Vollkommene Freiheit


Unlängst war ich mal ziemlich durcheinander im Kopf.
Die vielen Ideen und Hobbies die noch der Pflege harren:
Eine manische Unruhe in mir.

Instinktiv begab ich mich an eine Bücherwand, ließ
den Blick darüber schweifen. In einer Reihe neben
Karlfried Graf Dückheim's "Übung des Leibes auf dem
inneren Weg", Eugen Herriegel's "Zen in der Kunst
des Bogenschießens", Alan Watts' "Zen Buddhismus -
Tradition und lebendige Gegenwart", Ayya Khema's
"Sei dir selbst eine Insel" stand Jiddu Krishnamurti's
"Einbruch in die Freiheit".

Dort griff ich zu. Und das war wohl der wichtige Tipp,
den ich jetzt brauchte, um zur Ruhe zu kommen, mich
wieder den fundamenntalen Werten zuzuwenden; womit
sich die vielen anderen, ach so große Begehrlichkeit
weckenden Dinge relativieren.

Ich erinnere mich: Es war im Juli 1983, als ich
Krishnamurti zum ersten Mal erlebte. Ein Nachbar (wir
bauten unsere Häuser zur gleichen Zeit) hatte mich auf
ihn aufmerksam gemacht: Ein indischer Weiser halte jeden
Sommer im Berner Oberland Vorträge. Ob wir wohl mit
unseren Familien gemeinsam dort ein paar Tage Ferien
machen wollten? Und er gab mir eine Schrift in die
Hand "Wahre Meditation". Der Inhalt war mir weitgehend
unverständlich.
Aber der Aufenthalt in Saanen war schön. Meine Töchter
erinnern sich heute noch daran. Vor allem an das kleine,
hutzelige, weißhaarige Männlein, das in einem riesigen
Zelt vor so vielen Leuten in einer für sie damals
unverständlichen Sprache redete.

Seit mich zuletzt Krishnamurtis Gedanken beschäftigten,
sind nunmehr einige Jahre verstrichen. Manche Seminare
und einige Retreats in Sachen Meditation bei verschiedenen
Lehrern habe ich seither besucht. Und gab schließlich selber
Kurse zum Thema 'Einsicht durch Achtsamkeit' (Vipassana).
Die meisten meiner Lehrer sind bereits von uns gegangen.

Und nun halte ich Zeugnisse eines der ganz großen Meister
- wie ich heute weiß - wieder in der Hand. Bin fasziniert
von der Klarheit seiner Aussagen.

Fragen kommen auf: Was von dem hatte ich zur Zeit der
ersten Begegnung verstanden? - Ehrlich: Ganz wenig nur.
Und heute?
Ich sehe: Wenn ich Krishnamurti lese, habe ich voll und ganz
Zustimmung zu jeder seiner Aussagen. Ohne Wenn und Aber.
Ich bewundere die Fähigkeit, seine Erfahrungen in klaren
Worten auszudrücken.

Also war in mir eine ungeheure Entwicklung übe die
Zeitspanne.

Hätte ich sein Material bei meinen Kursen weitergeben
sollen? Hätten die Teilnehmer ihn verstanden? Dann wären
sie wohl nicht zu meinen Kursen gekommen.

Aber vielleicht wäre hier oder dort ein weiteres Samenkorn
aufgegangen. So wie es bei mir geschah.

Jetzt, wo mir diese gewaltige innere Entwicklung bewußt
wird, merke ich, wie ich nun vieles loslassen kann. Ein
Teil meiner Bebliothek - darunter noch vieles, was von
meinem Vater stammt - kann ich nun weggeben. Es ist nicht
mehr relevant für mich. Vielleicht sind Andere daran
interessiert.

Komisch, der Hinweis meines Nachbarn hätte genausogut von
meinem Vater kommen können. Er hatte sich mit dem
theosophischen Gedankengut beschäftigt. Aber vermutlich
interpretierte er den Absprung Krishnamurtis (ehemals:
The Star of the East) aus deren Sicht.

Wie dem auch sei: Gibt es geradlinige Wege im Leben überhaupt?

Wieder erkenne ich die Vergänglichkeit aller Dinge im
Fließen einer riesigen Sanduhr, die ich vor kurzem in einer
Glasbläserei im Allgäu entdeckte.

Und morgen soll mein Zahnarzt der Vergänglichkeit meiner Zähne
Einhalt gebieten.

In diesem Sinne
GreyEagle

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