orten ihrem Hobby nach zu gehen.



Ich hoffe, ich habe Euch neugierig gemacht. Sie ist wirklich sehens- und erlebenswert, die Britzer Mühle und wenn dann noch ein Leib frisch gebackenem Brotes mitgenommen werden kann, von dem Mühlenbesuch, wird es ein unvergesslicher Tag gewesen sein.



Für Rosi, Sagar und mich war es der Höhepunkt des ersten BerlinTreffs, den wir im Restaurant Zur Britzer Mühle dann ausklingen ließen.

Hier der Bericht vom Britzer Garten


Mit Vorfreude auf das nächste Treffen am 13.08. grüßt herzlich

Tranquilla / Angelika



PS: Wer es nicht glaubt, auch die Römer hatten schon Mühlen, die sie auf ihren Kriegszügen immer mit sich führten, um Mehl frisch zu malen. Mehl, das sie sonst in Säcken dabei hatten, war oft verdorben, wenn sie es verarbeiten wollten.

Diese Handmühle steht auch in der Britzer Mühle und soll der Mühle der Römer nicht unähnlich sein




...

Wer mag schaut auch mal hier herein. Drei sehr schöne Videos, in der die Britzer Mühle vorgestellt wird.

Britzer Mühle Teil 1

Britzer Mühle Teil 2

Britzer Mühle Teil 3

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Kommentare (1)

Ernest

Ein interessanter und sehr schön gestalteter Bericht. Ernst 


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