Vom Klub der Trinkgeldgegner


In den Wochen vor dem Osterfest 1911 versuchten Gegner des Trinkgeldes über sogenannte Aufklärungsabende in Radeberg Anhänger zu gewinnen. Unter dem Tenor „Es unterliegt keinem Zweifel, dass das alles für deutsche Sitten und Gebräuche des Guten zu viel ist, und dass, wenn die Unternehmer dieser Luxusetablissements ihr Personal ebenso bezahlen müssten wie andere Gewerbetreibende, sie kaum zur Hälfte existieren könnten.“

So in ihrer Ankündigung zur „Protestversammlung“. Das Maß sei voll, räsonierte man, denn in den größeren Städten verpachte man nun schon Garderoben und Bedürfnisanstalten, sodass auch da noch Trinkgeld zu entrichten sei.

„Wir können auch hierbei daran denken, dass wir uns die nicht ganz billige Zeit noch extra teuer machen durch keineswegs nötige Sitten und Gewohnheiten. Alles wird teurer, aber darum braucht das nicht auch vom Trinkgeld zu gelten“, so die Organisatoren in ihrem Aufklärungsartikel, nachzulesen in der „Radeberger Zeitung“ vom 25. April 1911. Zu diesem Zeitpunkt waren die Initiatoren, darunter ein Berliner Arzt und ein Dresdener Offizier schon längst auf dem Rückzug. Sie hatten alle Einrichtungen der Stadt aufgeführt, wo es üblich war, Trinkgeld zu geben,
Die Gasthöfe und Gaststätten drohten mit Klage. Handfester wurden Abgesandte der Friseure und Spediteure, hatte es sich doch seit etwa 1909 auch in Radeberg eingebürgert, beim Bartscheren und Haareschneiden „aufzurunden“ oder dem Überbringer einer bestellten Ware oder eines Pakets ein kleines Salär zu geben. Diese Abgesandten boten „den Propagandisten der Unruhe Dresche an“, wie im Gendarmeriebericht vermerkt wurde.

Dabei hätten die Organisatoren der vergeblichen Klubgründung nur in die Geschichte schauen brauchen. Das Trinkgeld, auch Trankgeld, Bierziese, Bierpfennig oder Badegeld genannt, ist in Radeberg mindestens seit dem 16. Jahrhundert bezeugt. Schon Kurfürst Moritz ließ bei seinen Aufenthalten „Trankgeld verteilen“. In den noch vorhandenen Stadtrechnungen kommt dieser Begriff auch das eine oder andere Mal vor, so wenn man Botschaft lief oder als viele Nebenleistungen bei der Errichtung des ersten städtischen Hospitals 1576 zu zahlen waren.
Das bedeutendste Trinkgeld soll ein Russe um 1790 im Augustusbad gegeben haben. Dem ihn betreuenden „Badeknecht“ gab er 50 Rubel für das Stiefelausziehen.

Kleine Rechtsbelehrung von heute:
Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, sind in Deutschland gemäß § 3 Nr. 51 Einkommenssteuergesetz steuerfrei. Dagegen sind „Trinkgelder“, die ein selbständiger Unternehmer von seinen Kunden erhält, Teil des Entgelts für die erbrachte Leistung und sowohl Umsatz- wie auch Einkommensteuerpflichtig.

haweger


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Kommentare (2)

haweger Danke für die freundliche Aufnahme in wenigen Stunden und Deiner netten Anmerkung. Über solcher Art Geschichten lachen sich die Leute in meinen Vorträgen scheckig. Und diesesind dann auch gut besucht.
omasigi hast Du uns eine nette kleine
Historie erzählt.

omasigi

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